Branchenmeldungen 13.05.2014
DDHV-Kongress 2014
Am 5. April 2014 fand im Westin Grand Hotel in München der alljährliche DDHV-Kongress statt. Beate Gatermann eröffnete ihn mit einer Zusammenfassung über Neuerungen des Berufsstandes und begrüßte die wie gewohnt zahlreich vertretenen Aussteller.
Deborah J. Hofer (RDH, BS, EdM, CAS) veranschaulichte im ersten Vortrag anhand einiger Beispiele den Balanceakt zwischen „Treatment/Overtreatment: Wann ist weniger mehr?“. Das alte Paradigma der belagsfreien Zahn-/Wurzeloberfläche wird vom neuen Paradigma der minimalinvasiven Belagsentfernung und des Stören/Reduzieren des Biofilms abgelöst, da eine intakte Zementschicht für das Re-Attachment benötigt wird. Sie beleuchtete wahrscheinliche Orte für Belagsresiduen (Taschenfundus, Furkationen unter Kontaktpunkten, Schmelz-Zement-Grenze, nicht überlappende Arbeitszüge) und verglich Ultraschall- mit manueller Instrumentation: Effektivität und Oberflächenanrauung manuell und magnetostriktiv gleich (Ultraschall etwas schneller) – piezoelektrisch erhöhte Oberflächenanrauung vs. geringere Arbeitszeit (die jedoch durch das manuelle Nachglätten wieder eingefordert wird).
Da Konkremente schwer von Wurzelzement zu unterscheiden sind und momentan keine bessere Sensibilität als Sondieren eingesetzt werden kann, ist die Berücksichtigung eines möglichen Substanzabtrags enorm wichtig. Dieser ist abhängig von der Bearbeitungszeit, der Instrumentenqualität und -schärfe, der aufgewendeten Kraft und der Arbeitszug- sowie Recall-Frequenz. Besondere Vorsicht gilt bei diamantierten Ansätzen, welche nur in Einzelfällen zum Einsatz kommen sollten! Eine sehr sanfte Möglichkeit der professionellen Plaque- und Biofilmkontrolle stellen das Glycin- sowie das Erythritol-Pulver dar. Fehler im Ausüben der häuslichen Mundhygiene sollten im Recall regelmäßig durch Demonstrieren seitens des Patienten von der DH überprüft werden.
Der Stellenwert der häuslichen Mundhygiene ist – auch bei optimaler professioneller Betreuung – immens hoch, da die supragingivale Belagsfreiheit entscheidend für die Heilung in der Tiefe ist. Dies warf bei Dr. Norbert Salenbauch die Frage „Benötigen wir neue Konzepte erfolgreicher Hygienevermittlung?“ auf. Das wohlbekannte Konzept der Motivation empfindet er als überholt. Er fordert vielmehr eine Ermutigung, Hilfestellung und ganz wichtig eine „Motivschaffung“, denn ohne Motiv keine Handlung! Bestens geeignet ist hierfür das „Motivational Interviewing“ nach Miller und Rollnick 1989, welches eines der Fachgebiete von Christoph Ramseier ist. Wichtig ist hier das Bewusstsein, dass dies keine Methode ist, sondern eine individuelle Herangehensweise an eine mögliche Verhaltensänderung. Die Vorteile einer solchen Umgewöhnung sollen vom Patienten selbst herausgefunden werden. Dadurch können seine Ambition zu einer Verhaltensveränderung und das dafür benötigte Selbstvertrauen effektiver entstehen. Unterstützend lassen sich Plaque und Blutung zur wirksamen Visualisierung der vorhandenen Entzündung einsetzen, welche vom Patienten meist noch nicht einmal bemerkt worden ist! Auch individuell für und somit vor dem Patienten angefertigte Motivationszeichnungen wirken sehr prägnant. Die Mundhygiene-Demonstration selbst sollte immer im Stehen vor einem Spiegel erfolgen – die Mikromotorik ist besser und die Aufmerksamkeit höher. Lobende Elemente sind dabei essentiell und dürfen lieber zu viel als zu wenig angewendet werden! Dieses mitreißende Referat samt selbst produziertem Interdentalreinigungs-Motivationsfilm ließ DH-Herzen höher schlagen! Solch ein optimales Motivations-, Behandlungs- und jährliches Inhouse-Fortbildungskonzept aus Göppingen gibt es – NOCH – nur vereinzelt in Deutschland!
