Branchenmeldungen 21.02.2011

Amalgamrecycling in Deutschland

Amalgamrecycling in Deutschland

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In einem Raum der Werkhalle brodelt es leise. Welche Flüssigkeiten unter den Destillierglocken sprudeln ist Betriebsgeheimnis, doch das Endprodukt glänzt mit spiegelglatter Oberfläche silbrig in den drei Behandlungsbecken. Was Karl May wohl zu seinem Roman „Der Schatz im Silbersee“ inspiriert hätte, ist kein klassisches Edelmetall, sondern Quecksilber in Reinform. Bei der Gesellschaft für Metallrecycling (GMR) im ehemaligen Industrieviertel Plagwitz in Leipzig wird es mit vakuumthermischen Verfahren aus Zahnamalgam und anderen Industrieabfällen destilliert, raffiniert und in kleine Flaschen abgefüllt wieder auf den Markt gebracht. Etwa 20-25 Tonnen Amalgamschlamm werden so jährlich durch die GMR wiederverwertet.

Angeliefert wird der Schlamm von Zulieferfirmen wie der enretec GmbH aus Velten bei Berlin, die seit den 80er Jahren einen ihrer Geschäftsbereiche auf die Entsorgung von Reststoffen aus Zahnarztpraxen ausgerichtet hat. Dazu gehören neben Entwickler- und Fixierlösungen und sonstigen Abfällen wie Spritzen vor allem Amalgamabfälle. Vor 2 ½ Jahren entwarf das Berliner Unternehmen dazu zusammen mit der NWD-Gruppe ein Pilotprojekt. Die Idee dahinter: Der Entsorgungsservice für Zahnarztpraxen sollte so optimiert werden, dass alle dort entstehenden Abfallprodukte mittels eines flexiblen Behältersystems gesammelt und in kompakter Form im 24 Stunden Service zurückgenommen werden können. Dies sei nicht nur kundenorientiert, sondern leiste auch einen wesentlichen Beitrag für den rechtssicheren Transport und die fachgerechte Entsorgung, so Geschäftsführer Martin Dietrich: „Dem Zahnarzt wird die Organisation der gesetzeskonformen Entsorgung weitestgehend abgenommen und die Gefahr der umweltbelastenden Abfallverbringung durch z. B. Amalgamabfälle reduziert.“

Problematik Amalgam
In den Zähnen der Deutschen liegen nach Angaben des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Universitätsklinik Freiburg noch etwa 200 bis 300 Millionen Amalgamfüllungen. Jedes Jahr werden in der EU etwa 70 Tonnen Quecksilber für neue Füllungen verbraucht (20 Tonnen allein in Deutschland), einem Stoff, der laut Gefahrenstoffverordnung als sehr giftig eingestuft wird.

Wie wichtig es heute ist, Amalgamreste durch Separatoren z. B. aus dem Wasserkreislauf zu trennen, verdeutlichen Zahlen. Nur ein Gramm Quecksilber kann 1 Million Liter Wasser verunreinigen. Durch Fisch oder Meerestiere können diese Rückstände auch in den menschlichen Organismus gelangen. „Wenn wir Quecksilber in den Abwässern haben, dann kommt das zu 80-90 Prozent aus den Zahnarztpraxen“, so Dietrich. Die EU-Kommission plant deshalb eine Novelle der Klärschlammrichtlinie, die u.a. neue Richtwerte für Schwermetallrückstände (z.B. Quecksilber) im Klärschlamm aus Abwasserbehandlungsanlagen vorsehen, die in die Landwirtschaft verbracht werden sollen. Der Nachteil: wenn Klärschlamm nicht mehr in die Landwirtschaft geht, sondern verbrannt werden muss, wird das die Kosten für Abwasser massiv erhöhen.

Die gesetzliche Vorschrift zur Nutzung von Amalgamabscheidern an jeder zahnärztlichen Behandlungseinheit, die 1990 deutschlandweit in Kraft trat, ergab neben zusätzlichen Kosten aber auch die Problematik der Leerung und des Recyclings der Auffangbehälter. Einige Hersteller boten zunächst die Möglichkeit der Rücknahme über den Entsorger an. Dies wird jedoch seitens der Hersteller aus Gründen der Hygiene und der Betriebssicherheit nicht mehr unterstützt. Der Transport vom Zahnarzt zum Entsorger wird heute deshalb zum größten Teil mittels geprüfter Verpackungen auf dem Postweg organisiert. „Wir haben jedoch festgestellt, dass es rechtssicherere und bessere Möglichkeiten gibt, die Abfälle zu transportieren“, so Dietrich.

