Prophylaxe 07.03.2022
Ätherische Öle zur antibakteriellen Prophylaxe
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In der Prophylaxe und Therapie parodontaler sowie oraler Infektionen ist die Mitarbeit der Patienten ein wichtiger Faktor für den therapeutischen Erfolg. Pflanzliche Formulierungen aus ätherischen Ölen konnten in der Literatur bereits eine vergleichbare antibakterielle Wirksamkeit wie eine Standardbehandlung mit Chlorhexidinlösungen zeigen. Aus Patientensicht werden sie als „Naturheilmittel“ jedoch positiver wahrgenommen. Damit rückt ihr Potenzial auch in der parodontologischen Prophylaxebehandlung in den Fokus.
Prophylaxe parodontaler Erkrankungen
Entzündungen an der Gingiva und des gesamten Zahnhalteapparates können durch den dentalen Biofilm (Plaque) verursacht werden. Durch die Anhaftung des Biofilms kommt es zunächst zu einer Gingivitis, die zu einer Parodontitis, einer irreversiblen Entzündung des Zahnhalteapparats mit langfristig möglichem Zahnverlust, fortschreiten kann.1 Die Prävalenz in der Bevölkerung ist hoch: An einer Gingivitis erkranken etwa 90 Prozent, bei ca. 58 Prozent bildet sich in Deutschland eine Parodontitis aus.1,2
Zur Prophylaxe sowie im Rahmen der Behandlung beider Erkrankungen spielt vor allem das häusliche Biofilmmanagement eine große Rolle. Dies sollte primär mechanisch erfolgen, kann aber durch chemisch antibakterielle Mundspüllösungen unterstützt werden.1 Basis dafür ist eine adäquate Mundhygiene. Jedoch zeigen Daten, dass bereits einfache mechanische Hygienemaßnahmen wie Zähneputzen häufig nicht ausreichend sind. Daher wird zusätzlich in vielen Fällen die Verwendung antibakterieller Spüllösungen empfohlen, um den Restbiofilm und seine pathogenen Bakterien zu inaktivieren. Im häuslichen Umfeld sollten diese Maßnahmen zweimal täglich stattfinden. Die S3-Leitlinie zum häuslichen Biofilmmanagement unterteilt diese in zwei Indikationen für Mundspüllösungen: In die kurzfristige Anwendung, auch als alleinige Maßnahme bei hoher Keimbelastung, z. B. nach intraoralen Operationen oder sonstigen Einschränkungen der mechanischen Mundhygiene, und in die längerfristige Unterstützung der Mundhygiene.1
Stellenwert ätherischer Öle in der häuslichen Prophylaxe
Antibakterielle Spüllösungen beinhalten verschiedene Substanzen. Die Effektivität der Formulierungen richtet sich nach ihrer antibakteriellen Wirkung sowie der Verweildauer im Mund. In Deutschland ist Chlorhexidin in seinen höheren Konzentrationen von 0,1–0,2 % (als Gel auch 1 %) der Goldstandard, der auch als Vergleichssubstanz (Positivkontrolle) für Mundspüllösungsstudien empfohlen wird. Chlorhexidin ist eine zugelassene oberflächenaktive Verbindung, die gut verträglich ist, aber einige – jedoch meist reversible – Nebenwirkungen wie Verfärbungen an den Zähnen oder Geschmacksirritationen verursachen kann. Dadurch ist eine gute Adhärenz der Anwender meist eingeschränkt.1,3 Sobald Verfärbungen auftreten, wird von manchen Patienten die Anwendung eingestellt oder schon aus negativer Erfahrung vermieden, wobei die aufgelagerten Verfärbungen mit Pulver-Wasser-Strahlgeräten meist recht gut entfernbar sind.
Daher werden immer wieder Alternativen möglichst pflanzlicher Herkunft vom Verbraucher nachgefragt. Eine entsprechende Wirkstoffgruppe, die für den Einsatz des Biofilmmanagements empfohlen wird, sind ätherische Öle, die bereits in der Antike zur Behandlung von Zahnschmerzen eingesetzt wurden.4 Diesen aus Pflanzen gewonnenen Stoffen wird eine hohe antimikrobielle und antiinflammatorische Wirkung zugeschrieben und sie werden in der Mundhygiene als Kosmetika (z. B. in Mundspüllösungen, Zahnpasta) bereits vielfach angewendet.5 Allerdings beinhaltet diese Gruppe eine sehr große Zahl von ätherischen Ölen aus unterschiedlichsten Pflanzen, die auf verschiedene Bakterien und insbesondere den dentalen Biofilm unterschiedlich wirken können. Meist werden Mischungen aus mehreren ätherischen Ölen benutzt.
