Parodontologie 14.08.2017

Ganzheitliche parodontale Therapieunterstützung – Teil 13



Ganzheitliche parodontale Therapieunterstützung – Teil 13

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Die parodontale Therapie ist überholt und braucht ein Update – Ernährung (Teil 5)

Der Autor geht davon aus, dass die lokal keimreduzierende Therapie am Parodontium eine lokal temporäre Therapie ist. Nach seiner Auffassung hat Parodontitis einen multifaktoriellen Ursachenkomplex.

Der professionelle Therapiebeginn stellt die Voraussetzung, die Grundlage dar, aber ist nicht die Therapie und ist 
nicht ausreichend zum Stopp des 
Knochenabbaus. Für einen ausgeglichenen Knochenstoffwechsel, selbst 
im hohen Seniorenalter, ist ein regelmäßiges, individuelles Recall notwendig, kontinuierlich mit drei Therapieschritten: 

  1. Therapie der Entzündung durch Vermehrung positiver, regenerativer Mikroorganismen und Umstellung des Patienten auf Effektive Mikroorganismen (EM) – Teil 1 und Teil 4
  2. Therapie des Bone Remodeling – Teil 2, Teil 3, Teil 4 und Teil 5 
  3. ganzheitliche Betrachtung, mit Blick auf den Knochenstoffwechsel, einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt und eine adäquate Ernährung – Teil 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12

Menschwerdung

Die Erde ist ca. 4,6 Milliarden Jahre alt. Das auf Ribonukleinsäure (RNA) und Desoxyribonukleinsäure (DNA) beruhende Leben begann vor ca. vier Milliarden Jahren in Form von Mikroorganismen.3 Der Mensch ist die einzige überlebende Art der Gattung Homo und seit 200.000 Jahren fossil belegt.2 Der moderne Mensch hat überlebt, weil er sich besser anpassen konnte. Von einigen wenigen Individuen entwickelte sich bis 1950 eine Weltbevölkerung von ca. 2,5 Milliarden Menschen.22 Seit 1950 explodieren die Bevölkerungszahlen. Zum Jahreswechsel 2016/2017 waren dies 7,47 Milliarden Menschen. Jedes Jahr wächst die Bevölkerungszahl um 78 Millionen Menschen (Abb. 1).22

Um so viele Menschen täglich satt zu bekommen, ist die gesamte Ernährung umgestellt worden. Kohlenhydrate und Fette sind die großen Sattmacher.20

Aus der Balance gerutscht

200.000 Jahre sind in der Evolutionsgeschichte ein sehr kurzer Zeitraum. Ernährungsmäßig ist der Mensch aus seiner Balance herausgerutscht. Obwohl sich in den letzten 40.000 Jahren die menschliche Gensoftware überhaupt nicht mehr verändert hat, wurde die Biostoffzufuhr für unsere 70 Milliarden Zellen in den letzten 40 Jahren komplett umgewälzt.19 Genau dies ist das Hauptproblem vieler neumoderner Massenerkrankungen, wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Neurodermitis, Alzheimer usw. Auch viele Syndrome haben dies zur Ursache, wie zum Beispiel das Restless-Syndrom. 1931 erhielt der Biochemiker Otto Warburg (1883–1970) einen Nobelpreis für seine Entdeckung des Atmungsferments in den Mitochondrien. Seit dieser Entdeckung ist bekannt, dass das gesamte Krebsgeschehen und Tumorwachstum zum Großteil auf diese veränderte Ernährung zurückzuführen ist. Während vor 40.000 Jahren der Mensch seinem Essen hinterherlaufen musste, um es zu jagen, oder seinen Feinden weglaufen musste, um zu überleben, fährt er heute bequem zum Supermarkt, kauft zu 85 Prozent Lebensmittel, auf die sein Organismus nicht eingestellt ist und setzt sich dann an den Schreibtisch.

