Zahntechnik 16.08.2011
Quo vadis Verblendung?
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Die Zahntechnikbranche ist geprägt von zunehmend industrieller werdenden technologischen Methoden. Daraus stellt sich die Frage: Wie ist der Stand der klassischen Verblendung und wohin wird sie zukünftig gehen? Diese Thematik sollte für jeden, der in einem sich schnell verändernden Handwerk tätig ist, von Bedeutung sein.
Aktuelle Situation
Um einen Blick in die Zukunft der Verblendung zu wagen, sollte man zunächst erfassen, wie sich die gegenwärtige Situation darstellt. Noch immer ist die keramische Verblendung eine der wichtigsten Bereiche zahntechnischer Arbeit. Mit ihr lassen sich hoch ästhetische Kronen und Brücken mit etwas Geschick und Enthusiasmus auf perfekte Art und Weise „fast“ zahngleich in das natürliche Umfeld einpassen. Hierzu stehen uns eine ganze Reihe verschiedener Verfahren in Material und Methode zur Verfügung.
Die Vollkeramik
Die älteste aller Verblendtechniken ist die Vollkeramik. Zugleich ist sie das Verfahren, mit dem man nach wie vor die natürlichsten Rekonstruktionen erstellen kann. An oberster Stelle stehen presskeramische Verfahren für Einzelzahnersatz. Neben hoher Wirtschaftlichkeit genügen sie ebenso ästhetisch hohen Qualitätsansprüchen. Sie werden vor allem bei Vollkronen, Veneers, Inlays und Onlays eingesetzt. Der größte Vorteil dieses Verfahrens ist die perfekte Lichtleitung, die bei einer optimalen adhäsiven „Zementierung“ ein absolut harmonisches und symbiotisches Ganzes zwischen natürlichem Zahn, adhäsivem Verbund und dem presskeramischen Material bietet. Zudem haben die Eigenschaften dieser Materialien in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung vollzogen. Bezüglich Fluoreszenz, Opaleszenz und Transluzenz stehen sie dem Verhalten des natürlichen Zahnes kaum noch nach. Dazu gehört ebenfalls eine große Auswahl verschiedener Pressrohlinge, die es ermöglicht, auf die verschiedensten Zahnsituationen einzugehen, um somit das perfekte Endergebnis bereits in dieser Phase des Arbeitsprozesses entscheidend zu beeinflussen. Die Aufgabe des Zahntechnikers besteht prinzipiell „nur“ noch darin, den natürlichen Zahn der Restbezahnung exakt zu beobachten, zu kopieren und das Erarbeitete naturgetreu einzupassen.
Dieser Prozess benötigt ein hohes Maß an Wissen über das lichtoptische Verhalten des natürlichen Zahnes und des verwendeten Materials. Ein ganz entscheidender Faktor für das Gelingen ist selbstverständlich auch das handwerkliche Können und die Kunst, das Gesehene nicht nur im naturgetreuen Aufbau der Farbe, sondern auch in Form und Oberfläche des Zahnes naturkonform nachzuahmen.
Diese Faktoren haben den größten Einfluss auf das ästhetische Wirken einer Restauration. Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt der Vollkeramik sind die frei geschichteten Techniken auf feuerfester Stumpfmasse oder auf Platinfolie. Diese Formen, hoch ästhetischen Zahnersatz herzustellen, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Dieser Trend wurde erst durch die immer hochwertigeren und leistungsfähigeren adhäsiven Verbundwerkstoffe und das Streben, in der Zahnmedizin mehr und mehr minimalinvasiv oder non-invasiv zu arbeiten, möglich.
