Branchenmeldungen 13.02.2017
Aligner und kein Ende in Sicht
In Köln fand der 4. Wissenschaftliche Kongress der Deutschen Gesellschaft für Aligner Orthodontie (DGAO) statt. Die Behandlung mit Alignern in der Kieferorthopädie ist schon lange viel mehr als eine Randerscheinung. Dies konnte der 4. Wissenschaftliche Kongress für Alignerorthodontie wieder eindrucksvoll unter Beweis stellen. Über 600 Teilnehmer aus 25 Ländern zeigten ihr Interesse an den neuesten Entwicklungen und Möglichkeiten der Alignertherapie und folgten der Einladung der DGAO e.V. nach Köln. Mit ihren jahrzehntelangen Erfahrungen konnte diese Gesellschaft als Veranstalter des weltweit bedeutsamsten, herstellerunabhängigen Alignerkongresses erneut viele namhafte internationale Vortragende finden, die den Teilnehmern den größtmöglichen Wissensgewinn für ihre Praxis vermittelten.
Praxisnahes Wissen im Fokus
Der Schwerpunkt lag auch in diesem Jahr besonders auf der klinischen Anwendung der verschiedenen Alignersysteme. Damit wurde die DGAO dem Wunsch der Kollegen nach noch mehr praxisorientierten Vorträgen gerecht. Aber selbst die wissenschaftlichen Beiträge kamen nicht zu kurz. Ferner wurden ebenfalls die rasanten Entwicklungen computergestützter Technologien diskutiert, die letztlich einen digitalen Workflow in der Alignerbehandlung ermöglichen.
Schon traditionell stellte der Gürzenich als Veranstaltungsort den geeigneten, stilvollen Rahmen. An zwei langen Tagen gaben 35 renommierte Referenten den aktuellen Stand der Alignerorthodontie wieder, und knapp 40 Aussteller aus der Dentalindustrie präsentierten ihre neuesten Entwicklungen. Der vor zwei Jahren erstmals veranstaltete Parallelkongress für Zahnmedizinische Fachangestellte war in diesem Jahr ebenfalls für Behandler zugänglich, sodass sich das gesamte Praxisteam gemeinsam weiterbilden konnte.
Breit gefächertes Kongressprogramm
Den ersten Tag des wissenschaftlichen Programms eröffneten die Tagungspräsidentin Dr. Julia Haubrich und Prof. em. Dr. Rainer-Reginald Miethke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Aligner Orthodontie e.V. In seiner Begrüßung hob Professor Miethke die besondere Bedeutung dieses zwar deutschen, aber mittlerweile auf internationalem Niveau rangierenden Kongresses hervor. Für den Auftakt des wissenschaftlichen Teils sorgten Dr. Werner Schupp und Dr. Wolfgang Boisserée. In ihrem gemeinsamen Vortrag beschrieben sie die Korrelation zwischen Okklusion, Nerven, Muskeln und Gelenken und leiteten daraus Behandlungsstrategien in der Zusammenarbeit zwischen Kieferorthopädie und restaurativer Zahnheilkunde ab. „To finish first, you have to finish first“ lautete der Titel des nächsten Vortrags von Woo-Ttum Bittner, in welchem er das CAD/CAM-basierte schnelle Finishing mit Positionern und Aligner unter Zuhilfenahme von SureSmile® Elemetrix erläuterte. Dr. Sherif Kandil konzentrierte sich in seinem Beitrag auf neue Zubehöranwendungen, die es erlauben, selbst schwierige Behandlungen mit Clear Alignern durchzuführen. Wie man mit Invisalign® i7- und Invisalign® Lite-Behandlungen auch bei Patienten mit einer Angle-Klasse II und III erfolgreich sein kann, zeigte im Anschluss Dr. Beatriz Solano Mendoza aus Spanien.