Dies dürfte unter anderem ein Grund dafür sein, dass die Diagnose „Periimplantitis“ laut Dr. Gordon John bei ca. 80 % der Patienten und ca. 50 % aller Implantate gestellt wird. Er gab einen Überblick zur Klassifikation von Mukositis und Periimplantitis (sowie deren Defektformen klinisch und radiologisch), erläuterte die Diagnose mittels Inspektion, Sondierung (axial!), Palpation und Perkussion (horizontal ans Implantat klopfen wichtig und v.a. nicht an die Krone!) und die verschiedenen Therapieformen nichtchirurgisch/chirurgisch sowie photothermisch/-dynamisch. Häufige Reinigungsprobleme entstehen durch die Faktoren bauchige Kronenform, Durchmesser Implantat geringer als Zahn, fehlendes befestigtes Gewebe (Pumpbewegung saugt Bakterien subgingival) und „sombreroförmige“ Teleskopkronen. Äußerst wichtig ist eine optimale Mundhygiene sowohl post-OP als auch regulär, welche unbedingt individuell angepasst werden muss!
Nach dem gewohnt reichhaltigen und sehr feinen Mittagsbüfett war Zeit für die Produktinformation und den Besuch der zahlreichen Aussteller, bevor Dr. Stefan Neumeyer über „Regeneration und Erhalt parodontaler und alveolärer Gewebestrukturen durch orthodontische Extrusionstechniken“ referierte. Dieses implantatvorbereitende, spezielle Verfahren besticht im Wesentlichen durch die klar nachzuweisende Evidenz, welche bei spezifischen Biomaterialien und/oder chirurgischen Konzepten nicht in dem Maße eindeutig seien. Vor allem die alveoläre Blutversorgung und der Erhalt der bukkalen Knochenlamelle seien noch optimierbare Faktoren. Bei einer Replantation ist die Alveole jedoch beinahe in toto zu erhalten – vor allem der bukkale Faserapparat zu 98 Prozent – und durch die Extrusion erfolgt ein biologisches versus chirurgisches Gewebsmanagement. Das parodontale Ligament „dockt“ nach vier Tagen wieder an und bleibt so zum größten Teil intakt. Erstaunlich schnell folgt der Knochen nach: Nach einem Monat 1 mm, nach zwei Monaten 1,5 mm; im Oberkiefer wie gewohnt langsamer, dort erfolgt nach sechs Wochen, im Unterkiefer nach vier Wochen, eine primäre Osteogenese. Nachteile sind ausschließlich die Konkrementbildung und eine unbedingt erforderliche Wartezeit zur Implantation, da Proteoglykane das Implantatbett schädigen.
Dr. Tobias Thalmair rundete mit seinem Vortrag „Modernes PA-Konzept – was kommt nach der DH …“ den Tag ab. Eine persistierende Taschentiefe größer/gleich 6 mm indiziert aufgrund mangelnder Erreichbarkeit eine chirurgische Weiterbehandlung, d.h. eine Reinigung unter Sicht. Vor allem vertikale Defekte lassen sich hierbei sehr erfolgreich mikrochirurgisch (also möglichst minimalinvasiv) regenerieren, wobei der Entscheid einer chirurgischen Intervention auf bis zu zwölf Monate nach der Initialtherapie ausgedehnt werden sollte. Zu oft wird zu schnell operiert und wirklich minimalinvasiv ist nur eine nichtchirurgische Therapie. Anhand einiger Patientenfälle veranschaulichte er lebhaft die potenziell hohe Implantatüberlebensrate von über 90 Prozent in Parodontitispatienten. Vor allem okklusal verschraubte Implantatkronen vermeiden einen Hauptauslöser einer Mukositis/Periimplantitis: Verbleibende Zementreste, welche oft auch auf Zahnfilmen übersehen werden bzw. schwer erkennbar sein können.
Autorin: Regine Bahrs, Dipl. DH HF