Zahntechnik 28.02.2011
Hautschutz im Dentallabor
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Zwischen 2000 und 2005 wurden bei Zahntechnikern von der zuständigen Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (BGFE) 526 Berufskrankheitenfälle anerkannt; 481 davon – also gut 91% – waren Hauterkrankungen. Hält sich diese Krankheitsgruppe branchenübergreifend seit Jahren hartnäckig an der Spitze der arbeitsbedingten Erkrankungen, so sind Zahntechniker davon besonders betroffen, denn der Umgang mit hautgefährdenden Stoffen gehört für sie zum Tagesgeschäft. Dieser Beitrag zeigt, auf welche Gefährdungen besonders geachtet werden sollte.
Wie Untersuchungen ergeben haben, ist der Kenntnisstand über das Gefährdungspotenzial der in den Dentallaboren verwendeten Arbeitsstoffe und -materialien beklagenswert gering; vielfach wird allzu sorglos mit ihnen umgegangen. Als Folge dessen müssen viele Zahntechniker ihren Beruf aufgeben und sich umschulen lassen; ihre Arbeitgeber verlieren wertvolle Mitarbeiter.
Kontaktekzeme
Beruflich bedingte Hauterkrankungen bei Zahntechnikern sind überwiegend Kontaktekzeme, d. h. der „Einwirkungsort“ der Arbeitsstoffe und die erkrankten Hautpartien sind identisch. Meist ist das Kontaktekzem daher ein Handekzem: Eine von Juckreiz begleitete Entzündung der Haut, die sich anfangs in Form von Rötungen und Schuppungen zeigt, im späteren Verlauf dann zu Vergröberungen der Hautfelder, Verdickung der Hornschicht sowie tiefen Hauteinrissen führt. Man unterscheidet – je nach Auslöser – zwei Arten von Kontaktekzemen, wobei auch Mischformen vorkommen:
- das toxische (= nicht-allergische) und
- das allergische Kontaktekzem.
Beide Arten können akut auftreten oder einen chronischen Verlauf nehmen.
Das akut-toxische Kontaktekzem ist quasi ein „Hautunfall“, verursacht durch eine kurzzeitige Einwirkung von stark toxisch wirkenden Stoffen, wie z. B. Verätzungen durch starke Säuren. Das akut-toxische Kontaktekzem tritt nur an den Kontaktstellen auf und heilt nach Beendigung der Einwirkung rasch wieder ab.
Wird die Haut über einen längeren Zeitraum Irritantien (Reizstoffen) ausgesetzt, die an sich nur schwach hautschädigend wirken, kann sich ein chronisches Kontaktekzem, auch als Abnutzungsdermatose bezeichnet, herausbilden. Dazu gehören im Dentallabor z. B. Säuren, Wasch-, Reinigungs- und Spülmittel, aber auch Feuchtarbeit.
Das allergische Kontaktekzem ist in seiner akuten Form eine allergische Sofortreaktion, deren Symptome sich in der Regel innerhalb von wenigen Minuten bemerkbar machen. In chronischer Form tritt es bei Personen auf, die durch häufigen Hautkontakt mit dem allergieauslösenden Stoff bereits eine Sensibilisierung gegen diesen entwickelt haben. Bis es so weit ist, kann ein längerer Zeitraum – oft Jahre – vergehen.
Wenngleich beim beruflich bedingten allergischen Kontaktekzem am häufigsten die Hände befallen sind, können bisweilen auch Unterarme und sogar Hals und Gesicht betroffen sein. Das Tragische ist, dass der Betroffene eine einmal erworbene Allergie in der Regel lebenslang behält. Da man bei Vorliegen einer Allergie das auslösende Allergen konsequent meiden muss, kann ein Arbeitsplatzwechsel die unausweichliche Folge sein, wenn der allergenhaltige Arbeitsstoff nicht ersetzt werden oder der Kontakt auch mit Schutzhandschuhen nicht völlig vermieden werden kann.
Allergien: Acrylate als Hauptverursacher
Die wichtigsten Allergieauslöser im Dentallabor sind die dort verwendeten Kunststoffe. Dentalkunststoffe zur Herstellung von Zahnersatz sind chemisch gesehen in der Regel Acrylate. Meist bestehen sie aus einer Flüssigkeit und einem Pulver. Die Flüssigkeit enthält in der Regel das Monomer Methylmethacrylat (MMA) und Zusatzstoffe wie Hydrochinon (Inhibitor), manchmal Dimethyl-p-toluidin (Akzelerator), Ethylenglycoldimethacrylat (Vernetzer) und Dibutylphthalat (Weichmacher). Das Pulver besteht aus Methylmethacrylatpolymer, Farbstoffen und oft Benzoylperoxid als Katalysator.
Zur Verarbeitung werden das Pulver und die Flüssigkeit in einem Gefäß gemischt und geformt, bevor die Mischung aushärtet. Kommt es beim Formen zu Hautkontakten mit dem Material, sind allergische Hautveränderungen insbesondere an den Fingerkuppen, -kanten und am Fingerrücken häufig die Folge. Verursacht werden sie durch die offenbar nicht auszurottende Unsitte, die Finger mit Monomerflüssigkeit zu benetzen, um die Kunststoffe zu glätten.