Waren es früher fast ausschließlich keramische Inlays oder Onlays, die man auf feuerfester Masse fertigte, so hat die Presskeramik diese Fertigungsart weitgehend abgelöst. Bei mittelgroßen Veneerpräparationen wird diese Technik jedoch auch künftig häufig eingesetzt. Durch das Wiederentdecken der Platinfolientechnik, die in etwas anderer Form von der Jacketkrone bekannt ist, hat sich das Indikationsspektrum im Laufe der letzten Jahre erweitert. Mit diesem Verfahren ist es nun möglich, auch kleinste Defekte schnell und sicher zu beheben. Das größte Einsatzgebiet dieser Techniken sind ästhetisch-kosmetische Korrekturen mittels Additional Veneers nach minimalinvasiver Präparation oder Non-prep Veneers (ohne Präparation). Der größte Vorteil dieser Behandlungstechniken liegt im schonenden Umgang. Sowohl der Zahnmediziner als auch der Patient unterliegen nur geringem Stress, da auf dem klassischen Weg einer aufwendigen Präparation, das Legen des Retraktionsfaden, der parodontalen Vorbereitung und bei Non-prep Veneers sogar auf die Betäubung verzichtet werden kann. So lassen sich mit Additional Veneers hervorragend interdentale Lückenschlüsse, Stellungsanomalien und kosmetische Korrekturen vornehmen. Auch im Rahmen großer funktioneller Neuausrichtungen lassen sich durch Eckzahnführungs- und Frontzahnführungsaufbauten Lösungen finden.
Zudem sind auch klassische Veneers nach Präparation und Vollkronen mit diesen Techniken möglich. Diese Methode nach klassischer Präparation anzuwenden erfordert jedoch einen sehr hohen handwerklichen Aufwand. Aus diesem Grund ist die Wirtschaftlichkeit in einer normalen Laborstruktur eher infrage zu stellen (Abb. 1–7).
Verblenden von Gerüstwerkstoffen
Das Verblenden von Gerüstwerkstoffen ist nach wie vor Alltag in jedem zahntechnischen Labor. Zwar hat Zirkonoxid in den letzten Jahren enormen Anteil am Markt gewonnen und ist in einigen Labors auch das Material der Wahl, doch das Arbeiten mit Legierungen ist noch immer eine der am häufigsten angewandten Methoden, um keramisch verblendeten Zahnersatz herzustellen.
Metallkeramik liegt in zahlreichen Variationen vor, angefangen bei hochschmelzenden Keramiken über niederschmelzenden Keramiken bis zu Feldspatkeramiken und Glaskeramiken. Man könnte diese Liste fortführen, doch letztendlich zählt nur das qualitative Ergebnis und nicht das quantitative. Heutzutage umfassen alle modernen Keramiken alle lichtoptischen und ästhetischen Eigenschaften Fluoreszenz, Opaleszenz, Transluzenz und Transparenz, die ein naturkonformes Arbeiten ermöglichen. Die Entscheidung für die Keramikart ist demnach heutzutage rein subjektiv, entsprechend den eigenen Vorlieben und das eigene Vorgehen des Zahntechnikers. Im Bereich der Metallkeramik hat sich die Anlage von keramischen Schultern bewährt. Besonders bei parodontal kritischen Situationen (z.B. einem sehr dünnen Zahnfleischtyp) sind keramische Schultern ein Stilmittel, welches unerlässlich für ein ästhetisches Ergebnis ist. Die Art der Schichttechnik jedoch ist individuell und abhän-gig vom verwendeten Produkt. Selbstverständlich sind dem Anwender, abgestimmt auf das Material, alle Möglichkeiten offen. Von der einfachen klassischen Drei-Schicht-Technik bis hin zur individuellen hochkomplexen kreativen Anlage mit internen Charakteristiken und opaleszierenden äußeren Schichten, die ein naturidentisches Aussehen zulassen, ist alles machbar. Zirkondioxid als Gerüstwerkstoff, und der Ausdruck „Gerüstwerkstoff“ ist hier bewusst gewählt, hat selbstverständlich enorme Vorteile gegenüber Legierungen.
Doch auch bei Zirkonoxid gibt es verfahrenstechnische Herausforderungen und komplexe Vorgaben. Da es durch die hohe Härte ein sehr sprödes Material ist, müssen Verbindungsstellen wesentlich stärker ausgeformt werden als bei einer klassischen Metallgerüstkonstruktion, die von deren Elastizitätsmodul noch toleriert werden. Dies kann bei geringem Platzangebot problematisch werden. Ein wesentlicher Aspekt ist auch die Größe der Fräser, die den Werkstoff bearbeiten. Bedingt durch die Größe kann es gerade bei langen und dünnen Frontzahnpräparationen in der Spitze zu Hohlräumen kommen. Die wiederum können einen Einfluss auf die ästhetischen Bereiche haben, da so weniger Schichtstärke zu generieren ist. In diesem Fall ist zu betonen, dass dies ein rein verfahrenstechnischer Aspekt und nicht dem Behandler geschuldet ist. Die Chipping-Problematik scheint derzeit zumindest im klassischen Bereich bei Kronen und Brücken weitestgehend unter Kontrolle zu sein. Wie es sich bei Zirkondioxid auf Implanta-ten und im Besonderen bei großvolumigen Suprakonstruktionen verhält, kann und wird erst die Zukunft zeigen. Alles in allem hat Zirkondioxid einige wesentliche Vorteile gegenüber Legierungen. Zum einen transmittiert Zirkon teilweise das Licht und bedingt so ein weniger starkes Vergrauen in die Zahnwurzel. Zum anderen ist die hohe Oberflächengüte und somit die hohe Gingivafreundlichkeit ein wichtiger Beweggrund für die Entscheidung für Zirkondioxid. Auch auf Basis eines Zirkondioxidgerüstes sind den ästhetischen Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt und optisch bessere Ergebnisse zu erzielen (Abb. 8–10).
