Kieferorthopädie 28.02.2011

Das CLEAR-ALIGNER-Konzept nach Dr. Kim



Das CLEAR-ALIGNER-Konzept nach Dr. Kim

Ob Engstand, Tiefbiss oder Lückenschluss – insbesondere erwachsene Patienten wünschen sich heutzutage eine möglichst unauffällige Korrektur ihrer Zahnfehlstellungen. Der folgende Beitrag von Prof. Dr. Tae Weon Kim und ZTM Peter Stückrad zeigt, wie eine Behandlung mit dem CLEAR-ALIGNER-System erfolgen kann.

Der CLEAR-ALIGNER wur­de 1998 von Dr. Tae Weon Kim aus Seoul/Südkorea zur Re­zidivbehandlung entwickelt. Die herausnehmbaren Schienen des Systems entsprechen dabei nicht nur besonders ästhetischen Kriterien, sondern sind zudem komfortabel zu tragen.


Die Besonderheit des Systems nach Dr. Kim liegt in den für jeden Behandlungsschritt einzeln erstellten Schienen. Diese werden mithilfe des BIOSTAR®-Druckformgeräts gefertigt und das für jeden Schritt in jeweils drei verschiedenen Stärken (0,5 mm, 0,625 mm und 0,75 mm; Abb. 1). Die Dauer eines Behandlungsschrittes beträgt drei Wochen, sodass jede Schie­ne eine Woche lang getragen wird (Abb. 2).

Die Kontrolle des Set-ups erfolgt mithilfe der Software CAPRO (SCHEU-DENTAL). Dabei wird vom Set-up-Modell ei­ne Schiene erstellt, die pro Behandlungsschritt einen Bewegungsbereich von 0,5 bis 1 mm vorsieht. Nach jedem Therapieschritt wird ein neues Set-up erstellt, welches dann als Grundlage für die Formung der nächsten drei Schienen dient (Abb. 3, 4). Somit lassen sich Fehler minimieren, wie sie mitunter bei anderen Aligner-Systemen auftreten.

Das CLEAR-ALIGNER-Schienensystem bietet dem Behandler die Möglichkeit, die komplette Therapie – von der Diag­nose und Therapieplanung über die Fertigung der Set-up-Modelle und Schienen bis hin zur Aktivierung – selbst in der Praxis bzw. im Labor durchzuführen. Dies bringt zahlreiche Vorteile mit sich:

• sofortige, kostengünstige Herstellung
• vollkommene Behandlungskontrolle
• jederzeitige Therapiekorrektur möglich.

Zudem bietet das System weitere Vorteile, wie:

• Zahnkorrekturen höchster Qualität durch präzise, individuelle Passform
• vielfältige Anwendungsmög­lichkeiten
• hochwertige, bioverträgliche Thermoplast-Schienen
• hoher Tragekomfort, keine störenden Drähte oder Schrau­ben
• Sprechen und Lachen ohne Einschränkung
• beste Ästhetik durch optisch fast unsichtbare Schienen
• hohe Passgenauigkeit
• leicht herausnehmbar, einfache Hygiene mittels Zahnbürste/-pasta (evtl. zusätzli­cher Einsatz von CETRON-Reinigungspulver).

Set-up-Herstellung

Für die Herstellung der Set-up-Modelle bzw. Umsetzung der einzelnen Zahnsegmente stehen Hilfsmittel wie Diamant-Trennscheibe, Set-up-Modellfräse, Set-up-Wachsstangen, Set-up-Wachsblöcke, Handsäge und das lichthärtende Ausblockmaterial BLUE-BLOKKER zur Verfügung.

Überprüfung/Messung

Die Überprüfung und Vermessung erfolgt mit erwähnter, von Dr. Tae Weon Kim entwickelter Software. Dabei werden Strecken- und Winkelveränderungen an den Modellen digital gemessen und geprüft. Als hilfreich haben sich in diesem Zusammenhang das CLEAR-ALIGNER-Fotostativ und -Technikbuch mit DVD-Präsentation erwiesen. Ein zu­sätzliches Präzisionsmess­ins­trument ist der „Model Checker“, welches Torque- bzw. Angulationswerte am Set-up-Modell misst.

Schienenherstellung


Die Herstellung der Schienen erfolgt durch die Tiefzieh­geräte BIOSTAR oder MINI-STAR S unter Verwendung der ISOFOLAN-Folie und hartelas­tischer CLEAR-ALIGNER-Folien. Zur Bearbeitung der ausgeschnittenen Schiene sind die Schleifkörper des Finier-Sets sowie die DIMO PRO-Scheiben zu empfehlen.

Anpassung/Aktivierung

Speziell für den Vorgang des Aktivierens hat Dr. Kim vier Zangen mit jeweils unter­schiedlichen Spitzen entwickelt. Diese Spezialzangen ermöglichen bei Bedarf das Anbringen von Buttons sowie Aktivierungs­punkten an der Schiene.

Indikation

Das CLEAR-ALIGNER-Schie­nensystem hat sich seit seiner Markteinführung in unzähligen Fällen klinisch bewährt, wobei sich die Anwendungsgebiete deutlich erweitert haben. So können Engstände, Lückenschlüsse/Diastema, In- und Extrusionen, Mittellinienkorrekturen, das Finish­ing oder De­tailing mithilfe dieses Aligner-Systems problemlos durchgeführt werden. Aber auch Tief-, Kreuz- oder offene Bisse stellen gängige Indikationen für den effektiven Einsatz dar.

