Zahntechnik 21.02.2011
Individuelle Anpassung dank Vollkeramik
Vollkeramische Restaurationen erfahren in Praxis und Labor seit Jahren großen Zuwachs, denn metallfreier Zahnersatz erfreut sich einer hohen Akzeptanz vonseiten der Patienten. Vor allem in der Implantatprothetik hängt der Langzeiterfolg neben der idealen Implantatposition und eventuell notwendigen augmentativen Verfahren vor allem von dem Aufbau der Suprakonstruktion ab. Große Bedeutung kommt hierbei dem Abutment als Interface zwischen Krone und intraossärem Implantat zu. Dabei finden zunehmend keramische Restaurationen Anwendung.
Bisher konnte das Emergenzprofil bei konfektionierten, keramischen alphatech-Implantataufbauten nur durch die händische Manipulation eines erfahrenen Zahntechnikers entsprechend des Abdrucks optimal geformt werden. Durch die stete Verbesserung der CAD/CAM-Technologie konnte Sirona ein Verfahren entwickeln, das es ermöglicht, individuell gefräste Zirkonoxidabutments herzustellen, sodass eine gewisse „Standardisierung“ in der zahntechnischen Herstellung erreicht wird. Die Vorteile von Zirkon als Gerüstwerkstoff werden damit optimal genutzt. Vor allem die Lichtdurchlässigkeit und die Ästhetik sorgen für eine natürlich weiß schimmernde Optik.
Insbesondere Patienten mit hoher Lachlinie oder dünnem Mukosatyp sind auf individuell geformte Abutments angewiesen, damit keine unschönen Metallränder durch die dünne Schleimhaut hindurchschimmern und so das ästhetische Ergebnis mindern. Die Plaqueanhaftung und Bakterienanlagerung sind im Vergleich zu Titanaufbauten deutlich reduziert. Die Herstellung und die Abfolge werden nachfolgend an zwei Beispielen erläutert.
Patientenfall: nicht erhaltungswürdiger Zahn 16
Ein 29-jähriger Patient stellte sich erstmals im April 2009 mit einem nicht erhaltungswürdigen Zahn 16 vor. Nach ausführlicher Beratung und Diagnostik wurde ein alphatech Tube Line Bonitex Implantat 5/12 als Sofortimplantat inseriert und die offene Einheilung gewählt. Nach sieben Wochen Einheilzeit erfolgte die provisorische Versorgung mit einer verschraubten Kunststoffkrone auf provisorischem Pfosten. Um dem jungen Patienten bei dünnem Schleimhauttyp ein optimales ästhetisches Ergebnis zu ermöglichen, wurde die Eingliederung eines individuell gefertigten Zirkonoxidabutments mit einer vollanatomischen Lithium-Disilikat-Keramikkrone (IPS e.max CAD) angeraten. Nach sechs Monaten Einheilzeit wurde zunächst mit einem individuellen Löffel eine Abformung mit Impregum durchgeführt. Anschließend wurde ein Modell mit Modellanalog und Zahnfleischmaske hergestellt. Auf das Implantat wird ein Scanbody (Abb. 1–2) entsprechend der Nut eineindeutig auf die Titanbasis gesetzt. Dieser wurde ungepudert mit dem EOS Scanner optoelektronisch erfasst. Der Scanbody erlaubt die exakte Erfassung der Implantatposition, der Nachbarstrukturen und des Weichgewebsprofils für die Konstruktion des Abutments. Die Titanbasis gibt es entsprechend der Implantatdurchmesser von 3,4–5mm mit Plattformwechsel auf 4,3mm. Sie weist alle Sicherheitsmerkmale des alphatech-Systems auf – perfekte Präzision, Tube-in-Tube-Verbindung sowie einen Sechskant zur Gewährung eines sicheren Einsatzes.
Das nun digitalisierte Modell wird mit der Software „inLab 3D for Abutments Version 3.65“ bearbeitet. Prinzipiell gibt es über die Top-Down-Methode zwei Wege zur Realisierung eines individuellen Abutments. Zum einen ist es möglich, die Krone mit dem entsprechenden Abutment in einem Schritt zu erstellen, zum anderen kann das Abutment durch Teilreduktion der Krone für die direkte Verblendung hergestellt werden.
Als Erstes wird um den Scanbody die Gingivalinie eingezeichnet (Abb. 3–4). Sie bestimmt den gewünschten Zahnquerschnitt auf Höhe der Gingiva. Das Emergenzprofil kann ganz flexibel gefertigt werden, z.B. durch Einstellen des Druckes auf die Gingiva. Nach dem Einstellen der Einschubachse erscheint ein dreidimensionaler Vorschlag für die Mesostruktur. Die üblichen 3-D-Werkzeuge ermöglichen individuelle Korrekturen. Um eine optimale Wandstärke der Mesostruktur und der Suprakonstruktion zu gewährleisten, sind die Mindeststärken programmseitig blau dargestellt und der Schraubkanal rot (Abb. 5–6). Anschließend wird das fertig konstruierte Abutment mit der MC XL Schleifmaschine von Sirona aus einem Zirkonoxidblock (inCoris ZI meso) (Abb. 7) geschliffen. Die inCoris ZI meso Zirkonoxidblöcke sind vorgesinterte Keramikblöcke mit vorgefertigter Anschlussgeo-metrie zum Implantat. Sie sind in zwei Farben und Größen (S und L) erhältlich. Nach dem Fräsen wird die Mesostruktur vom Block getrennt und gesintert.
