Zahntechnik 28.02.2011
Ästhetische Richtlinien für den natürlichen Zahnersatz
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Mit folgendem Beitrag möchte der Autor gezielt auf die Formenlehre der Frontzähne eingehen. Dem ungeschulten Auge kommt die ästhetische Vielfalt enorm groß vor. Wenn man sich dann aber mal etwas tiefgründiger mit dem Ganzen auseinandersetzt, wird man sehr schnell verstehen, mit welcher Systematik die Natur bei der Entwicklung der Zähne vorgegangen ist.
Der Artikel soll Ihnen helfen, durch ein punktuelles Vorgehen die entsprechende Charakteristik für die entsprechende Person zu bekommen. Hierzu sollten Sie sich zuerst mit den Abbildungen befassen. Entscheidend ist schließlich, dass Sie die Systematik sowie die Zusammenhänge zwischen den hier dargestellten Grafiken verstehen.
Erst wenn Sie Ihre Erkenntnisse aus den Bildern erarbeitet haben, sollten Sie den von mir niedergeschriebenen Bericht zur eigenen Kontrolle weiterlesen. Bei der Betrachtung unterschiedlicher Frontpartien erkennt man trotz den grundlegenden Merkmalen, die einen Frontzahn von einem Eckzahn unterscheiden, eine weitere Individualität. Die Vielfalt der Frontzähne scheint unermesslich zu sein. Wenn man hierbei mal von Zahnstellung und Zahnfarbe absieht, bleibt noch die „Zahnform“.
Die Zahnform
Die Zahnform setzt sich hauptsächlich aus zwei Faktoren zusammen (Abb. 4).
1. Die Grundform des Zahnes = „definitive Breite“
2. Die Randleisten des Zahnes = „optische Breite“
Dieses Zusammenspiel aus optischer und definitiver Breite führt zu den unterschiedlichsten Formen des Zahnes. Jedoch lässt sich diese Formenvielfalt in drei Grundprinzipien unterteilen. Also gibt es nur drei prinzipiell unterschiedliche Zahnformen. Alles Weitere sind Mischformen, die sich in die einzelnen Grundformen aufteilen lassen. Diese Klassifizierung wurde von Williams im Jahre 1914 erarbeitet. Er stellte die Theorie auf, dass diese drei Zahnformen sich in den „Kretschmer‘schen Konstruktionstypen“ widerspiegeln. Die Zahnform ist die umgedrehte Gesichtsform (Abb. 7–18). Dies bedeutet, eine athletisch gebaute Person mit kantigem Gesicht hat eine quadratische Zahnform (Abb. 7, 8, 13 und 16). Die hagere Person (Leptosom) mit spitzem Kinnverlauf hat eine dreieckige Zahnform (Abb. 14 u. 17). Die Person mit et-was rundlichem Körperbau (Pykniker) und Gesicht verfügt über die ovale Zahnform (Abb. 15 und 18). Trotz großem Widerspruch teilten Zahn-ärzte und Dentalindustrie lange Zeit die Zahnformen typenspezifisch nach Kretschmer ein. So konnten die Zahnformen aber nur sehr grob eingeteilt werden. Daher wird diese Methode heutzutage kaum noch angewandt.
Dentogonic Concept
In den 1950er-Jahren verbreitete sich in den USA dann immer mehr das „Dentogonic Concept“. Dabei wird zum Festlegen der Zahnform ein Persönlichkeitsspektrum aufgestellt. Neben den klinischen, intraoralen und fazialen Verhältnissen berücksichtigen sie Alter, Temperament und die Wesensart der Person. Somit erzielt man heute sehr oft Mischformen aus den drei Grundformen. Welche Auswirkungen diese drei Grundformen auf die labiale Fläche eines Zahnes haben, wenn man ihn von inzisal betrachtet, möchte ich anhand einer von M. Yamamoto durchgeführten Studie in den Abbildungen 13 bis 15 darstellen.
Der andere entscheidende Punkt zum Gelingen einer natürlichen Rekonstruktion ist das Betrachten der Randleisten. Die Randleisten prägen den Zahn und geben ihm die Dreidimensionalität. Für die Breite der Zahnleiste ist neben dem Zahntyp auch die Breite der Zahnwurzel entscheidend. Auf den Zahnleistenverlauf in Bezug auf unsere drei Grundformen möchte ich noch etwas genauer eingehen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt habe ich den Zahn lediglich von labial und inzisal betrachtet. Um einen Zahn dreidimensional natürlich herstellen zu können, müssen wir die labiale Krümmung des Zahnes genauso betrachten. Auch bei diesem Betrachtungswinkel lassen sich die Winkelmerkmale in die drei festgelegten Grundtypen einteilen. Für den einzelnen Fall muss dann wieder die entsprechende Mischform abgeleitet werden (Abb. 16–18). Aus diesen Erkenntnissen heraus lassen sich von mesial nun folgende Merkmale ableiten.
