Prophylaxe 10.11.2014
Mundhygiene bei Kindern – Ein alternativloser Behandlungsansatz?
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Die Entwicklung in der zahnärztlichen Behandlung von Kindern verläuft ebenso schnell wie das Umdenken im Bereich der gesünderen Ernährung. Spezialisten für Kinderzahnmedizin und zahnärztliche Traumatologie sind heute aus dem Spektrum der modernen Zahnarztpraxen nicht mehr wegzudenken. Doch brauchen wir das alles wirklich, wo doch die orale Gesundheit laut der aktuellen Deutschen Mundgesundheitsstudie nur einen Weg kennt – den Weg in die Kariesfreiheit?
Die Mundhygiene ist mit Sicherheit der wichtigste Schlüssel für die Entwicklung einer langfristigen oralen Gesundheit. Den Fokus der Behandlung auf dieses Thema zu legen, ist aus heutiger Sicht das Beste, was man für den „kleinen Patienten“ tun kann. Die frühzeitige Bindung an einen erfahrenen Behandler – bei dem die Eltern eventuell schon jahrelang in Behandlung sind oder ein spezialisierter Kinderzahnarzt – ist mit Sicherheit der wichtigste Schritt in die richtige dentale Entwicklung. Wann sollte aber mit dem Besuch beim Zahnarzt begonnen werden und worauf sollte der Zahnarzt achten – was sollte er im Endeffekt überhaupt behandeln? Generell gilt, dass die Eltern nicht früh genug mit der Zahnarztgewöhnung beginnen sollten. Bei normal entwickelten Kindern – das gilt beispielsweise nicht für Downsyndrom-Patienten oder Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte – genügt es, wenn mit dem Besuch gewartet wird, bis das erste Zahnpaar durchgebrochen ist. Grund dafür ist, dass sich die Eltern mit der Prophylaxeassistentin auf die richtige und sinnvolle Zahnreinigung einigen sollen, um diese ab dem Zeitpunkt konsequent und täglich durchzuführen. Kinder mögen es in der Regel nicht, wenn man in den für sie sehr privaten Mundbereich eingreift, insbesondere dann nicht, wenn Zähne im Durchbruch sind. Die Phase der ersten, durchgebrochenen Zähne ist aber für die Gesunderhaltung des Mundraumes sehr wichtig. Oftmals trinken die Kinder in dieser Phase noch sehr häufig aus Nuckelflaschen – zum Teil Getränke, die Süßungsmittel enthalten – sodass die Gefahr des Nursing-Bottle-Syndroms stark erhöht ist (Abb. 1–3). Verpassen die Eltern oder der Zahnarzt diese entscheidende Frühphase, so kann das bereits in einem sehr frühen Kindesalter den Verlust der kompletten Schneidezahnfront bedeuten.
Abb. 1–3: Milchzahnkaries bei Kindern.
Kinder unter vier Jahren spielen in der zahnärztlichen Behandlung nur eine geringe Rolle, daher sollten die Zahnärzte bei der Behandlung von Familien ein besonderes Augenmerk auf die Zahngesundheit der Eltern legen. Es kommt fast immer vor, dass Kinder von Eltern, die ein desolates Gebiss haben, auch früh ihre Milchzähne verlieren. Das liegt nicht einzig und allein an der Weitergabe der kariogenen Bakterien durch Tröpfcheninfektion, sondern vor allem auch daran, dass den Kindern daheim keiner bei der Zahnreinigung hilft und auch helfen kann. Der Zahnarzt ist das Bindeglied zwischen Kinderarzt und Eltern – und er muss aus heutiger Sicht diese Rolle sehr ernst nehmen. Wie man an den Ergebnissen der letzten Mundgesundheitsstudien sehen kann, gelingt es nach wie vor nicht, die Durchseuchung mit kariogenen Bakterien gänzlich zu stoppen. Der Zahnarzt steht diesbezüglich noch weitaus mehr in der Verantwortung als der Kinderarzt. Optimalerweise sollten diese beiden Fachrichtungen eng zusammenarbeiten, denn der Kinderarzt ist die erste Anlaufstelle und er kann auch gut beurteilen, wie die Mundhygiene im Elternhaus einzustufen ist.
Abb. 4: Ein junger Patient, der laut Angaben der Eltern selbstständig putzt. – Abb. 5: Eine typisch zerkaute Zahnbürste einer 4-jährigen Patientin.
Mundhygiene ja – aber wie?
Es ist nicht einfach, bei Kindern zwischen ein und vier Jahren feste Putzregeln festzulegen. Entscheidend ist aber, dass man sich an die heute bekannten Parameter hält, die eine Kariesbildung so gut wie möglich ausschließen:
1. Es sollte täglich Zähne geputzt werden – und zwar mit einer kindgerechten Zahnpasta mit dem entsprechenden Fluoridgehalt. elmex® hat nach wie vor den Vorteil, dass das patentierte Aminfluorid deutlich schneller auf dem Zahnschmelz adaptiert, sodass ein kariogener Schutz ebenfalls nach kurzen Putzzeiten zu erwarten ist, was insbesondere bei den Ein- bis Vierjährigen für diese Zahnpasta spricht.