Die fertigen Abutments haben eine vorgefertigte Passform entsprechend der implantatdurchmesserkongruenten Titanbasis, um eine eineindeutige Reposition entsprechend des Scans zu gewährleisten. Dieser Aufbau wird mit Panavia F 2.0 auf die Titanbasis geklebt (Abb. 8–9). Der Vorgang erfolgt außerhalb des Mundes, um die Klebereste kontrolliert entfernen zu können, ohne das empfindliche Sulkusepithel zu traumatisieren. Die eingegliederte Mesostruktur stützt die Gingiva optimal und legt den Kronenrand in klinisch kontrollierbare Bereiche (Abb. 10, 11a, 11b).
Patientenfall: Oberkieferinzisivi mit extremer Protrusion
Bei dem zweiten vorgestellten klinischen Fall handelt es sich um eine implantologisch prothetische Rehabilitation einer 45-jährigen Patientin, die sich erstmals im Februar 2009 vorstellte. Als Ausgangssituation imponierten die mittleren, endodontisch behandelten Oberkieferinzisivi mit ex-tremer Protrusion, die nach eingehender klinischer und röntgenologischer Untersuchung als nicht mehr erhaltungswürdig eingestuft wurden (Abb. 12). Nach ausführlicher Beratung mit Wax-up entschied sich die Patientin für die Implantation Regio 11 und 21. Am 12.02.09 wurden schablonengeführt zwei alphatech Bonitex Implantate 3,8/16 inseriert, welche nach acht Wochen mit Langzeitprovisorien versorgt wurden. Im Dezember 2009 ist die endgültige keramische Restauration mit individuell gefertigten Zirkonoxidabutments und Keramikkronen sowie Veneers auf 12 und 22 eingegliedert worden (Abb. 13–19).
Der zahnmedizinische und zahntechnische „Workflow“ entspricht der obigen Beschreibung. Nach digitaler Rekonstruktion wird die sich anschließende Fertigung durchgeführt. Dabei können wichtige Voraussetzungen für ein vorhersagbares Ergebnis „standardisiert“ durchgeführt werden, zum Beispiel ist die optimale Lage des Kontaktpunktes zwischen den Kronen 5mm entfernt von der Knochengrenze, um das Weichgewebe optimal zu stüt-zen (Abb. 20–21). Nach Fertigstellung der Arbeit und Qualitätskontrolle erfolgt der Versand der Arbeit an die Praxis. Die Vollkeramikkronen auf Keramikabutments konnten eingegliedert und Veneers auf die seitlichen Schneidezähne geklebt werden. Die funktionelle und ästhetische Wiederherstellung der Oberkieferfront ist ein Ergebnis aus dem Zusammenspiel der zahnärztlich-implantologischen und zahntechnischen Teams unter Zuhilfenahme moderner digitalen Techniken.
Maximum an Funktion und Ästhetik
Die entscheidenden Vorteile ergeben sich aus der CAD/CAM-Technologie des CEREC-Systems. Mit dieser Option ist es möglich, ein individuelles Abutment herzustellen und dabei ein optimales Durchtrittsprofil zu gestalten, um ein Maximum an Funktion und Ästhetik zu erzielen. Durch die hervorragenden Eigenschaften des Zirkons ist die Anwendung im gesamten Zahnbogen möglich. Die marginale Gingiva wird durch den Zirkonoxidaufbau nicht gereizt und kann den gingivalen Rand um die Krone für eine perfekte Rot-Weiß-Ästhetik optimal stützen. Des Weiteren wird durch dieses Verfahren immer eine optimale Wandstärke des Zirkonoxidaufbaus gewährleistet, da die händische Nachbearbeitung entfällt. Mithilfe einer optimalen Gestaltung des Kronenrandes, fernab der Implantatschulter, wird die Entfernung der Befestigungsmaterialien für die Implantatkrone erleichtert, da man den Rand in kontrollierbare Bereiche legen kann. Die Herstellung dieser individuellen Abutments setzt neue Maßstäbe in der Anwenderfreundlichkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Flexibilität bei voraussagbaren Ergebnissen.
Die klinischen Bilder mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. Robert Böttcher. Die zahntechnische Arbeit erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Dentallabor Grüttner (Pößneck).
Autor: Dr. med. dent. Nadine Handschuck