Knochenabbau heißt Zahnverlust

Osteoporose ist zu 95 Prozent ein Bewegungs- und Ernährungsproblem! Osteoporose heißt Knochenabbau, heißt Zahnverlust. Der Allgemeinmediziner verschreibt Bisphosphonate. Dies ist, summa summarum, für uns Zahnärzte die Katastrophe. Wir müssen unsere Patienten aus diesem Loch herausholen, mit Bewegung (Schrittzähler: 10.000 Schritte + 8 x 30 Sekunden Sprints/Tag) Trinken, einer Low- Carb-Ernährung und entsprechenden Nahrungsergänzungen. Dafür ist aber unsere Arbeitszeit als Zahnarzt viel zu kostbar, wir brauchen Unterstützung durch unser Team und dies braucht dafür eine Ausbildung – siehe unten. Wird ein altes Haus saniert, wird jede Menge Material benötigt. Fehlt Material, muss improvisiert werden. Es entsteht etwas anderes oder es wird gepfuscht. Genauso funktioniert unser Körper. Unsere Stoffwechselmaschine wird nicht bedarfsgerecht beliefert und gerät ins Stottern. Wir könnten glücklicher, leistungsfähiger, gesünder und vitaler sein. Beim Lesen der Nährwertangaben auf den Lebensmittelverpackungen werden Kalorien, Kohlenhydrate, Zucker und Fette genannt. Aber das sind nur leere Kalorien. Jede Zelle lebt eine kurze, vorgegebene, bestimmte Zeit und jetzt soll sie aus diesen leeren Kalorien reproduziert werden? Was ist mit Mineralien, Aminosäuren, Spurenelementen, Vitaminen, Wasser?17 Das traurige Ergebnis lautet heute, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) auf ihrer Homepage folgende Nährstoffverteilung für Erwachsene empfiehlt: 55 % Kohlenhydrate, 30 % Fett und 15 % Eiweiß (Abb. 2).1

Falsche Ernährung

Kohlenhydrate und Fette sind nur leere Brennstoffe, wirklich leistungsfähig wird der Mensch dadurch nicht. Gedankenblitze, Nervenimpulse leiten, glücklich sein oder Hormone produzieren, all dies wird erst durch Milliarden biochemischer Abläufe im Stoffwechsel, durch 45 lebensnotwendige Biostoffe in Gang gebracht. Darunter sind elf Vitamine, sechs Mineralien, 14 Spurenelemente, acht essenzielle Aminosäuren und zwei Fettsäuren. Die Mikronährstoffe – Vitamine, Mineralien und Spurenelemente – machen so schon drei Viertel der lebenswichtigen Biostoffe aus.19

Und genau hier sind wir aus der Balance: 70 Prozent der Lebensmittel, die wir heute essen, sind industriell verarbeitet und haben viele Mikronährstoffe verloren. Erschwerend kommt hinzu, das parodontal Erkrankte in der Regel keine jungen Erwachsenen sind. Mit steigendem Alter nimmt die Leistungsfähigkeit vieler Organe ab. Muskelmasse und Bewegung werden weniger. So benötigt ein 75-jähriger Patient 25 Prozent weniger Energie, aber der Nährstoffbedarf bleibt dagegen weitestgehend unverändert.4 Für Calcium, Protein und Vitamine D, B6, B12 und C ist er sogar erhöht.19

Zurückzuführen ist dies unter anderem auf:18

  •  die altersbedingte geringere Produktion von Magensäure, weniger Verdauungsenzymen und ein geringerer Intrinsic-Faktor (IF)
  • 20-50 Prozent der Senioren leiden an einer chronischen Gastritis, die die Funktion der Magenschleimhaut und somit die Resorption weiter einschränkt
  • Erkrankungen verschlechtern die Resorption
  • Medikamente verschlechtern die Resorption

Fazit für die Zahnarztpraxis

Für die tägliche Praxis heißt es herauszufiltern, was der Patient eigentlich wünscht, wofür und wieweit ist er an seiner Gesundheit interessiert. Der Patient hat eine Krankenkasse, wir reden aber von Gesundheit und gesund bleiben. Für diesen Part muss Geld in die Hand genommen werden, bleibt die Frage, wieweit ist der Patient bereit, hier mitzugehen.

1. Patient ohne private Zuzahlung - nur Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse

a. Keine Prophylaxebehandlungen
b. Keine parodontalen Behandlungen (verlangen Vor- und Nachbehandlungen)
c. Keine Nahrungsergänzung

Folge: Ein parodontal erkrankter Patient wird Zähne verlieren.

