Parodontologie 21.06.2016

Therapie des Bone Remodeling parodontal lokal – Therapie des lokalen Knochenstoffwechsels



Therapie des Bone Remodeling parodontal lokal – Therapie des lokalen Knochenstoffwechsels

Foto: © Giovanni Cancemi – fotolia.com

Die parodontale Therapie ist überholt und braucht ein Update – Teil 3

Der Autor geht davon aus, dass die lokal keimreduzierende Therapie am Parodontium eine lokal temporäre Therapie ist. Nach seiner Auffassung hat Parodontitis einen multifaktoriellen Ursachenkomplex.  

Die Reduktion nur einer Ursache verbessert die Situation, ist aber zur kausalen Therapie nicht ausreichend.

Die parodontale Therapie besteht aus drei Teilbereichen: 

  1. Therapie der parodontalen Entzündung
  2. Therapie des Bone Remodeling parodontal lokal. Grundlagen.
  3. Therapie des Bone Remodeling systemisch, ganzheitlich – Materialbereitstellung für Knochenumbau

Therapie des Bone Remodeling: systemisch, ganzheitlich

Es ist wesentlich effektiver, in der parodontalen Therapie direkt das Bone Remodeling zu therapieren, als indirekt über die Entzündungsreduktion zu gehen.18, 19 Das Therapeutikum der Wahl sind Tetracycline.10 Alle Tetracycline haben einen multiplen, nicht antimikrobiellen Mechanismus zur Hemmung des Kollagenabbaus durch die reversible Hemmung der MMP
und der Osteoklasten.12 Sie weisen alle den gleichen Wirkmechanismus auf, unterscheiden sich lediglich in ihren pharmakologischen Eigenschaften wie Resorption, Gewebediffusion und Elimination.1 Es sind antibiotisch wirksame Arzneistoffe, die von natürlichen, in großer Menge in der Erde vorkommenden Bakterien der Gattung Streptomyces produziert werden.7 Das Multitalent Streptomyces wurde zur Mikrobe des Jahres 2016 gekürt.5 Es gibt viele unterschiedliche Tetracycline, produziert durch unterschiedliche Streptomyces-Arten oder halbsynthetisch veränderte Derivate.23 Das für uns in der Parodontologie wichtigste Antibiotikum ist Doxycyclin.13 Es hat die höchste Kollagenasewirkung mit 70 Prozent (Tabelle 1).  

Die Wirkung der Tetracycline ist abhängig vom pH-Wert, von der Temperatur und von der Lipophilie.20 Doxycyclin ist der stabilste Vertreter mit der höchsten Lipophilie.21 Beim pH-Wert unter 2 kommt es zu irreversiblen Strukturveränderungen. Im pH-Wert-Bereich 2 bis 6 kommt es durch reversible Epimerisierung zu Umlagerungen im Tetracyclinmolekül. Unter optimalen Bedingungen ist eine vollständige Wiederherstellung des biologischen Wirkstoffes im alkalischen Milieu möglich.21 Hussar et al. stellten in ihren Untersuchungen fest, dass die Geschwindigkeit und der prozentuale Anteil der Tetracycline, die epimerisiert vorliegen, mit abnehmendem pH-Wert und steigender Temperatur zunimmt. Für die volle Wirksamkeit der Tetracycline am lokalen Wirkort sind der pH-Wert und die Temperatur entscheidend.25 Im lokalen Entzündungsgebiet sinkt der pH-Wert und die Temperatur steigt, die Wirksamkeit des lokalen Doxycyclins wird reduziert.9  

Bislang ist man davon ausgegangen, dass die minimale Hemmkonzentration (MHK) für Doxycyclin bei 0,25 µg/ml liegt, während die MHK für die Kollagenasehemmung im pg/ml-Bereich liegt. Für Laborteste und chemische Reaktionsteste ist diese Berechnung korrekt. Daraus wurde geschlussfolgert, die Kollagenasehemmung tritt bei sehr geringen Konzentrationen ein und die antibiotische Wirkung erfolgt bei höheren Konzentrationen.4, 22 Dette untersuchte die Wirkung von Doxycyclin auf die MMP-Expression und konnte in ihren Studien nachweisen, dass Doxycyclin in einer Konzentration von bis zu 50 µg/ml für eine Hemmung der MMPs erforderlich ist. Fischer untersuchte das Design und die Synthese von MMP-Inhibitoren und konnte nachweisen, dass in vitro eine MHK im nanomolaren Bereich ausreichend ist. Neueste Studien widerlegen den bisherigen Kenntnisstand. In vivo reagieren die MMPs völlig anders als in vitro. Die antibiotische Wirkung tritt in vivo viel eher ein als die Kollagenasehemmung, weil durch die antibiotische Wirkung mehrere Reaktionen ausgelöst werden, die zur vermehrten Aktivierung und Freisetzung von MMP führen.21, 14, 2   Ist die Ursache für Kollagenabbau und erhöhten aMMP-Spiegel bakteriellerArt, ist es ein völliger Trugschluss, dieses mit submikrobiell dosiertem Doxycyclin herunterregeln zu können. Neueste Studien zeigen, dass es hierdurch zu einem weiteren Anstieg des aMMP-Spiegels kommt.3 Die antibiotische Wirkung löst mehrere Reaktionen aus, zum Beispiel:

  1. Doxycyclin stimuliert die Freisetzung von LPS aus den Bakterien, diese bewirken einen erhöhten aMMP-Spiegel.3
  2. Nach Antibiotikawirkung wird zum Aufräumen die körpereigene Abwehr aktiviert, es werden zusätzlich MMP und die Osteoklasten aktiviert.6

Nach der lokalen Doxycyclin-Applikation kommt zuerst die antibiotische Wirkung zum Tragen. Besteht in der lokalen Region eine hohe mikrobielle Besiedlung, wird das Doxycyclin als Antibiotikum verbraucht, wandert in die Bakterienzelle ein und wird dort an der ribosomalen 30 S-Untereinheit gebunden. Damit steht es nicht mehr für eine Kollagenasehemmung zur Verfügung. Umso geringer die lokale Keimbelastung ist, umso mehr Doxycyclin steht für die Hemmung des Kollagenabbaus zur Verfügung (Abb. 1).


Eine einmal durchgeführte Doxycyclin-Therapie reduziert die kollagenolytische Aktivität bis zu zwei Monate. Bis zur vollständigen Aktivitätsanpassung der Kollagenasen vergeht bis zu ein Jahr.11 

Doxycyclin hat einen Kumulationseffekt. Mit mehrmaligen Applikationen im individuell richtigen Abstand ist ein ausgeglichenes Bone Remodeling beim stark parodontal vorgeschädigten Patienten erreichbar.16, 17 

Klinische Relevanz  

Lokales Doxycyclin ist das Therapeutikum der ersten Wahl in der Parodontaltherapie. Doxycyclin sollte so kurz wie möglich auf der Gingiva/in der Tasche verbleiben und aktiv zum Wirkort wandern, um der ständigen mikrobiellen Belastung aus dem Wege zu gehen, um wiederum zusätzliche Reaktionen durch das Antibiotikum zu reduzieren und eine Fremdkörperreaktion zu verhindern.   

Doxycyclin muss ausreichend hoch dosiert, für kurze Zeit in ausreichender Konzentration zur Verfügung stehen, um die minimale Hemmkonzentration der Kollagenasehemmung zu erreichen.

Eine entzündungsreduzierende Vorbehandlung wirkt sich positiv auf die Effektivität in der Kollagenasehemmung mit Doxycyclin aus, da die Wirksubstanz in größerer Menge zur Verfügung steht.  

Zurzeit besteht eine Resistenzentwicklung auf Doxycyclin von 67 Prozent. Sind die Mikroorganismen resistent auf Doxycyclin, erfolgt der sofortige Therapiebeginn, weil Doxycyclin durch die Mikroorganismen nicht mehr gebunden wird und in voller Kapazität für die Kollagenasehemmung zur Verfügung steht.

Hat der Zahnarzt keine Kenntnis über den derzeitigen Stand der Resistenzentwicklung bei diesem Patienten, ist der sofortige Doxycyclin-Therapiebeginn zu empfehlen. Ist der Patient resistent, besteht die volle Wirkung, ist er empfindlich, führt das lokale Doxycyclin zur schnellen Entzündungstherapie.

Haben die Taschen eine Taschentiefe bis maximal 4mm, ist in der Regel ein vierteljährliches Recall mit kompletter professioneller supra-/subgingivaler Reinigung und nachfolgender lokaler Doxycyclin-Applikation ausreichend.

Ist die Taschentiefe tiefer als 4 mm, ist eine Neun-Monats-Therapie, bei der einmal im Monat diese Therapie erfolgen sollte, sinnvoll.  

Eine vollständige Literaturliste finden Sie hier.

Die parodontale Therapie ist überholt und braucht ein Update – Teil 1
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