Der ovale Anatomietyp:
– Das Hauptmerkmal von diesem Anatomietyp sind die gut entwickelten labialen
Randleisten.
– Zähne mit dieser Anatomie weisen starke labiale Vertiefungen und breite
approximale Übergangsflächen auf.
– Der Unterschied zwischen mesialen und distalen approximalen Übergangsflächen
ist groß.
– Die distale Übergangsfläche ist breiter als die mesiale.
– Die labialen Nebenleisten und V-förmigen Vertiefungen sind schwach ausgeprägt.
– Auch die quer verlaufenden Rinnen und Leisten sind bei diesem Zahntyp im
Allgemeinen nicht gut ausgeprägt.
Der dreieckige Anatomietyp:
– Auch bei diesem Anatomietyp sind die mesialen und distalen Randleisten gut
ausgeprägt, allerdings nicht so stark wie bei dem ovalen Anatomietyp.
– Die approximalen Übergangsflächen sind relativ breit, ohne wesentlichen
Breitenunterschied zwischen mesial und distal.
– Zähne dieses Types haben ausgeprägte labiale und approximale Vertiefungen.
Der quadratische Anatomietyp:
– Hauptmerkmale von diesem Anatomietyp sind die wenig ausgeprägten Randleisten,
die den Zahn etwas ausdruckslos erscheinen lassen.
– Die zentrale Leiste auf der labialen Fläche ist jedoch sehr gut ausgeprägt und von
inzisal betrachtet sehr prominent.
– Dies führt auch dazu, dass die mesi-alen und distalen Vertiefungen ausgeprägt
erscheinen, jedoch nicht so stark wie beim dreieckigen Zahntyp.
Die Zahnleisten entstehen im Sulkus des Zahnes und verlaufen im Bezug zur Grundform des Zahnes nach inzisal (schneidewärts). Im inzisalen Bereich des Zahnes unterscheidet sich der Leistenverlauf zwischen einem jungen Zahn, der noch über keine Abrasionen verfügt, hin zu einem älteren stärker abradierten Zahn (Abb. 19–24). Diese vielfältigen morphologischen Eigenschaften sind bei der Rekonstruierung eines einzelnen Zahnes relativ einfach. Hierfür habe ich noch genügend „dentale Anhaltspunkte“, um die Form meines zu ersetzenden Zahnes ableiten und die Harmonie des Patienten wiederherstellen zu können.
Um einiges schwerer wird es allerdings, wenn der komplette Frontbereich oder der gesamte Kiefer zu ersetzen ist. Hier-für ist die Vertrautheit der einzelnen Merkmale sehr wichtig. Ein weiteres Hilfsmittel zur Bestimmung der definitiven Breite der Zähne ist die Nasenbasis. Die Breite der Nasenbasis übereinstimmt in den meisten Fällen mit der Breite der Frontzähne (Abb. 25–27). Die Theorie von Prof. Gerber sagt unter anderem aus, dass aus embryogenetischer Sicht die Proportionen der Nasenbasis zur Breite der Nasenwurzel abzulesen sind (Abb. 28–29). Bei der Bestimmung zur Länge der Frontzähne ist wieder sehr viel Wert auf das Alter des Patienten zu legen. Als Hilfsmittel zur Bestimmung der Länge der Frontzähne spielt der Lippentyp eine große Rolle.
In der vertikalen Verlaufsform unterscheidet man zwischen einer vollen und dünnen Lippe bzw. zwischen einer langen und kurzen Oberlippe (Abb. 31 bis 33). Die Lippen begrenzen den Raum, der durch die Anordnung der Zähne unterteilt wird und daher aus ästhetischer Sicht große Anforderungen stellt, indem man durch Abschwächen oder Verstärken der sichtbaren Zahnteile Harmonie mit den übrigen Anteilen der oralen Region erreichen kann oder nicht. Das Fazit: Personen mit kurzen Oberlippen zeigen längere Zähne, als Personen mit langen Oberlippen.
In meinen Beschreibungen bin ich nun eigentlich nur auf die oberen Frontzähne eingegangen. Dies hat hauptsächlich den Grund, dass es die dominanteren Zähne sind als die unteren Frontzähne und sie somit wesentlich mehr Einfluss auf die ästhetische Harmonie haben. Jedoch kann man diese drei unterschiedlichen Zahnformen auch bei den unteren Frontzähnen sowie bei den OK- und UK-Seitenzähnen beobachten.
Diese punktuelle Analysierung zur Erzielung der ästhetischen Harmonie kann man somit auch als die Drei-Punkt-Vorgehensweise befolgen.
1. Analyse des fazialen Bereiches „Typ Mensch“.
2. Analyse des dentofazialen Bereiches „Lippen- Nasentyp“.
3. Analyse des dentalen Bereiches „Restbezahnung, Bisssituation“.