Prophylaxe 08.05.2023
Prophylaxe: Ein entscheidender wirtschaftlicher Faktor in der Praxis
Von der aktuellen wirtschaftlichen Situation sind nicht nur Zahnarztpraxen sondern auch Patienten direkt betroffen – das hat natürlich auch einen Einfluss auf die Inanspruchnahme von Selbstzahlerleistungen. Unüberlegte Preissteigerungen werden in diesem Kontext aber keine langfristige Lösung sein, deshalb gilt es, andere Potenziale auszuschöpfen, um weiterhin wirtschaftlich stark auftreten zu können. Dazu gehört vor allem auch die Nutzung der BEMA-Leistungen für die Abrechnung.
In Zeiten von Inflation, zunehmenden Energiepreisen sowie steigenden Personalkosten richten viele Praxisinhaber ihr Augenmerk auf die Wirtschaftlichkeit ihrer Prophylaxeangebote. In den meisten Fällen greifen Praxisinhaber zur ersten scheinbar einfachen Lösung: der Anhebung der Kosten für eine professionelle Zahnreinigung. Doch ist das wirklich der richtige Schritt? Nicht nur die Zahnarztpraxis ist von wirtschaftlichen Schwankungen betroffen, sondern natürlich auch die Patienten. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten denken Patienten über Selbstzahlerleistungen noch mal genauer nach – da ist das Praxisteam mit mehr als nur überzeugenden Kommunikationsfähigkeiten gefordert.
Leistungspotenziale ausschöpfen
Anstelle an der Preisschraube zu drehen, ohne Änderung an der Qualität die Behandlung anzupassen, sollte man sich lieber die eigenen Prophylaxeleistungen genauer ansehen, denn oft werden Leistungen aus dem BEMA ganz vernachlässigt. Dabei sind diese teilweise mit wenig Aufwand gut bewertet und bieten große Einsparungs- bzw. Gewinnmaximierungspotenziale. Grundvoraussetzung dafür ist eine Analyse aller Patientengruppen. Dazu zählt beispielsweise die Auseinandersetzung mit den jüngsten Patienten: Wie viele Kinder sind im FU-fähigen Alter? Wie viele Kinder kommen für eine Individualprophylaxe infrage und wie oft wird diese Leistung tatsächlich in Anspruch genommen? Jedes Kind hat einen Anspruch auf diese Behandlungen, und werden diese nicht erbracht, verzichtet die Praxis bei FU-Leistungen auf rund 58 Euro und bei IP-Leistungen auf bis zu 56 Euro. Anschaulich aufgeführt ist dies in Tabelle 1 – dort wurde mit einem Punktwert von 1,142 Euro gerechnet.
Tabelle 1
Politur in der Kinderprophylaxe
Bei der Mundgesundheitsaufklärung (IP2) erfolgt in vielen Praxen eine Politur. Im Bema-Leistungstext ist die IP2 wie folgt beschrieben: „Mundgesundheitsaufklärung des Versicherten und ggf. dessen Erziehungsberechtigten“. Eine Politur kann somit privat vereinbart und auch berechnet werden. Möglich sind die Positionen GOZ 4050 und 4055. Eine zusätzliche Möglichkeit ist die Abrechnung über die PZR-Position GOZ 1040. Zu beachten ist, dass es hier mit der IP4 zu einer Leistungsüberschreitung kommt, die Leistungen demzufolge nicht zusammen berechnet werden können. Eine rein privat gezahlte „Kinder-PZR“ ist jedoch immer möglich und macht gerade bei einem erhöhten Kariesrisiko Sinn (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2
Vulnerable Gruppe als Gewinnchance
Eine weitere, oft vernachlässigte Patientengruppe sind die Versicherten nach § 22a SGB V – die sogenannte vulnerable Gruppe. Unabhängig davon, ob diese Patienten in einem Pflegeheim betreut werden, haben Patienten mit einer Eingliederungshilfe oder einem Pflegegrad Anspruch auf zusätzliche Leistungen. Dazu gehören unter anderem ein halbjährlicher Mundgesundheitsstatus inklusive individuellem Mundgesundheitsplan sowie eine Aufklärung zur Mundhygiene und die Entfernung harter und weicher Beläge (siehe Tabelle 3). Um diese Leistungen optimal durchführen zu können, ist es wichtig, im Vorfeld – am besten gleich mit dem Anamnesebogen – alle notwendigen Dokumente direkt zu sichern. Aber Achtung, auch im Bereich der aktuellen PAR-Richtlinien haben diese Patienten einen besonderen Stellenwert mit modifizierten Behandlungs- und Anrechnungsbestimmungen. Diese Leistungen werden, genau wie die bereits beschriebenen Prophylaxeleistungen nicht budgetiert.
Tabelle 3
Zauberwort Faktorsteigerung
Kassenschlager der Prophylaxe ist die professionelle Zahnreinigung. Wie bereits beschrieben, werden hier bei einer durchschnittlichen Leistung pro Zahn 3,62 Euro berechnet – das macht bei 28 Zähnen 101,36 Euro. Mit den entsprechenden Begründungen kann der gängige Abrechnungsfaktor von 2,3 auf 3,0 gesteigert werden. Eine solche Steigerung ist beispielsweise möglich, wenn eine Schachtelstellung in der Unterkieferfront die Arbeitsbedingungen erschwert. Mit dem Faktor können so zusätzlich 6,45 Euro berechnet werden – bei zehn Patienten ergibt das einen Extragewinn von 65,40 Euro. Ein Mehrwert ergibt sich auch, wenn Zusatzleistungen, die neben der PZR erbracht werden, berechnet werden. Das können beispielsweise eine Prothesenreinigung, zusätzliche Mundhygieneunterweisungen, eine Ernährungsberatung oder eine Zungenreinigung sein.
Abrechnung der aktuellen PAR-Positionen
Abrechnungstechnisch sind natürlich auch die aktuellen PAR-Positionen zu erwähnen. Diese sind zwar gut bewertet, jedoch seit 2023 budgetiert! Zu beachten ist, dass eine lebenslange UPT empfohlen, diese momentan aber nur zwei Jahre von Krankenkassen bezahlt wird. Auch hier sind eine umfangreiche Aufklärung und Beratung erforderlich. Nur so kann man den Patienten von weiteren Behandlungen, die privat vereinbart werden müssen, überzeugen. Ein wichtiger Hinweis ist an dieser Stelle, dass auch bei Privatpatienten S3-Leitlinien-gerecht behandelt werden sollte. Eine dem Aufwand angemessene Honorierung kann nur erfolgen, wenn man die Positionen analog berechnet.
Potenzial der Prophylaxe wirklich nutzen
Neben den rein abrechnungstechnischen Gegebenheiten spielen aber auch weitere Faktoren eine Rolle. So muss man sich als Praxisinhaber fragen: Was mache ich bei Lücken im Bestellbuch? Wie kommen Patienten in die Prophylaxeabteilung? Nutze ich das gesamte Potenzial meiner Patientengruppen, Fachkräfte und Räumlichkeiten? Nur wenn man sich mit all diesen Fragen auseinandersetzt, kann man das volle wirtschaftliche Potenzial der Prophylaxe wirklich nutzen.Weitere Informationen finden sich unter www.schilling-dentocoach.de
Autorin: Elke Schilling
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.