Kieferorthopädie 23.09.2019
Einsatz des Leaf Expander zur Behandlung transversaler Diskrepanzen
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Eine transversale Erweiterung des Oberkiefers beim Erwachsenen erfordert nicht selten eine chirurgische Unterstützung, welche für den Patienten einen nicht zu unterschätzenden Eingriff in seinen Lebens- und Arbeitsalltag bedeutet. Viele Erwachsene entscheiden sich daher gegen eine Operation. Eine alternative Therapiemethode stellt die Nutzung festsitzender Apparaturen mit palatinaler Dehnschraube dar. Beim Leaf Expander® wird die transversale maxilläre Erweiterung mithilfe einer Doppelblattfeder aus Nickel-Titan anstelle einer mittigen Dehnschraube realisiert. Der folgende Fallbericht zeigt die klinische Anwendung dieses Expansionsgerätes mit erfolgreich erfolgtem dentoalveolärem Umbau.
Einleitung
Die schnelle palatinale Erweiterung (Rapid Palatal Expansion, RPE) gilt als Goldstandard-Verfahren zur Korrektur von Kreuzbissen. Die Verknöcherung der mittleren Gaumennaht stellt einen Schlüsselfaktor im Entscheidungsprozess für die Durchführung des korrekten Behandlungsplans dar. Obwohl einige Studien1 berichten, dass die Verknöcherung der mittleren Gaumennaht im Patientenalter von 15 bis 19 Jahren beobachtet werden kann, behaupten andere, dass sie mit 27, 32, 54 und 71 Jahren1–3 nicht erkennbar ist.
Da das biologische Alter daher kein gültiger Entscheidungsfaktor ist2–4, gelten der Reifungsindex der Wirbel (Cervical Vertebral Maturation-Methode) und die Verwendung der digitalen Volumentomografie (DVT) sowohl im pubertären als auch im postpubertären Alter als die zuverlässigsten Methoden.5–8
Wenn keine oder nur eine teilweise Öffnung der mittleren Gaumennaht möglich ist, stellt die dentoalveoläre Erweiterung das einzig erreichbare Ergebnis bei Einsatz maxillärer Expander dar. Die dentoalveoläre Erweiterung wird in 39 bis 49 Prozent der Fälle erreicht und macht 6 bis 13 Prozent der gesamten Expansion aus.10, 11
Zusammenfassung des Behandlungsplans
Im Hinblick auf das Erwachsenenalter der Patientin und ihrem Wunsch entsprechend, einen chirurgischen Eingriff und/oder eine Extraktion von Zähnen zu vermeiden, wurde die vorliegende ausgeprägte skelettale Malokklusion mithilfe eines nichtchirurgischen Therapieansatzes behandelt.
Die Patientin wies einen ausgeprägten einseitigen Kreuzbiss mit Zahnengstand sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer auf. Es lag eine Verlagerung der interinzisiven Linie, eine Klasse I-Okklusion auf der linken Seite, während im anderen Quadranten eine Klasse II-Malokklusionen (sowohl Molar als auch Eckzahn) vorlag (Abb. 1a und b). Um die maxilläre transversale Diskrepanz zu behandeln, wurde ein Leaf Expander (Fa. Leone, Vertrieb DE über die dentalline GmbH) 900 g eingesetzt. Hierbei handelt es sich um einen palatinalen Expander, der bei Erwachsenen eine Modifikation der transversalen Dimension vor allem durch dentoalveoläres Remodeling induzieren kann. Dieses wird dank der superelastischen Eigenschaften der einzigartigen blattförmigen Nickel-Titan-Federn ermöglicht, welche kontrollierte und gleichmäßige Kräfte abgeben.
Da die Patientin eine asymmetrische transversale Diskrepanz aufwies, war auf der rechten Seite der Einsatz querelastischer Gummizüge notwendig. Zudem wurde zur Kontrolle der unteren Verankerung ein Lingualbogen eingesetzt. Um eine optimale Torquekontrolle zu gewährleisten, kam eine Straight-Wire-Apparatur zur Anwendung. Dabei wurden die Brackets der oberen seitlichen Schneidezähne im fortgeschrittenen Stadium der Behandlung um 180° gedreht und zum Ende der Therapie wieder normal geklebt.
Klinische Gesichtsanalyse
- Gesichtsasymmetrie mit skelettaler Hyperdivergenz
- Prominenter Unterkieferkörper, der durch die Schlankheit der Patientin hervorgehoben wird
- Unregelmäßiges Lächeln mit leichter labialer Inkompetenz
- Spürbar veränderte Orbicularis-Muskulatur (Abb. 2a bis h).
Funktionsanalyse
Die Patientin verweist auf wiederkehrende muskuläre Spannungsschmerzen und das Vorhandensein von sporadischem beidseitigem Klicken und Schmerz im Kiefergelenk. Die Fehlausrichtung der Mittellinien ist bei geöffnetem Mund nicht erkennbar, jedoch wird ein Shift des Unterkiefers deutlich, wahrscheinlich aufgrund einer initialen Inkoordination des Kondylus-Meniskus. Auf Wunsch der Patientin wurde keine weitere MRT-Untersuchung durchgeführt.
Intraorale Analyse
Monolateraler Kreuzbiss (rechts), stark ausgeprägter oberer und unterer Engstand. Abweichung der Mittellinie, asymmetrische Molaren- und Eckzahnokklusion: Klasse I links und Klasse II rechts. Palatinale Kreuzposition der oberen seitlichen Schneidezähne. Kein Overbite, kein Overjet (Abb. 3a bis e).
