Implantologie 23.11.2011

Sofortimplantation im anterioren Maxillabereich



Sofortimplantation im anterioren Maxillabereich

In der Implantologie sollte man sich nicht nur auf ein spezifisches Behandlungskonzept ­beschränken, sondern mehrere Konzepte in Betracht ziehen, um ein erfolgreiches therapeutisches Ergebnis zu erzielen. Eine Methode stellt die Sofortimplantation dar.

Bereits 1970 wurde das Konzept der Sofortimplantation durch Dr. Schulte erforscht, um den Erhalt von anatomischen Hart- und Weichgewebestrukturen zu sichern.1 Für den Erhalt einer Struktur im Körper, wie zum Beispiel der Muskulatur, sind bestimmte Reize Voraussetzung. Dieses Prinzip gilt ebenfalls für den Alveolarknochen. Die Belastung kann in Form der natürlichen oder künstlichen (Implantat-) Wurzel stattfinden. Zudem sollte diese Belastung so früh wie möglich erfolgen, um die Knochenresorption zu stoppen. Man spricht von einer Sofortimplantation, sofern das Implantat innerhalb von 48 Stunden nach der Extraktion eingesetzt wird.

Das Behandlungskonzept zur Sofortimplantation ist in seiner Indikation limitiert. Das bedeutet, dass der Implantologe eine präzise Befunderhebung durchführen muss. Die Voraussetzungen für eine Sofortimplantation sind die Entzündungsfreiheit des Implantatbetts (kleinere, chronische apikale Prozesse können in der OP behandelt werden), das Vorhandensein der vestibulären Lamellenknochen sowie genügend Knochen nach apikal, um das Implantat zu stabilisieren. Eine wichtige Rolle spielt auch die Erfahrung des Implantologen. Die Compliance des Patienten sollte ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden, um die Belastung des Implantats während der Einheilphase so gering wie möglich zu halten. Aufgrund der transgingivalen Einheilung ist eine gute Mundhygiene Voraussetzung für den Erfolg der Behandlung. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Sofortimplantation ist die sogenannte krestale Kongruenz, also die zervikale Distanz zwischen Alveolarwand und Implantat. Ist die krestale Kongruenz kleiner als 2,5 werden diese spontan (Spring-Distanz) überbrückt.2 Bei einer größeren Distanz sollten augmentative Verfahren mit Membrantechnik in Betracht gezogen werden.2 Jedoch muss dieses vom Behandler genau abgewogen werden, da jede zusätzliche Maßnahme zugleich eine Gefahr zur Bildung einer Entzündung bedeutet, was ein Scheitern der Behandlung zur Folge hätte.

Der Hauptindikationsort der Sofortimplantation liegt im ästhetisch sichtbaren Bereich (14–24/34–44), vor allem im anterioren Maxillabereich.3 Der Vorteil dieses ­Behandlungskonzeptes liegt zum einen in der Verkürzung der Behandlungsdauer, was eine geringere Belastung für den Patienten bedeutet. Zum anderen liegt der Vorteil darin, dass direkt nach der Operation keine ästhetischen Einschränkungen beim Patienten vorliegen. Mit der Sofortimplantation ist somit die Chance am größten, den Alveolarknochen zu erhalten.

Fallbericht

Bei einer 32-jährigen Patientin war eine Längsfraktur, ein Lockerungsgrad II sowie eine Verfärbung des Zahnes 21 zu beobachten. Nach der anamnestischen Befragung stellte sich heraus, dass der Zahn im achten Lebensjahr aufgrund eines Traumatas komplett luxiert wurde. Dieser wurde durch die damals behandelnden Zahnärzte wieder reponiert. Des Weiteren war auf der Panoramaschichtaufnahme eine endodontische Behandlung des Zahnes 21 zu beobachten. Die Taschentiefen waren mit 2 bis 3 Millimeter unauffällig ­sowie BOP-negativ. Auffällig ist, dass die gesamte Oberkieferfront verkürzte Zahnwurzeln aufweist, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Traumata zurückzuführen sind. Aufgrund der ästhetischen Bedürfnisse der Patientin, welche sich durch ihren Beruf erklären lassen, war es für sie wichtig, eine schnelle und optimale Lösung zu finden, um den Zahn 21 zu ersetzen. Ihr Wunsch war eine Sofortimplantation. Nach sorgfältiger röntgenologischer und klinischer Diagnostik konnte der Wunsch der Patientin berücksichtigt werden, was in diesem Fall zudem eine optimale Lösung bot. Mithilfe des DVTs wurde präoperativ die Implantation visuell simuliert und somit die Implantatlänge sowie der Durchmesser bestimmt. Die Extraktion wurde mithilfe der Piezochirurgie durchgeführt, um eine möglichst atraumatische Extraktion durchzuführen. Auf diese Weise konnten das Knochenfach sowie das Weichgewebe geschont werden und die so wichtige vestibuläre Knochenlamelle erhalten bleiben. Nach der Extraktion wurde das Knochenfach kontrolliert und zudem gründlich kürettiert. Um eine zusätzliche Keimfreiheit zu schaffen, wurde die Region mit einem CO2-Laser behandelt.