Überpresstechnik
Das Indikationsspektrum von Metallkeramiken und Zirkondioxidkeramiken ist längst nicht mit der Möglichkeit der geschichteten Verblendungen ausgeschöpft, sondern lässt sich auch mit der Presstechnik kombinieren. In den letzten Jahren hat sich diese Technik immer mehr durchgesetzt und ihren Platz in der täglichen Arbeit gefunden. Bei größeren Restaurationen ist die Wirtschaftlichkeit ein entscheidender Faktor. Besonders bei funktionellen Neuausrichtungen im okklusalen Bereich oder bei großspannigen Suprastrukturen, die über eine Backward Planning das Langzeitprovisorium zur endgültigen definitiven Restauration führen, hat diese Technik ihre Vorteile. So kann man mit einem Wax-up schon die definitive Restauration simulieren und alle weiteren Schritte durch geeignete Umsetzungstechniken im Zusammenschluss mit der Überpresstechnik effizient und wirtschaftlich erarbeiten. Hierfür sind sowohl die Überpresstechnik auf Legierungen als auch auf Zirkondioxid geeignet. Besonders Zirkondioxid scheint ein Material zu sein, welches hervorragend mit der Überpresstechnik harmoniert. Um einen guten Haftverbund zwischen Zirkondioxid und der Schichtkeramik herzustellen, im Idealfall durch einen internen Washbrand als Dentinbrand oder einen internen Powerbrand, bietet die Überpresstechnik große Vorteile. Durch das Wax-lost Verfahren wird das Zirkondioxid sehr langsam im Vorwärmofen aufge-heizt. Nach dem Pressvorgang ist durch das Verbleiben des Gerüstes in der Pressmuffel auch der sehr langsame Abkühlvorgang zwangsläufig vorgegeben.
Dies ist bei großen Strukturen in der klassischen Vorgehensweise mit Schichtkeramik ein Problem. Man muss exakt alle Parameter wie Aufheizrate, Haltezeit und Abkühlphase immer wieder neu auf die jeweilige Gerüststärke abstimmen, um keinen Schiffbruch zu erleiden. Des Weiteren bietet die Überpresstechnik durch die verschiedenen Pellets, die mittlerweile in vielen Systemen vorhanden sind, Möglichkeiten, ästhetisch sowie wirtschaftlich neue Wege zu gehen. So kann man vollanatomisch jedes Detail ausmodellieren und anschließend nur durch Bemalen ausreichend ästhetische Ergebnisse erzielen. Dafür eignen sich große funktionelle Korrekturen im Seitenzahngebiet am besten.
Auf diese Weise kann man einen klassischen Goldtechniker auch zum Keramiker machen und erreicht als Nebeneffekt eine höhere Effizienz in seinem Betrieb. Auch teilanatomische Pressungen mit einem Dentinpellet sind machbar, um anschließend mit normaler Schichtkeramik ein hoch ästhetisches Endergebnis zu erzielen, was für den Frontzahnbereich sehr wichtig ist. Die mühsam geschichteten keramischen Schultern können ohne Weiteres in den Pressvorgang integriert werden. Das Einsatzgebiet ist allerdings nicht auf große Restaurationen beschränkt, sondern lässt sich auch in den Ein-zelzahnersatz übertragen. Besonders interessant ist hier die angepresste Schulter bei Implantataufbauten, da häufig die Angulation des Implantats (OK Frontzahnbereich) keine ausreichende Stärke für Zirkondioxidabutments zulässt. Durch die neuen Pressmethoden, in denen man teilweise bis zu fünf verschiedene Pellets in einer Muffel verpressen kann, ist ein wirtschaftliches Arbeiten nun ebenso möglich (Abb. 11–26).