Modellanalyse
Oberer Bogen
- Fehlen der dritten Molaren
- asymmetrischer Zahnbogen
- starker Engstand
- palatinale Position der oberen seitlichen Schneidezähne und vestibulär ektopische Eckzähne
- rotierte Molaren auf beiden Seiten
Unterer Bogen
- Fehlen der dritten Molaren
- stark asymmetrischer Zahnbogen
- stark ausgeprägter Engstand
- vestibulär ektopische Position des linken Eckzahnes
- Rotationen
Okklusalbeziehungen Sagittalebene
- Molaren- und Eckzahnokklusion: Klasse I links und Klasse II rechts
- kein Overjet
- tiefe Spee-Kurve
Okklusalbeziehungen Frontalebene
- kein Overbite
Okklusalbeziehungen Transveralebene
- starke Reduzierung des maxillären und mandibulären transversalen Durchmessers
- Kreuzbiss der oberen seitlichen Schneidezähne aufgrund der palatinalen Positionen (Abb. 4a bis i)
Behandlungsplan
Das skelettale Alter der Patientin und die Art der Malokklusionen waren entscheidend für die Festlegung des Behandlungsplans. Aufgrund der starken Verkleinerung der transversalen Oberkieferdimension und des lateralen Kreuzbisses war ein entsprechendes dentoalveoläres Remodeling erforderlich. Außerdem mussten die linken Prämolaren und ersten Molaren stark und die rechten leicht getorqued werden.
Es wurde ein Leaf Expander eingesetzt, der 900 g an Kraft appliziert und eine Dehnung des Oberkiefers um 6 mm ermöglicht (A2704-06) (Abb. 4a). Die Aktivierung der Dehnschraube wurde allein vom Behandler durchgeführt, und zwar in insgesamt drei Sitzungen während des gesamten Behandlungszyklus (Tabelle 1). Dank dieses Aktivierungsprotokolls konnte eine konstante, vorab festgelegte, kalibrierte Kraft appliziert werden, die eine vollständige Kontrolle der Expansionsbewegung sowie der vestibulären Inklination der „Pfeilerzähne“ gewährleistete.
Wie in der Literatur beschrieben, konnte unter der Voraussetzung einer exakten Fertigung der Apparatur mit einer optimalen Passform auf den Pfeilerzähnen eine hohe Kontrolle der vestibulären Zahninklination mithilfe einer körperlichen Bewegung in vestibulärer Richtung erreicht werden.13–16 In Anbetracht der starken Asymmetrie des Oberkiefers war die Verwendung von Kreuzbiss-Gummizügen auf der rechten Seite notwendig. Durch die ausgezeichnete Mitarbeit der Patientin konnte in relativ kurzer Zeit eine gute Korrektur erzielt werden.
Die oberen seitlichen Schneidezähne wurden durch sequenzielles Bonding korrigiert, wobei der Schwerpunkt auf der korrekten Positionierung der Wurzeln lag. So wurden insbesondere die beiden Brackets verkehrt herum positioniert, um eine breitere Korrektur des vestibulären Wurzeltorques zu nutzen.
Der untere Zahnbogen war aufgrund des starken Engstands sowie der ektopischen vestibulären Position des Eckzahns eine Herausforderung. Die Korrektur wurde zunächst unter Aufrechterhaltung einer hohen Verankerungskontrolle und unter Berücksichtigung der Proinklination der Frontzähne durchgeführt. Für die Korrektur der Malokklusionsklasse und des korrekten Overbite wurden vertikale und asymmetrische Gummizüge verwendet. Die rosa Ästhetik und die Symmetrie des Zahnfleischrandes wurden mithilfe einer Rekonturierung der Zahnfleischränder mittels Laserdioden erzielt (Abb. 5a bis e).
Ergebnisse
Die gesamte Behandlung dauerte ein Jahr und zehn Monate. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Skelettal
Was die kephalometrischen Parameter betrifft, so sind die numerischen Veränderungen in der Verbesserung sowohl der Malokklusionsklasse mit leichter Reduktion der AN/Pg aufgrund der mandibulären Progression als auch der skelettalen Hyperdivergenz mit Reduktion des SN/GoGn-Winkels erkennbar (Tabelle 2). Die Korrektur der transversalen Oberkieferdimension wurde durch ein dentoalveoläres Remodeling mithilfe eines Leaf Expander erreicht. Da die Therapie bei einer sich nicht mehr im Wachstum befindlichen Patientin durchgeführt wurde, sind die skelettalen Veränderungen eher minimal (Abb. 6a bis f).
Weichgewebe
Die Gesichtszüge wurden durch eine Verbesserung der fazialen Symmetrie und des Lächelns deutlich verändert. Die Muskulatur wurde entlastet und die labiale Kompetenz gesteigert.
Dental
Durch Schaffung von Klasse I-Okklusionsverhältnissen sowohl auf Eckzahn- als auch Molarenebene konnte ein gutes dentales Alignment erreicht werden. Die Mittellinien wurden ausgerichtet, Overjet und Overbite liegen im Normalbereich. Nach Entfernung der kieferorthopädischen Behandlungsapparatur unterzog sich die Patientin einer professionellen Zahnaufhellung. Um das Lächeln zu verbessern, wurde darüber hinaus eine Laser-Gingivektomie im oberen Zahnbogen durchgeführt. Das Lächeln zeigt eine korrekte ästhetische Linie, ist ausdrucksstärker und harmoniert noch besser mit dem Gesicht der Patientin (Abb. 7a bis h; Abb. 8a bis f; Abb. 9a und b; Abb. 10).
Die vollständige Literaturliste gibt es hier.
Dieser Beitrag ist in KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.
Fotos: Autoren