Für eine gute Primärstabilität wurde eine Bohrung nach apikal über das bestehende Knochenfach hinaus durchgeführt. Danach wurde das Implantat inseriert (Nobel Biocare Replace Select Tapered TiU RP 4,3x16). Zusätzlich wurde der Spalt zwischen Implantat und Knochen mit einem Gemisch aus Eigenknochen und Knochenersatzmaterial aufgefüllt. Anschließend erfolgte das Einschrauben eines Zirkonpfostens. Am Gingivalsaum wurde ein Verschluss mittels Opaldam und CO2-Laser durchgeführt. Mit speziellen Keramikschleifern wurde der Zirkonpfosten zurechtgeschliffen und anschließend das Provisorium angepasst. Um eine Reizung der Gingiva bzw. des OP-Gebiets auszuschließen, wurde das Provisorium kürzer gestaltet. Zudem ist es von großer Bedeutung, dass das Provisorium sowohl in der habituellen Okklusion als auch bei exzentrischen Bewegungen außer Kontakt geschliffen wird. Postoperativ gab es keine Komplikationen. Die Patientin hatte keinerlei Beschwerden. Eine Schwellung oder eine Entzündung waren ebenfalls nicht zu beobachten. Der Abdruck wurde nach vier Monaten mit einem individuellen Löffel genommen. Bei Frontzahnversorgungen ist es von großem Vorteil, wenn ein Zahntechniker im Hause zur Verfügung steht, um die Zahnfarbe direkt am Patienten zu bestimmen. Auf diese Weise kann der ästhetische Anspruch des Patienten im Frontzahnbereich optimal berücksichtigt werden. In diesem Fall wurde ein Wax-up hergestellt und ein Zirkonkäppchen mittels des CAD/CAM-Systems von NobelProcera gescannt. Anschließend wurde eine auf den Patienten genormte charakteristische Farbschichtung durchgeführt. Für ein optimales Ergebnis wurde die Krone mit einer Try-In-Paste anprobiert und anschließend adhäsiv eingesetzt.

Diskussion

Die Alternativen zur Sofortimplantation wären in diesem Fall die verspätete Sofortimplantation oder eine Spätimplantation. Jedoch sollte man sich vor jeder Extraktion die Frage stellen, welche Folgen diese für die spätere prothetische Versorgung haben könnte. Mit der Postextraktion kommt es zum Abbau des Knochens und somit zum Verlust der Weichteilstrukturen, was eine Verschlechterung der Ästhetik mit sich bringt. Gerade im anterioren Oberkiefer entstehen dadurch im ästhetisch sichtbaren Bereich (Regio 15 bis 25) häufig Deformationen des Alveolarfortsatzes, die nur schwer prothetisch zu restaurieren sind und häufig nur eine unbefriedigende Ästhetik zur Folge haben.4 Würde man die Alternativen in Betracht ziehen, wäre eine vertikale Augmentation mit Weichteilmanagement unumgänglich, um auf diese Weise den ästhetischen und funktionellen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Alternativen würden für die Patientin eine langwierige und schmerzhafte Therapie bedeuten. In der Literatur werden für Sofortimplantate Erfolgsquoten bis zu 95% angegeben.3,5,6 Somit erfüllt die Sofortimplantation sowohl die ästhetischen als auch die funktionellen Ansprüche, um als primäre Behandlung in der Zahnheilkunde in Betracht gezogen zu werden. Die Indikationsstellung erfordert vom Behandler eine präzise Diagnostik sowie viel Erfahrung. Zudem muss die transgingivale Einheilung als ein kritischer Punkt betrachtet werden, die bei schlechter Mundhygiene eine Entzündung begünstigen kann. Zudem fordert die Sofortimplantation mit Sofortbelastung eine gute Compliance des Patienten. Abschließend ist zu klären, ob beim Misserfolg der Sofortimplantation mehr Knochenverlust entsteht als bei Nichtimplantation.

Schlussfolgerung

Die Grundvoraussetzungen sind eine intakte bukkale Lamelle, ausreichendes Knochenangebot nach apikal, Entzündungsfreiheit, gute Mundhygiene sowie die Compliance des Patienten. Die Sofortimplantation stellt unter Berücksichtigung all dieser Aspekte und bei richtiger Indikation eine bewährte und evidenzbasierte Therapie in der Zahnheilkunde dar.6

Eine ausführliche Literaturliste finden Sie hier.

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