2. Patient mit Zuzahlung nur für die Behandlung

a. Ohne Veränderung in Bezug auf Bewegung, ernährung
b. „ja“ zu Prophylaxe- und PA-Behandlungen
c. Keine Nahrungsergänzungsmittel

Folge: Kein weiterer Zahnverlust durch Stopp des Knochenabbaus.

3. Patient mit Zuzahlung für Behandlung und Nahrungsergänzungsmittel

a. Aufgeschlossener Patient, lässt sich motivieren, verändert sein gesamtes Leben
b. Regelmäßig vierteljährlich in der Praxis zum Recall und Re-Motivation

Folge: Der gesamte Knochenstoffwechsel und Blutkreislauf regeneriert, einschließlich einer körperlichen Regeneration; der Patient ist glücklicher, leistungsfähiger und verfügt über mehr Vitalität.

In der Generation 50 plus ist es eigentlich heute nicht möglich, sich über den Discounter ausreichend mit allen Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen zu ernähren. Spätestens ab 50 plus sollte über Nahrungsergänzung und EM (Effektive Mikroorganismen)5 nachgedacht werden. Will man die Werte monatlich optimal halten (EM, Mineralien, Spurenelemente, Vitamine) muss hierfür ein Betrag von 250 Euro bis 300 Euro pro Monat einkalkuliert werden. Es bleibt folglich die Frage: Welcher Patient möchte dies?

Doxy-Gel-Therapie

Der Unterschied in unserer parodontalen Behandlung ist gewaltig, wobei heute die zweite Gruppe der Regelfall ist. Der Patient kommt zur Behandlung mit seiner parodontalen Symptomatik und der Zahnarzt soll helfen. „Der Patient isst sich krank und der Doc soll mit Medizin helfen.“19 Der Patient möchte gar nicht sein ganzes Leben verändern, er will sich nicht jeden Tag die Turnschuhe anzwingen, er will nicht jeden Tag seine Esstabelle mit Vorgaben und Werten abarbeiten und schon gar nicht will er dafür arbeiten und sein gut verdientes Geld ausgeben. Nein, er hat eine Parodontitis und das ist eine Krankheit, dafür hat er ja eine Krankenkasse, also lieber Doc mache etwas. Genau für diese Patienten funktioniert die Doxy-Gel-Therapie.9 In der Parodontitis ist es zum Knochenabbau gekommen. Das unbedingt erforderliche Gleichgewicht zwischen Knochenabbau und Knochenaufbau ist zur Seite des Knochenabbaus verschoben. In der Doxy-Gel-Therapie werden die Osteoklasten reversibel inaktiviert und der Knochenabbau soweit runtergebremst, dass er ins Gleichgewicht zu dem zu geringen Knochenaufbau kommt. Jetzt ist Knochenaufbau wieder gleich Knochenabbau. Der Knochenabbau geht nicht weiter und der Patient verliert seine Zähne nicht. Es ist ein Gleichgewicht im Knochenstoffwechsel auf niedrigerem Niveau eingestellt worden. Doxy-Gel hat keine systemische Wirkung. Der Erfolg des stabileren Knochens bleibt nur auf den Mund beschränkt.5–9

Angenommen, dass …

Angenommen, es gelingt in der neunmonatigen Doxy-Gel-Therapiephase den Patienten maximal zu motivieren. Angenommen, der Patient läuft jeden Tag 10.000 Schritte sowie 8 x 30 Sekunden Sprints, er schläft mindestens sieben Stunden, trinkt ausreichend, nutzt die Kraft der effektiven Mikroorganismen und füllt seine Mineralien, Spurenelemente und Vitamine über Nahrungsergänzungsmittel auf, dann brauchen wir nach den neun Monaten nicht mehr im parodontalen Knochenstoffwechsel die Osteoklasten zu bremsen, weil der Knochenaufbau ansteigt. Wir erreichen einen ausgeglichenen Knochenstoffwechsel nicht durch Bremsen der Osteoklasten, sondern durch Aktivierung der Osteoblasten. Diese Wirkung zeigt sich auf den gesamten Knochenstoffwechsel und nicht nur lokal im Mund.

Der Patient wird vitaler, leistungsfähiger und seine Knochen- und Blutprobleme verschwinden nachweislich.

Die vollständige Literaturliste befindet sich hier.

Der Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 07+08/2017 erschienen.

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