Branchenmeldungen 09.11.2012
Deutscher Zahnärztetag formuliert Forderungen an die Politik
Im Rahmen der Pressekonferenz zum Deutschen Zahnärztetag, der parallel zur id mitte in Frankfurt stattfindet, forderten die BZÄK, die KZBV und die DGZMK, dass die zahnmedizinsiche Ausbildung und die präventionsorientierte Versorgung langfristig gesichert werden müssen. An der Pressekonferenz nahmen BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel, DGZMK-Präsident Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake sowie der Vorstands-Vorsitzende der KZBV, Dr. Jürgen Fedderwitz teil.
Zahnmedizinische Ausbildung und präventionsorientierte Versorgung langfristig sichern
Vor einer „staatlichen Bevormundungsmedizin“ hat der Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Dr. Peter Engel, anlässlich des Deutschen Zahnärztetages gewarnt und den Erhalt des dualen Versicherungssystems gefordert. „Jeder Bürger hat eine hochwertige zahnmedizinische Versorgung auf aktuellem wissenschaftlichen Stand verdient“, erklärte Dr. Engel auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der BZÄK, der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) heute in Frankfurt am Main. Die im Vorwahlkampf wieder aufkeimende Idee einer Bürger- oder Einheitsversicherung, die das bestehende System aus Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung ablösen soll, stelle nur scheinbar eine Alternative dar. Die Folgen wären eine Einschränkung der ärztlichen Therapiefreiheit und eine Reduktion der Leistungen auf das Nötigste. „Die Bundeszahnärztekammer fordert Gesundheitspolitik und Kassen daher auf, gemeinsam das duale Versicherungssystem zukunftsfest zu machen und so mit all seinen Vorteilen zu erhalten.“
Impressionen aus Frankfurt am Main
Reformiertes duales System als Garant für hochwertige Patientenversorgung
Ein
reformiertes duales Versicherungssystem ist nach wie vor Garant für
eine hochwertige Patientenversorgung und wichtiger Motor für den
wissenschaftlichen Fortschritt in der Zahnmedizin. Davon profitierten
alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig davon, ob sie Privat- oder
Kassenpatient seien. Dr. Engel verwies auch auf die Bedeutung der
Qualitätsförderung durch Zahnärztekammern auf Basis der
Heilberufsgesetzgebung der Länder, die der Berufsstand auch im
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wahrnehme. Dazu zähle auch, die
Forschung zunehmend an aktuellen versorgungspolitischen
Herausforderungen auszurichten. Die evidenzbasierte Zahnmedizin stelle
hierfür – auch für die Arbeit im G-BA - eine gute Grundlage dar. Die
Verbesserung der Mundgesundheit der deutschen Bevölkerung sei eine
Erfolgsstory, die auch auf die tägliche Präventions- und
Aufklärungsarbeit der Zahnärzteschaft zurückzuführen sei. „Zahnärzte
sind heute längst mehr als nur für die Mundgesundheit zuständig. Sie
können bei Kontrolluntersuchungen nicht nur Karies oder Parodontitis
erkennen, sondern spielen im Sinne einer ganzheitlichen Medizin auch bei
der Früherkennung und Behandlung von bedeutenden Allgemeinerkrankungen
wie Rheuma, Diabetes und Krebs eine immer wichtigere Rolle“, führte
Engel weiter aus.
Zahnmedizin an den Hochschulen steht vor großen Herausforderungen
„Die
Zahnmedizin an den Hochschulen steht in Deutschland in den Bereichen
Lehre und Forschung weiter vor großen Herausforderungen“, warnte der
Präsident der DGZMK, Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake. Der Repräsentant
der wissenschaftlichen zahnmedizinischen Dachorganisation in
Deutschland wies auf die dringende Notwendigkeit einer Neugestaltung der
Lehre sowie einer verbesserten staatlichen Unterstützung in der Lehre
hin. Er beklagte, dass trotz bereits sechsjähriger Verhandlungen der
Entwurf einer neuen Approbationsordnung wegen der Blockade einzelner
Länder immer noch nicht verabschiedet worden sei. „Das ist nicht nur
schmerzhaft für die Zahnmedizin, sondern wirkt sich auch irgendwann auf
die Versorgungsrealität aus. Es geht hier ja um die Vermittlung
moderner, wissenschaftlich fundierter Konzepte für die spätere
praktische Tätigkeit, von denen die Patienten profitieren sollten“,
erläuterte Prof. Schliephake. Die Zahnmedizin sei der Politik in Bezug
auf die Inhalte der Approbationsordnung mit der Schaffung eines
Nationalen Lernzielkatalogs der Politik bereits einen Schritt voraus und
berücksichtige hierbei auch die medizinisch evidente Integration der
Zahnmedizin in die Medizin und das hierfür erforderliche
interdisziplinäre Denken.
