Branchenmeldungen 11.10.2013
Aus der Praxis – für die Praxis: Kinderprophylaxe
Karen Friedt, Dipl. DH HF, und Kristina Schmidt, MPH, RDH, BSc, beide Dentalhygienikerinnen am zahnärztlichen prophylaxeZentrum der praxisHochschule für Gesundheit und Soziales in Köln, diskutieren die Bedeutung von Prophylaxemaßnahmen für Kinder.
Für eine lebenslange Mundgesundheit ist es zwingend notwendig, schon im frühkindlichen Alter mit Prophylaxemaßnahmen zu beginnen. Eine regelmäßige zahnärztliche Kontrolle ist ein wichtiger Bestandteil der allgemeinen Gesundheit. Die wiederkehrende prophylaktische Instruktion und Motivation sowie dentale und parodontale Früherkennungsmaßnahmen sind hierfür wichtige Voraussetzungen.
Laut der Vierten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS IV) 2006 ist ein deutlicher Rückgang der Karies zu verzeichnen. 70,1 Prozent der Kinder haben ein vollständiges Gebiss, welches frei von kariösen Läsionen und Füllungen ist. In der Dritten DMS 1997 wurden bei 12-jährigen Kindern durchschnittlich 1,7 Zähne als kariös befundet, während die DMS IV nur noch 0,7 Zähne mit Karieserfahrung dokumentiert. Die Ursachen für diesen Erfolg lassen sich auf die häufige Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasten, regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen, Fissurenversiegelungen und die Gruppenprophylaxe zurückführen (Institut der Deutschen Zahnärzte, 2006).
Findet keine Prävention statt, besteht die Gefahr, dass bereits vorhandene Läsionen zu spät oder nicht erkannt werden. Die Folgen unbehandelter Karies sind vielfältig und haben einen entscheidenden Einfluss auf den gesamten Gesundheitszustand und die Lebensqualität. Für Kinder kann dies erhebliche soziale und entwicklungsbedingte Nachteile mit sich bringen, darunter die Entwicklung der Sprache, das Kieferwachstum, Fehlstellungen im bleibenden Gebiss und natürlich die Ästhetik. Längerfristig entstehen den Eltern durch die verpasste Prävention hohe Kosten für Füllungen, Extraktionen, kieferorthopädische Therapien oder Logopädie. Die zeitaufwendigen Behandlungen führen zudem zu unnötigen Versäumnissen in der Schule und am Arbeitsplatz (Colak et al., 2013).
Kariesrisikofaktoren
Die Aufklärung der Eltern und der Kinder über sämtliche Risikofaktoren, welche zur Entstehung von Karies und anderen Erkrankungen in der Mundhöhle führen, müssen ein fester Bestandteil der Vorsorgeuntersuchungen sein (Ramos-Gomez & Ng, 2011). Das Risiko, neue kariöse Läsionen zu entwickeln, kann durch die individuellen mikrobiologischen Gegebenheiten, die Ernährung, individuelle Mundhygiene- und Fluoridierungsmaßnahmen, den sozioökonomischen Status und das individuelle Verhalten beeinflusst werden (Colak et al., 2013; American Academy of Pediatric Dentistry, 2013). Kurz nach der Geburt wird die zunächst keimfreie Mundhöhle mit Bakterien besiedelt. Es ist möglich, dass die Mutter beispielsweise durch Küssen, über den Schnuller oder auch durch das Ablecken des Breilöffels Karies verursachende Bakterien überträgt. So ist es tatsächlich die Mutter, die am häufigsten genau diese Bakterien an ihr Kind weitergibt (Marsh, 2006; Ramos-Gomez & Ng, 2011). Kariesbakterien, Streptococcus mutans und Lactobacillus sind in der Lage, aus fermentierbaren Kohlehydraten Säure zu produzieren. Diese Säure führt zur Demineralisierung der Zahnhartsubstanz bzw. zu Karies (Colak et al., 2013; Marsh, 2006). Bakterien haben die Eigenschaft, sich über Rezeptoren am Zahn anzuheften und sich in einem Biofilm zu strukturieren. Durch die Organisation der Bakterien im Biofilm und das Freisetzen ihrer Stoffwechselprodukte werden auch die entzündlichen Mechanismen der Gingivitis ausgelöst (Marsh, 2006).