Am Nachmittag erläuterte Prof. Dr. Benedict Wilmes, Universitätsklinikum Düsseldorf, in seinem Beitrag die Möglichkeiten und Probleme bei der kombinierten Behandlung von Alignern und skelettal verankerten Minischrauben. Es folgte der aus Japan angereiste Dr. Hirohide Arimoto mit seinen Tipps für eine beschleunigte Alignerbehandlung, die immer populärer wird. Möglichkeiten der Invisalign®-Behandlung bei Kindern und Jugendlichen erörterte anschließend die Tagungspräsidentin Dr. Julia Haubrich. Der Schweizer Fachzahnarzt Dr. Philipp Scheurer zeigte danach anhand klinischer Beispiele die Distalisierung von Seitenzähnen im Unterkiefer als eine interessante Behandlungsvariante. Um die Anwendung biomechanischer Studien zur Entwicklung eines zuverlässigen klinischen Protokolls für die Alignertherapie mit dem Air Nivol-System drehte es sich in dem Vortrag von Dr. Vincenzo D’Antò aus Italien. Ihm folgte das Duo aus Österreich und der Schweiz, DDr. Bärbel Reistenhofer und Dr. Marco Tribò, das die Indikationen für eine beschleunigte Alignerbehandlung unter Einsatz des Orthopulse®-Gerätes vorstellte. In ihrer klinischen Studie bewertete Dr. Isabelle Graf die Wirksamkeit von Invisalign®-Behandlungen bei erwachsenen Patienten, und Dr. Nils Stucki aus der Schweiz verglich die gebräuchlichsten Alignersysteme mit dem neuen Behandlungssystem nivellipso®, made in Switzerland. Den Abschluss des ersten Kongresstages bildete Dr. Konstantin Pischel aus Linz. In seinem Vortrag berichtete er über die Grenzen, die Planung des richtigen Zeitpunktes sowie die Auswahl der richtigen Werkzeuge für eine approximale Schmelzreduktion im Rahmen von Alignertherapien.
Der zweite Kongresstag wurde durch den spanischen Kollegen Dr. Pablo Echarri mit einem Beitrag über die Integration des digitalen Workflows in den Praxisalltag am Beispiel von CA Clear Alignern eröffnet. Dann beschrieb Dr. Tommaso Castroflorio aus Italien in seiner beeindruckenden multimedialen Präsentation die Entwicklung der Invisalign®-Aligner von der Grundlagenforschung hin zur klinischen Anwendung.
Dr. Wajeeh Khan stellte in seiner Präsentation die orthocaps® Hybrid-Aligner-Behandlung vor, einem innovativen Konzept, mit dem sich auch komplexe Fälle zuverlässig und effektiv behandeln lassen. Eine interessante wissenschaftliche Studie präsentierte Dr. Christina Erbe, Oberärztin der Universitätsklinik Mainz. Sie untersuchte White-Spot-Läsionen bei Teenagern während der Alignertherapie. Dr. Jörg Schwarze beschrieb schließlich die besonderen Herausforderungen und Möglichkeiten von Tiefbisskorrekturen mit Alignern. Ihm folgte der französische Kieferorthopäde Dr. David Couchat, der die klinischen Unterschiede bei der Einordnung retinierter und verlagerter Zähne bei Jugendlichen und Erwachsenen erklärte. International blieb es weiterhin mit dem japanischen Kollegen Dr. Kenji Ojima, der, wie bereits zwei Jahre zuvor, erneut mit seiner Präsentation von Extraktionsbehandlungen mit Invisalign® und Acceleration-Tools beeindruckte. Nach einem geselligen Zusammenkommen, das durch die Hauptsponsoren CA Digital, Align Technology und der Ortho Caps GmbH zustande kam, folgte am frühen Nachmittag eine klinische Studie über Zahnhartsubstanzverlust unter Alignertherapie; sie wurde von dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Wassim Kassem (Charité Berlin) präsentiert. Dr. Kamy Malekian aus Madrid berichtete in seinem Vortrag über die Distalisierung mit der Invisalign®-Technik bei Patienten mit einer Angle-Klasse III. In ihrem Gemeinschaftsvortrag stellten die beiden Referenten Dr. Thomas Drechsler aus Wiesbaden und Dr. Boris Sonnenberg aus Stuttgart danach die Digitale Praxis 2.1 vor, in welcher vom Management über die Diagnostik bis hin zur Planung einer komplexen Umstellungsosteotomie alle Behandlungsabläufe voll digitalisiert durchgeführt werden.