Auch Wasser kann der Haut schaden
Aber Methylmethacrylat sowie Methacrylatabkömmlinge haben außer ihrem allergieauslösenden („sensibilisierenden“) Potenzial auch eine hautreizende Wirkung, da sie die Haut entfetten. Dadurch wird die Barrierefunktion der Haut beschädigt: So können Schadstoffe durch die Haut in den Körper gelangen und auf Dauer sogar Krankheiten der inneren Organe auslösen.
Dieselbe Wirkung hat Feuchtarbeit. Darunter sind nach der TRGS 4011 alle Tätigkeiten zu verstehen, bei denen die Beschäftigten einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit Arbeiten im feuchten Milieu ausführen oder flüssigkeitsdichte Handschuhe tragen oder häufig oder intensiv ihre Hände reinigen müssen (mehr als 20-mal am Tag).
Auslöser für Hautschäden sind außerdem mechanische Reize in Form von Stäuben, die bei der Bearbeitung von Gips-, Metall-, Keramik- und Kunststoffteilen freigesetzt werden. Im Dentallabor sind das vor allem Gipsstäube beim Anrühren von Gips, Metallstäube beim Trennen, Schleifen und Polieren sowie PMMA (Poly[methacrylsäuremethylester])-Stäube beim Bearbeiten von ausgehärteten Kunststoffen.
Rechtsgrundlage: die Gefahrstoffverordnung
Die wichtigste gesetzliche Grundlage für den Hautschutz auch im Dentallabor ist die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV2). Alle Arbeitgeber, deren Beschäftigte mit Gefahrstoffen umgehen, haben diese in ihrem Betrieb umzusetzen.
Als Gefahrstoffe i. S. dieser Verordnung gelten beim Arbeiten verwendete Stoffe, die mit einem Gefährlichkeitsmerkmal gekennzeichnet sind (reizend, ätzend, giftig usw.); ebenso aber auch solche, die beim Arbeiten erst entstehen, z. B. Schleifstäube. Die GefStoffV wird durch die verschiedenen Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) präzisiert (wie etwa die TRGS 4013), die den Arbeitgebern wichtige Informationen und Orientierungshilfen für ihre Umsetzung bieten. Die GefStoffV und die TRGS können von der Homepage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin www.baua.de (g Themen von A–Z g Gefahrstoffe) kostenlos heruntergeladen werden.
Vier Schutzstufen
Nach der GefStoffV hat der Arbeitgeber die in seinem Betrieb auftretenden Gefahrstoffe zunächst einer von vier Schutzstufen zuzuordnen (von 1 = geringe Risiken/mäßige Schutzmaßnahmen bis 4 = hohe Risiken/maximale Schutzmaßnahmen); die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen für den Umgang mit dem Gefahrstoff richten sich nach der jeweiligen Zuordnung.
Gefährdung und Schutzstufen 1 bis 3
1.§ 8 | Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ohne Totenkopfsymbol, Stoffe mit geringer Gefährdung: Einhaltung der Mindest-Hygienestandards nach TRGS 5004 |
2. § 9 | Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ohne Totenkopfsymbol: • Statt Gefahrstoffen möglichst Ersatzstoffe verwenden (Substitution) • Andernfalls folgende Maßnahmen (in dieser Reihenfolge): 1. sichere Arbeitsverfahren nach dem Stand der Technik 2. kollektive Schutzmaßnahmen, z. B. Absaugung von Stäuben am Entstehungsort 3. individuelle Schutzmaßnahmen, z.B. Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen (PSA) |
3. § 10 |
Tätigkeiten mit „Totenkopfstoffen“: • Substitution nach dem Stand der Technik vorgeschrieben • Wenn technisch nicht möglich: 1. geschlossenes System verwenden 2. Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) einhalten (ggf. Messungen!) |
Tab.: Die Schutzstufe 4 wird hier mangels praktischer Relevanz nicht dargestellt.
In Dentallaboren auftretende hautgefährdende Stoffe gehören meist zur Schutzstufe 2 (z. B. Acrylate), in einigen Fällen auch zu Stufe 3 (etwa schwefel- oder flusssäurehaltige Abbeizmittel). Die Schutzmaßnahmen einer höheren Schutzstufe umfassen immer auch alle Schutzmaßnahmen der niedrigeren Schutzstufen; so sind also bei Schutzstufe 3 auch die Maßnahmen der Schutzstufen 1 und 2 anzuwenden.