Zudem kann der CLEAR-ALIGNER zur Expansion eingesetzt werden. Dazu kann vom Set-up-Modell in verschiedene Richtungen ex­pandiert werden (oblique laterale Expansion, bilaterale Expansion und anterior-posteriore Expansion). In der Regel werden alle Expansionsrichtungen bereits zu Behandlungsbeginn angebahnt, um Raum für die Auf­lösung von Engständen zu ge­nerie­ren. Die Intrusion mithilfe dieses Systems erfolgt sowohl durch relative als auch absolute Intrusion. Die harmonische Ausrichtung der Zähne wird hierbei immer dann weitergeführt, wenn zwischen den einzelnen Set-ups ein Bewegungsbereich von 1 mm liegt.

Von der Beratung bis hin zum optimalen Behandlungsergebnis sind es nur wenige Schritte:

1. Patienten-Beratung
Vorstellung der individuellen Behandlungsmöglichkeiten (Angebot/Kosten sowie Behandlungszeit)

2. Abdrucknahme
Ober- und Unterkiefer-Abformungen zur Herstellung der passgenauen Schienenbasis.

3. Fertigung der Schienen
Alle Schienen werden präzise und individuell durch Druckformtechnik im Labor hergestellt.

4. Behandlung
Während des Tragens der Korrekturschienen wird der Behandlungsfortschritt regelmä­ßig kontrolliert. Um ein optimales Ergebnis zu erzielen, können alle zwei bis drei Wochen neue Abformungen genommen werden.

Trageempfehlung

Um die Zahnfehlstellungen so effektiv wie möglich zu korrigieren, ist folgender Tragerhythmus empfehlenswert:

1. Tag: Schiene mehrmals am Tag tragen und stundenweise herausnehmen. Nachts durchgängig tragen.

2. Tag: Tagsüber nur noch bei Bedarf stundenweise herausnehmen und nachts weiterhin durchgängig tragen.

3.–6. Tag: Durchgängig Tag und Nacht tragen und lediglich kurz zu den Mahlzeiten herausnehmen.

7. Tag: Wechsel zur nächsten Schiene. Zur Eingewöhnung können bei Bedarf Tragepausen eingelegt werden.

Der Behandlungserfolg resultiert hierbei ausschließlich aus der Trageintensität.

Pflegeempfehlung

Zu beachten gilt, dass das Rauchen und Trinken von Kaffee o.ä. mit aufgesetzten Schienen zu Verfärbungen der Schienen führt.

Retention

Zähne bewegen sich und können – ohne eine entsprechende Hilfe – in ihre ursprüngliche Stellung „zurückwandern“. Für diese Rezidive gibt es verschiedene Ursachen:

• Die Knochenneubildung im Zahnfach ist noch nicht abgeschlossen.
• Die Spannung der Zahnhaltefasern – besonders nach Zahndrehungen – ist noch nicht abgebaut.
• Der Druck der umgebenen Weichteile (Zunge, Lippen- und Wangenmuskulatur) hat sich noch nicht auf die veränderten Zahnpositionen ein­gestellt.
• Es bestehen noch Fehlfunktionen der Zunge beim Sprechen und Schlucken.
• Der Durchbruchsdruck der Weisheitszähne verengt die Zahnreihen nach vorn.

Zur Vermeidung von Rezidiven kann ein Retainer eingesetzt werden, welcher lingual bzw. palatinal exakt an den Zähnen anliegt, um so die korrigierte Zahnstellung dauerhaft zu stabilisieren. Hierbei schützt der Retainer die neu positionierten Zähne so lange vor dem veränderten Druck beim Abbeißen und Kauen sowie vor den Einflüssen von Zunge, Lippen- und Wangenmuskulatur, bis die normale Festigkeit im Kieferknochen wiederhergestellt ist.

Die Retentionsphase beträgt in der Regel doppelt so lange wie die aktive kieferorthopädische Behandlungszeit, wobei die Dauer der Retention auch von Art und Umfang der durchgeführten Zahnbewegungen bzw. Bissveränderung abhängt. Sie wird indi­viduell festgelegt und kann auch für einen längeren Zeit­raum notwendig sein.

Nach einer Behandlung von Zahnfehlstellungen bei Erwachsenen – besonders bei geschädigtem Zahnhalteapparat/Parodontose – sollte die Retention dauerhaft und lebenslang erfolgen. In solchen Fällen haben sich herausnehmbare Kunststoff-Schienen aus PC – IMPRELON „S“ mit 1mm Stärke bewährt, die nur nachts – später auch nur jede zweite oder dritte Nacht – getragen werden sollten.
Die Ausdehnung ist grazil – oberhalb vom Zahnfleischsaum – und deutlich kürzer als beim CLEAR ALIGNER. Die transparenten herausnehmbaren OK- und UK-Retentionsschienen können für den gesamten Zahnbogen oder bei Bedarf auch nur für die Frontzähne von 3-3 hergestellt werden.

Fallbeispiel

22 Jahre, weiblich, Engstand und Lippenprotrusion

Anamnese (Abb. 5, 6)
} tiefer Biss
} Engstand mit starkem Overjet
} protrudierte obere Schneide­zähne

Therapieplan

} Expansion
} Intrusion (mit Suspender CLEAR-ALIGNER)
} Ausrichtung
} IPR (oben 3 mm, unten 2 mm)
} Lückenschluss

Ergebnis

} Verminderung des Tiefbisses
} komplette Behandlung des Engstandes (Abb. 7a–f)
} Korrektur der Bogenform (Abb. 8a–f, 9)
} Behandlung der Lippenprotrahierung durch IPR
} Verbesserung der Okklusionsfunktion durch Korrektur des Overjets
} erfolgreiche Behandlung der extrudierten unteren Schnei­dezähne
} ästhetisches Lächeln (Abb. 10)

Die Gesamtbehandlungszeit betrug 12,5 Monate.

Autoren: ZTM Peter Stückrad, Tae Weon Kim DDS, MSD, PhD

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