CAD/CAM und digitaler Workflow
In den letzten Jahren hat die aus der Industrie stammende CAD/ CAM-Technik in die Zahntech-nik Einzug gehalten. Nicht nur die aus der Gerüstherstellung bekannte Verarbeitung von Zirkondioxid ist mit dieser Vorgehensweise möglich. Mittlerweile lassen sich sämtliche Materialien wie NEM-Legierungen, Edel-metalllegierungen oder auch Kunststoffe für Langzeitproviso-rien und Keramiken fast jeder Art mithilfe von CAD/CAM ver-arbeiten. Auch andere Verfahren wie das Lasersintern von Metallen bieten digitalisierte Herstellungsarten von Gerüsten. Hinzu kommen Abutmentdesignverfahren, die letztendlich auf die rasante Entwicklung von Hard- und vor allem Software begründet sind. Die digitale Technik ermöglicht es, am Computer designte vollanatomische Kronen zu erstellen, die später durch Maltechnik oder teilanatomisch designte Vollkeramikgerüste herzustellen sind. Das Vorgehen ist ähnlich der Presstechnik, in der die vollanatomischen oder teilanatomischen Grundgerüste im Wax-lost Verfahren hergestellt werden. Die vollkeramischen Materialien bleiben gleich, nur an die Stelle des Wachsmessers tritt der Computer. Der nächste Schritt im digitalen Workflow sind in Zukunft die Intraoralscanner. Aus Industriesicht perfektionieren sie den digitalen Workflow. Vermutlich ist dem auch so. Die Frage ist: Wann und in welcher Qualität? Ein „Mundscanner“ nimmt den digitalen Abdruck, die Daten werden an eine Stereolithografie-Einheit geschickt, die das Kunststoffmodell samt Gegenbiss generiert. Gleichzeitig werden in einer Fräseinheit die Kronen gefräst, ob voll- oder teilanatomisch entscheidet der Kunde. Ein virtueller Artikulator soll die Dynamik im Kausystem simulieren können (Abb. 27–32).
Ausblick
Was gilt es nun in diesem Wandel der Technik für den Handwerker zu tun? Er muss Entscheidungen treffen. Die digitale Kette hat längst in allen Betrieben Einzug gehalten. Angefangen von Vorwärmöfen und Keramiköfen, die durch digitale Prozesse erst das Verarbeiten modernster Materialien für zu Recht anspruchsvolle Patienten möglich machen, über so scheinbar banale Dinge wie den Bürocomputer oder die digitale Fotografie bis hin zu einer hochmodernen 5-Achs-Fräsmaschine. In welchem Umfang die Digitalisierung umgesetzt wird, ist die Kernfrage. Die digitale Technik kann eine Chance sein. Zirkondioxid kann ohne sie gar nicht verarbeitet werden. Wer möchte nicht irgendwann ein passgenaues Gerüst in den Händen halten, ohne vorher trotz modernster Absauganlagen im Schleifstaub gesessen zu haben. Kleinere Betriebe, die nicht das finanzielle Potenzial haben, diesen Gerätepark zu zahlen, werden Netzwerke bilden, um an diesem Prozess teilhaben zu können. Größere Labore steigern ihre Auslastung. Durch die immer größer werdende Konkurrenz bei den Herstellern der Industrie werden die Preise nicht mono-polartig steigen. Dennoch: Die Kunst, Dinge zu erkennen und auf die Psyche eines Patienten einzugehen, das Wissen um die Funktion, das Anwenden dieses Wissens auf den individuellen Patienten wird keine Maschine übernehmen können. Aus diesem Grund wird der persönliche Kontakt zum Patienten, aber auch zum Kunden Zahnarzt ein wesentlicher gegenwärtiger, aber auch zukünftiger Aspekt des Handelns sein. Die digitale Technik sollte als Hilfsmittel genutzt werden und das handwerkliche Geschick des Zahntechnikers unterstützen. Das ursprünglich als abschreckender Stempel gedachte „made in Germany“ hat sich auch nach und nach zu einem weltweiten Qualitätssiegel gewandelt.