Prof. Dr. James Mah von der University of Nevada, Las Vegas / USA, zeigte Strategien auf, die bei der Rotationskorrektur konisch geformter Zähne mit Alignern zuverlässig sind. Dr. Michael Thomas aus Berlin ging anschließend der Frage nach „To scan or not to scan“ und beschrieb seine Erfahrungen im Praxisalltag mit Intraoralscannern. Prof. Dr. Rolf Hinz zeigte in seinem Vortrag die Vorteile des von ihm entwickelten, schraubenaktiven HINZ Aligners® auf, welcher sich als effektives Initialgerät vor einer Alignertherapie eignet. Der Abschluss des Kongresses gebührte RA Michael Zach mit seiner Darstellung juristischer Aspekte bei der beschleunigten Kieferorthopädie aus Sicht der Patienten und Kostenträger.
Zeitgleich zum wissenschaftlichen Programm fand der Parallelkongress für das gesamte Praxisteam statt. Das breit gefächerte Angebot umfasste die Themen der praxisnahen Abrechnung von Alignerbehandlungen, fachgerecht erklärt von Katrin Haase; Grundlagen einer vorbildlichen Patientenfotografie von Prof. Dr. Rainer-R. Miethke; Teambuilding, Konfliktmanagement und Trouble-Shooting von Kay F. Weltersbach; intraorales Scannen, aufbereitet von Dr. Michael Thomas, und die erfolgreiche Integration von verschiedenen Bleachingmethoden in den Praxisalltag, dargestellt von ZA Dr. Stephan Höfer.
Auch das Abendprogramm wartete wieder mit etwas Außergewöhnlichem auf. Auf über 100 Metern Höhe konnten die Kongressteilnehmer am Freitagabend im Turm des „Köln SKY“ bei einem stilvollem Drei-Gänge-Menü den Blick über die beleuchtete Dom-Stadt schweifen lassen, bevor bis spät in die Nacht das Tanzbein geschwungen wurde.
DGAO-Wissenschaftspreis 2016
Bereits am Freitagabend wurde im Anschluss an das Tagungsprogramm zum dritten Mal der DGAO-Wissenschaftspreis verliehen. Der mit 14.000 Euro dotierte Förderpreis zeichnet besondere wissenschaftliche Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Alignerorthodontie aus. In diesem Jahr konnte der Präsident der DGAO, Prof. Miethke, einen überdimensionalen Scheck an die Projektgruppe um Prof. Dr. Karl-Friedrich Krey von der Universität Greifswald (Dr. Peter Schicker, Dr. Christian Schwahn und Dr. Philipp Eigenwillig) übergeben. Professor Miethke referierte kurz über deren Arbeit mit dem Titel „Biologische Realität computergeplanter Zahnbewegungen mit Alignern – eine multizentrische, prospektive Untersuchung“. Diese Studie zielt darauf ab, sowohl in vitro wie auch in vivo das therapeutische Potenzial von Alignern zu analysieren.
Teilnehmer, Aussteller und Veranstalter waren sich alle einig: Der diesjährige Kongress hat die bereits hohen Erwartungen bei weitem übertroffen. Und so freute sich Tagungspräsidentin Dr. Julia Haubrich nach zwei anstrengenden Tagen schon auf den nächsten Alignerkongress der DGAO e.V. Dieser wird erneut in Köln, und zwar am 23. und 24. November 2018, stattfinden.