Mittels der bestehenden kostenfreien Rücknahmesysteme der Dental-Depots ist die Haftung während des Transports durch den Zahnarzt ausgeschlossen. Geeignete Umverpackungen sorgen zudem für mehr Sicherheit. Nach Aussage von Dietrich findet derzeit jedoch ein Informationsaustausch zu diesen Sachverhalten zwischen den Herstellern und der Bundeszahnärztekammer statt.

enretec selbst leistet nur die Vorstufe im Kreislauf der Amalgamentsorgung. „Wir öffnen die Behälter, entnehmen den Inhalt, sammeln den Schlamm, entfeuchten und trocknen diesen und geben ihn an spezialisierte Entsorgungsfachbetriebe wie die GMR weiter“, so Dietrich.

Die Leipziger Firma ging 1991 aus dem Kombinat Metallaufbereitung hervor, in dem schon zu DDR- Zeiten traditionell mit Quecksilber umgegangen wurde. In den ersten Jahren wurden hier hauptsächlich quecksilberhaltige Munitionsabfälle aus den Altbeständen der NVA entsorgt oder wiederverwertet. Heute hat sich das Unternehmen auf die zivile Verwertung von Altquecksilber und quecksilberhaltigen Abfällen spezialisiert. Das Zahnamalgam macht nach Angaben von Geschäftsführer Dr. Wolfgang Mothes etwa 7-8 Prozent des Gesamtjahresumsatzes aus.

Trendwende im Bereich Amalgam?
Martin Dietrich selbst sieht einen Wandel. „Die modernen, zahnfarbenen Materialien werden in Zukunft noch stärker nachgefragt werden. Ich denke, dass das Thema Amalgam als Einsatzstoff in der Zahnmedizin in Deutschland zunehmend an Bedeutung verliert. Derzeit geht die Menge an Amalgam, die wir jährlich entsorgen um 5-7 Prozent zurück. Man muss natürlich sehen, wie die Wissenschaft mit der Thematik umgeht. Solange Amalgam als unbedenklich eingestuft wird und als langlebigster Stoff für Zahnfüllungen anerkannt ist, wird es auch weiterhin von den Kassen subventioniert werden,“ fügt er hinzu.

Bei der GMR ist eine Trendwende noch nicht zu sehen: „Der vermeintliche Rückgang von Amalgam ist bei uns nicht zu merken“, so Mothes. Seit sechs Jahren erreicht die Firma ein konstanter Anteil an Amalgam. Etwa 30- 35 Tonnen gehen weiterhin in die Zahnamalgamproduktion. „Perspektivisch gesehen wird sich Quecksilber noch über viele Jahre im Rücklauf befinden“, erklärt Mothes. „Das kürzlich erhobene Exportverbot innerhalb der EU wird hieran wenig ändern. Was aber passiert, wenn das Quecksilber nicht wieder dem Kreislauf zugeführt wird? Wie kann dann eine sichere Deponierung gewährleistet werden? Hier müssen Lösungen gefunden werden, die die EU momentan nicht bereitstellt, “ so sein Fazit. Die gesetzlichen Krankenkassen empfehlen grundsätzlich weiterhin, das Metallgemisch für Füllungen zu verwenden, seit den 70er Jahren allerdings in seiner modernsten und sicherlich unschädlichsten Legierungsform "Non-gamma-2-Amalgam".

Während sich die Wissenschaftler streiten, befindet sich Amalgam in vielen industrialisierten Ländern auf dem Rückzug. In Schweden und Finnland verzichten Zahnärzte weitgehend auf die Metalllegierung. In den USA, Großbritannien und Australien ging der Verbrauch in den vergangenen Jahren zurück. Auch in Deutschland strichen mittlerweile die ersten Universitäten das Legen von Amalgamfüllungen aus ihrem Ausbildungskatalog, und viele Zahnärzte bieten die Metalllegierung mangels Nachfrage nicht mehr an. „Das Umweltbewusstsein ist bei den Zahnärzten sehr stark ausgeprägt und wird immer hochwertiger“, bilanziert Dietrich. Auch die gesetzlichen Bestimmungen werden sich in den kommenden Jahren weiter intensivieren.

Quecksilbertrennung – Wie sie funktioniert
Bei der GMR wird hierbei das Verfahren der vakuothermischen Demercurisierung angewandt. Die Destillation erfolgt in geschlossenen Vakuum-Anlagen. Das quecksilberhaltige Material wird in thermischen Öfen erhitzt, wobei nicht nur das Quecksilber, sondern auch Feuchtigkeit sowie die organische Substanz der Zähne verdampfen. Die organischen Bestandteile werden bei Bedarf in einer Nachbrennkammer unter Luft bzw. Sauerstoffzusatz bei Temperaturen von 800°C-1000°C thermisch oxidiert. Das Rohquecksilber wird anschließend in einem mehrstufigen Reinigungsprozess zu Quecksilber höchster Reinheit raffiniert.

Je nach Menge und Feuchtigkeit des Ausgangsmaterials variiert die Dauer des Verfahrens zwischen 48-60 Stunden. Die verbleibenden Edelmetalle werden in anderen Unternehmen weiterverarbeitet.

Quelle: Anke Schiemann/DTI, 09.12.08



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