Süßgetränke spielen bei der Entwicklung der Karies eine wesentliche Rolle. Kleinkinder, die häufig und lange an Flaschen mit zuckerhaltigen Getränken nuckeln, haben ein hohes Risiko, ein „nursing bottle syndrome“ zu entwickeln. Dieses Verhalten ist nachts noch riskanter, da während der Ruhephase der Speichelfluss und somit die natürliche Reinigung und Pufferfunktionen reduziert sind. Die Demineralisationsvorgänge können nun noch schneller voranschreiten. Personen, die häufiger über den Tag verteilt Zucker zu sich nehmen, können auch mehr kariöse Läsionen entwickeln als Personen mit niedrigem Zuckerkonsum (Colak et al., 2013; Marsh, 2006). Eine zu niedrige Fluorideinnahme durch lokale und systemische Quellen kann die Zahnhartsubstanz schwächen. Fluorid kann nur zur Remineralisation von bereits vorhandenen initialen Läsionen beitragen (American Academy of Pediatric Dentistry, 2013). Eine Assoziation mit frühkindlicher Karies findet man bei Kindern mit niedrigem sozioökonomischem Status, eingeschlossen Kinder aus ethnischen Minderheiten, die in Armut leben und von alleinerziehenden Müttern erzogen werden, ebenso wie aus Familien mit niedrigem Bildungsniveau oder Analphabeten. Häufig wird den Kindern ein kariesförderndes Ernährungsverhalten vorgelebt (Colak et al., 2013) oder die Wichtigkeit der Mundgesundheit und der regelmäßigen Besuche in einer Zahnarztpraxis wird nicht erkannt (Ramos-Gomez & Ng, 2011). Eine Risikobewertung dentaler und parodontaler Erkrankungen hilft bei der Prävention und vermeidet unnötige größere Behandlungen. Die Behandlungsplanungen und die Frequenz der präventiven und restaurativen Maßnahmen können somit individueller gestaltet werden (American Acadamy of Pediatric Dentistry, 2013). Die genannten Erkenntnisse betonen, wie wichtig es ist, die Bevölkerung über Kariesrisiken, Selbstmaßnahmen und präventive Angebote aus der Zahnarztpraxis zu informieren. Somit erhält jeder Patient die Möglichkeit vorzubeugen.
Professionelle und individuelle Maßnahmen
Bei der eingehenden zahnärztlichen Untersuchung und Befunderhebung werden die Kariesrisikofaktoren festgestellt, der Pflegezustand geprüft und kariöse Läsionen und andere Erkrankungen der Mundhöhle diagnostiziert (Ramos-Gomez & Ng, 2011). Ein Plaqueindex kann ein eindrückliches Motivationsmittel für Kind und Eltern sein. Problemstellen in der Mundhygiene können gezielt besprochen werden, um den Biofilm effektiv zu entfernen. Dabei werden die indizierten Putztechniken instruiert, die richtigen Interdentalhilfsmittel angepasst und geeignete Fluoridprogramme erstellt. Es ist besonders wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass sie Teil der Behandlung sind und selbst Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen müssen, um Karies und Gingivitis zu vermeiden. Kleinkinder können noch nicht selbst entscheiden, welches Ernährungsverhalten zahngesund ist. Daher sollten die Eltern über kariogene Nahrungsmittel und Getränke sowie versteckte Zucker informiert werden. Es muss deutlich gemacht werden, dass bei häufigem Zuckerkonsum auch häufig saure pH-Werte in der Mundhöhle bestehen, welche die Demineralisation der Zähne fördern. Ein nützliches zusätzliches Diagnosemittel, welches zu Beginn der Behandlung durchgeführt werden sollte, ist der Speicheltest. Er ermittelt das Vorhandensein von Karies verursachenden Bakterien und die Pufferkapazität des Speichels. Dies erlaubt Rückschlüsse auf das Kariesrisiko.
Nach der Befunderhebung und der Mundhygieneinstruktion erfolgt eine professionelle Reinigung und Politur, um Plaque und Zahnstein vollständig von den Zähnen zu entfernen. Abschließend findet eine Fluoridierung und eventuell eine Fissurenversiegelung statt. Je nach Risiko wird der individuelle Recallintervall festgelegt (Ramos-Gomez & Ng, 2011). Wenn die oben erwähnten präventiven Maßnahmen für Kinder Teil des Behandlungskonzeptes in der zahnärztlichen Praxis sind, kann die lebenslange allgemeine Gesundheit und Lebensqualität gefördert werden.
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