Vergleichbare Wirksamkeit
In einer kürzlich durchgeführten Ex- vivo-/In-vitro-Studie (unterstützt durch Mylan GmbH [a Viatris Company]) wurde eine Spüllösung mit ätherischen Ölen (Salviathymol N Madaus) auf ihre antibakteriellen Eigenschaften hin untersucht. Diese Spüllösung ist bereits viele Jahrzehnte auf dem Markt, entsprechende publizierte Studien zur Wirksamkeit datieren jedoch aus 1970. Eine ähnlich zusammengesetzte Zahnpasta (Salviagalen F) wurde vor etwas mehr als zehn Jahren von der Arbeitsgruppe untersucht.6 Als ein erster Schritt wurde in einem In-vitro-Design „ex vivo“-Plaque von Probanden untersucht und mit einer Negativkontrolle (NaCl-Lösung) sowie einer Positivkontrolle Chlorhexamed forte®-Lösung (0,2 %, Goldstandard; GSK) verglichen. Vom Design sehr ähnliche In-vitro-/Ex-vivo-Studien sind international publiziert.4,7,8
Salviathymol N Madaus (SAL), eine Kombination ätherischer Öle aus Salbei-, Eukalyptus-, Pfefferminz-, Zimt-, Nelken-, Fenchel-, Sternanisöl, Levomenthol und Thymol (aus Thymian) konnte dabei eine sehr ähnliche antibakterielle Wirkung auf den Biofilm zeigen. Damit unterstrich die Spüllösung exemplarisch das Potenzial ätherischer Öle, Bakterien gezielt zu bekämpfen und deren weitere Vermehrung zu verhindern. Nach Erhalt des positiven Ethikvotums der Ethikkommission des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universität Marburg (#95/21) wurde 24 Probanden, die zuvor 24 Stunden ihre Zähne nicht putzen durften, eine Plaqueprobe von den vestibulären Flächen der Molaren entnommen (Abb. 1). Diese wurde in drei Proben unterteilt, um eine Vergleichbarkeit zu erzielen. Die Biofilmproben wurden jeweils mit 5 µl NaCl, SAL oder CHX für eine Minute behandelt. Nach dem Absaugen der Flüssigkeit wurde die Probe mittels Vitalfluoreszenzfärbung gefärbt, um die Vitalität der Bakterien im Biofilm (VF %) unter den verschiedenen Behandlungen zu bestimmen. Die verwendeten Farbstoffe Fluoresceindiacetat, das durch Verstoffwechslung grün leuchtet, und Ethidiumbromid, das sich rot in freie Nukleinsäuren einlagert, zeigen die Verteilung der lebenden (grün) und toten Bakterien (rot; Abb. 2). Nach der Färbung konnte somit direkt mittels Fluoreszenzmikroskopie und einem digitalen Bildauswertungsprogramm die Biofilmvitalität als Anteil lebender Bakterien in der Gesamtheit aller Bakterien (VF %) bestimmt werden.
Die statistische Auswertung erfolgte durch einen Statistiker (Prof. Dr. Christian Heumann, Institut für Statistik, LMU München). Der Anteil der lebenden Bakterien in der Biofilmprobe konnte durch die Behandlung mit SAL signifikant auf 54, 54 Prozent (Standardabweichung [SD] ± 2,53 Prozent) im Vergleich zu NaCl (82,57 Prozent, ± 3,49 Prozent) gesenkt werden (Abb. 3). CHX senkte die Bakterienvitalität im Vergleich zu NaCl signifikant auf 48, 93 Prozent, ± 3,75 Prozent. Damit konnte die Formulierung aus den ätherischen Ölen eine vergleichbare Wirkung auf die Biofilmaktivität zeigen, die nur um 5,6 Prozent über CHX lag. Dieser Unterschied in der antibakteriellen Wirkung ist (zwar) signifikant, allerdings bei kleiner prozentualer Differenz. Es sind weitere klinische Studien notwendig, um diese Wirkung auch bei der Anwendung als Mundspülung in der Mundhöhle zu zeigen. Dennoch konnte im Rahmen dieses Ex-vivo-Versuchssystems und der dentalen Biofilme von Patienten die klinische Situation widergespiegelt werden. In einer klinischen Studie könnte untersucht werden, ob es durch Speichelkontakt zu verminderter Wirkung oder ob es im zeitlichen Verlauf (mittels mehrerer Follow-ups) zu Inaktivierungen oder zum Nachlassen der Wirkung kommt (Substantivität). Die In-vitro-Ergebnisse untermauern bereits bestehende Erkenntnisse, dass ätherische Öle wie die SAL-Formulierung durch ihre individuellen antimikrobiellen und antiinflammatorischen Eigenschaften ihre Berechtigung in der Prophylaxe und Therapie parodontologischer Erkrankungen haben,1,2,9,10 was auch für Zahnpasta aus ätherischen Ölen gezeigt werden konnte.6 (Andere) Mischungen aus ätherischen Ölen fanden auch in der aktuellen S3-Leitlinie eine Empfehlung.4 Darüber hinaus haben Formulierungen wie SAL gegenüber der Chlorhexidinanwendung Vorteile aufgrund der fehlenden Neigung zu Verfärbungen, die sich positiv auf die Adhärenz auswirken können. Außerdem handelt es sich um natürliche Substanzen, die von vielen Patienten bevorzugt angewendet werden und deren Bereitschaft zur Therapieteilnahme erhöhen.10
Fazit
Es gilt nun in klinischen Erprobungen nachzuweisen, ob die Lösung aus Salviathymol N Madaus auch klinisch (invivo/insitu) am Patienten diese Wirkkraft besitzt. Eine positive Patienteneinstellung gegenüber natürlichen Produkten könnte dann zukünftig zusammen mit einer nachgewiesenen Wirksamkeit im Biofilmmanagement solchen Produkten einen hohen Stellenwert als Alternative zu anderen wissenschaftlich empfohlenen Mundspülprodukten einräumen.
Autoren: Prof. Dr. med. dent. Nicole B. Arweiler/ZA Igor Bykhovsky
Eine Literaturliste steht hier zum Download für Sie bereit.
Der Beitrag ist im Prophylaxe Journal erschienen.