Sieben Maßnahmen für den Hautschutz
In der Praxis sind in Dentallaboratorien daher zum Schutz der Beschäftigten vor Hautgefährdungen folgende sieben Maßnahmen einzuhalten:
- Alle Maßnahmen zur Einhaltung der Mindest-Hygieneanforderungen nach der TRGS 500 (Punkt 4.2): Das bedeutet z.B.: Arbeitsgeräte und Werkzeuge sauberhalten, Verunreinigungen durch Gefahrstoffe sofort beseitigen, Wechseln verschmutzter Kleidung, Gefahrstoffe möglichst in der Originalverpackung aufbewahren – keineswegs in Behälter umfüllen, die zur Verwechslung mit Lebensmitteln führen können.
- Substitution bei Gefahrstoffen der Schutzstufe 2 und höher: Für viele der im Dentallabor benötigten Stoffe stehen derzeit keine Ersatzstoffe zur Verfügung. Dennoch sollten etwa statt monomerreiche Acrylate weniger toxische monomerärmere Acrylate verwendet werden.
- Zu den sicheren technischen Verfahren der Schutzstufe 2 gehört erstens die Verarbeitung der Acrylate streng nach Herstellerangaben, z. B. in Bezug auf die genaue Dosierung. Außerdem sollten zum Anmischen möglichst geschlossene Systeme verwendet werden. Bei offenem Mischen ist der Hautkontakt unbedingt zu vermeiden. Dies lässt sich mit der Verwendung von Einmalgefäßen und -spateln oder anderen Hilfsmitteln (z. B. Applikatoren beim Reinigen) erreichen. Die Monomerflüssigkeit muss nach Gebrauch sofort wieder verschlossen werden.
- Zur Vermeidung von Stäuben, etwa beim Schleifen von Kunststoffteilen, sind geeignete Absaugeinrichtungen einzusetzen und Gesicht, Augen und Atemwege durch eine Sichtscheibe zu schützen. Für Methylmethacrylate (MMA) ist die Anschaffung eines zusätzlichen Aktivkohleabscheiders zu empfehlen. Die Absaugung muss nach der TRGS 401 (Punkt 6.5) mindestens alle drei Jahre auf Funktionsfähigkeit geprüft und ggf. instandgesetzt werden. Alternativ bietet sich die Bearbeitung in einer geschlossenen Schleifbox an.
- Zu den wichtigsten persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) gehören geeignete Schutzhandschuhe, die der Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen hat. Die Benutzung ist verbindlich anzuordnen (Betriebsanweisung!) und zu überwachen.
Bei der Auswahl ist zu beachten, dass viele Einmalhandschuhe (z.B. Latexhandschuhe) keinen geeigneten Schutz gegenüber Dentalkunststoffen bieten. Leider sind Chemikalienschutzhandschuhe, die gegen Methacrylaten und deren Abkömmlinge Schutz bieten, für feinmanuelle Tätigkeiten im Dentallabor nicht einsetzbar. Hierfür sind dünne, eng anliegende Nitrilhandschuhe mit guter Passform zu empfehlen, die inzwischen mit gutem Erfolg und zur Zufriedenheit vieler Zahntechniker im Einsatz sind.
Beim Umgang mit frisch zubereiteten Polymerisaten bieten Handschuhe, wie etwa Touch N Tuff, Dermatril und Ethiparat, für wenige Minuten ausreichenden Schutz gegenüber MMA. Sollten diese Handschuhe versehentlich mit reiner Monomerflüssigkeit benetzt werden, müssen sie sofort gewechselt werden. Auch auf hochgeschlossene Kittel sollte nicht verzichtet werden, da bei Zahntechnikern immer wieder aerogene Kontaktekzeme im Halsbereich auftreten. - Zu den personenbezogenen Schutzmaßnahmen gehört auch die Anwendung von Hautschutz-, -reinigungs- und -pflegemitteln. Hierfür ist ein Hautschutzplan zu erstellen, der an geeigneter Stelle aushängen sollte und dessen Befolgung verbindlich anzuordnen ist, z.B. an den Handwaschplätzen.
- Nach § 14 Abs. 2 GefStoffV sind für alle Gefahrstofftätigkeiten schriftliche Betriebsanweisungen zu erstellen, in denen die bei diesen Arbeiten auftretenden Gefährdungen sowie die von den Beschäftigten zu ihrer Abwehr zu beachtenden Vorsichtsmaßnahmen verständlich dargestellt werden. (Muster können beim Autor bezogen werden.) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit und anschließend mindestens einmal jährlich zu diesen Betriebsanweisungen unterwiesen werden. Dies ist mit Datum, Inhalten der Unterweisung und Unterschrift der Unterwiesenen zu dokumentieren. Bei veränderten Arbeitsbedingungen, etwa durch den Einsatz neuer Materialien, sind die Betriebsanweisungen zu überarbeiten und ggf. zusätzliche Schulungen außer der Reihe durchzuführen.
1 Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 401: Gefährdung durch Hautkontakt: Ermittlung – Beurteilung – Maßnahmen
2 Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen vom 23.12.2004 (BGBl. I S. 3758, 3759), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 12. Ok-tober 2007 (BGBl. I S. 2382)
3 TRGS 401: Gefährdung durch Hautkontakt: Ermittlung – Beurteilung – Maßnahmen
4 TRGS 500: Schutzmaßnahmen
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