2. Das Putzen müssen in den ersten Lebensjahren die Eltern übernehmen – morgens und abends. Den Kindern fehlt es zum einen an Verständnis für den Grund der Zahnputzaktion und zum anderen haben sie noch lange nicht die motorischen Fähigkeiten, um eine adäquate Zahnreinigung ausführen zu können. Das bedeutet aber nicht, dass die Kinder im Anschluss nicht auch einfach „üben“ sollten. Es genügt zudem, wenn die Kinder tatsächlich zwei Mal am Tag putzen. Die Eltern sollten allerdings dafür sorgen, dass dann auch wirklich alle kritischen Stellen erreicht werden; und das bedarf der Absprache mit der Prophylaxeassistentin oder dem Zahnarzt.
3. Die Zahnbürste sollte kindgerecht sein und einen kleinen Bürstenkopf besitzen. Kinder mögen es besonders gerne, wenn sie auf den kleinen Borsten herumkauen können (Abb. 5). Das ist auch der Grund, warum Kinderzahnbürsten viel häufiger getauscht werden sollten als die von Erwachsenen. Ein Bürstenkopf, der zerkaut ist, kann deutlich wenig Putzwirkung erreichen als eine neue Zahnbürste.
4. Die Eltern sollten nicht direkt nach der Nahrungsaufnahme putzen, vor allem dann nicht, wenn die Kinder säurehaltige Nahrungsmittel zu sich genommen haben. Sie sollten einen zeitlichen Abstand von mindestens 15 Minuten einhalten.
5. Eine zusätzliche Fluoridierung ist nicht immer sinnvoll und vor allem in den ersten Lebensjahren nicht das Mittel der Wahl, da die Kinder sehr viel von der aufgebrachten Fluoridpaste verschlucken.
Kinder zwischen ein und vier Jahren putzen meist nicht gerne ihre Zähne. Hinzu kommt noch die abendliche Müdigkeit und die immer wiederkehrenden „Trotzphasen“ – welche vielen Eltern sehr viel abverlangt. Dieses Thema muss ebenfalls in der Zahnarztpraxis thematisiert werden und die Eltern sollten wiederholt dazu ermutigt werden, dass sie ihr eigenes Kind nicht „quälen“, sondern ihm für die Zukunft den bestmöglichen Start geben. Erlernen die Kinder in den ersten Lebensjahren eine korrekte Mundhygiene, dann gehören sie auch unter den Erwachsenen zu den Zahngesunden.
Abb. 6 und 7: Absoluter Platzverlust durch vorzeitige Extraktion aufgrund von Karies von 83.
Welche Rolle spielt die Ernährung?
Die Essgewohnheiten der Eltern werden ab dem ersten eigenen Löffelschlag des Kindes auf dieses übertragen. Ernähren sich die Eltern von zahlreichen Fertigprodukten, so ist in der Regel ein Zuckerzusatz in diesen Produkten zu erwarten. Nicht selten sind es ebenfalls die gleichen Gruppen, die zu den Speisen zuckerhaltige Getränke oder unverdünnte Säfte zu sich nehmen. Diese Art der Ernährung stellt ein Problem für den schwachen Milchzahn dar, der nicht die Regenerationskraft eines bleibenden Zahnes ausweist. Schnell bilden sich so Kariesstellen, die bereits frühzeitig saniert werden müssen – und das zum Teil unter Vollnarkose. Auch die Gabe von Süßigkeiten spielt für die Entwicklung der Plaque und der Säuren eine wesentliche Rolle. Natürlich werden sie schwer Kinder finden, die nie Schokolade und Co. genossen haben, jedoch ist die Art der Dosierung entscheidend. Der Kinderarzt sollte gemeinsam mit dem Zahnarzt darauf hinweisen, dass Süßigkeiten in einer Portion am Tag gegeben werden sollten. Das klassische „Naschen“ über den Tag hinweg verhindert den Puffereffekt des Speichels und führt zu einer deutlich erhöhten Kariesgefahr.
Folgen von Karies und frühzeitigem Zahnverlust
Karies an einem oder an mehreren Zähnen führt zu einer Erhöhung der Bakterienzahl im gesamten Mundraum. Die Ausbreitung auf gesunde Zahnflächen kann daher deutlich einfacher erfolgen als bei kariesfreien Gebissen. Die Sanierung eines Michgebisses ist daher genauso wichtig wie die bei bleibenden Zähnen. Das von Eltern oftmals angebrachte Argument, dass Milchzähne mit der Zeit in jedem Fall verloren gehen, ist zwar an sich korrekt, aber dies gilt eben nur für den natürlichen Zahnwechsel. Erste bleibende Molaren sind vor allem bei denjenigen Kindern kariös, die auch eine bekannte Milchzahnkaries-Historie haben. Die Milchzähne erfüllen neben der Kaufunktion aber auch eine Platzhalterfunktion für die nachkommende permanente Dentition. Bei einem vorzeitigen Milchzahnverlust kommt es nicht selten zu einem kompletten Lückenschluss in der betreffenden Region und einer Impaktion und Retention des bleibenden Zahnes (Abb. 6 und 7). Dieses Problem durch kieferorthopädische Lückenöffnung wieder zu lösen, ist nicht immer ganz einfach und vor allem zeit- und kostenintensiv. Die frühzeitige Intervention durch den Kinderarzt und den Zahnarzt ist aus heutiger Sicht der Schlüssel zur frühen Zahngesundheit. Kariesbakterien werden über die Tröpfcheninfektion an die kommenden Generationen weitergegeben, ohne dass es heute einen Lösungsansatz für dieses Problem gibt. Daher bleiben die Prophylaxe und das Erlernen einer adäquaten Mundhygiene aus heutiger Sicht alternativlos.
Danke an Dr. Martin Lüthi für die Fotos (Schulzahnklinik Schaffhausen, Schweiz).