Auflösung politischer Blockaden gemeinsam mit der Medizin
Gemeinsam
mit der Medizin müsse es in Zukunft auch um die Auflösung politischer
Blockaden im Bereich der Finanzierung der Hochschulmedizin und damit
auch der Zahnmedizin gehen. Dies betreffe besonders auch die Forschung,
die nahezu ausschließlich aus kompetitiven begutachteten Drittmitteln
finanziert werde. Die politische Forderung nach gesteigerter
evidenzbasierter Behandlungsqualität sowie die Forderung von
Patientenvertretern nach mehr industrieunabhängigen Studien seien nicht
zum Nulltarif zu haben. „Die dafür erforderlichen nicht gesponserten
Studien, die sogenannten „investigator initiated studies“, haben bei
Einhaltung eines methodisch international geltenden Qualitätsstandards
einen hohen Finanzbedarf“, stellte Prof. Schliephake fest. Es sei eine
Illusion zu glauben, dass alle Fragen von Patienteninteresse nur durch
begutachtete Drittmittel wissenschaftlich unabhängig beantwortet werden
können. Weiter kündigte Prof. Schliephake die künftige Förderung der
Forschung in der Zahnmedizin durch die Einrichtung einer
Wissenschaftsagentur an. „Doch neben diesen eigenen Aktivitäten werden
wir auch in Zukunft darauf angewiesen sein, dass der Staat sich zu
seiner Verantwortung für die Qualität von evidenzbasierter Medizin und
Zahnmedizin bekennt. Und endlich entsprechend handelt.“
Versorgungslücken frühzeitig erkennen und schließen
Die
KZBV hat auf ihrer gestern Abend zu Ende gegangenen
Vertreterversammlung eine intensive Zukunftsdiskussion geführt und mit
der „Agenda Mundgesundheit“ ihre Versorgungsziele für die nächsten Jahre
definiert. Dazu sagte der Vorsitzende des Vorstandes der KZBV, Dr.
Jürgen Fedderwitz: „Wir haben die Vision, dass die Menschen in
Deutschland auch bei steigender Lebenserwartung und erhöhtem
individuellen Erkrankungsrisiko ihre natürlichen Zähne bis ans
Lebensende gesund erhalten können. Damit diese Vision Wirklichkeit
werden kann, müssen wir unsere Präventionsstrategie, die bei Kindern und
Jugendlichen so erfolgreich war, auf alle Lebensphasen ausdehnen. Dabei
muss der Patient mit seinem Betreuungsbedarf im Zentrum allen
zahnärztlichen Handelns stehen.“ Die Vertragszahnärzteschaft, so
Fedderwitz weiter, müsse Versorgungslücken frühzeitig erkennen und
schließen. „Deswegen müssen wir uns bereits um unsere jüngsten Patienten
intensiver kümmern. Wir stellen fest, dass die frühkindliche Karies
zunimmt. Wir wissen, dass die Hälfte aller Kariesfälle, die bei der
Einschulung festgestellt werden, bereits in den ersten drei Lebensjahren
entstanden sind. Wir wollen mit einer präventiv ausgerichteten
Betreuung aber auch die Parodontitisfrüherkennung verbessern und eine
risikoorientierte Nachsorge sichern.“
Demografischen Wandel bewältigen
Es gebe, so Fedderwitz, außerdem immer mehr Patienten, die aufgrund von Pflegebedürftigkeit oder Behinderung keine eigenverantwortliche Mundhygiene mehr betreiben bzw. nicht mehr in die Zahnarztpraxis kommen können. „Wir haben deshalb vor zwei Jahren gemeinsam mit der Bundeszahnärztekammer und der Wissenschaft ein Versorgungskonzept unter dem Titel ‚Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter‘ vorgestellt. Der Gesetzgeber hat bereits erste Schritte zu seiner Umsetzung eingeleitet. Wir werden voraussichtlich zum Jahreswechsel eine neue Position für die aufsuchende zahnmedizinische Betreuung von immobilen Patienten im gesetzlichen Leistungskatalog umgesetzt haben. Was aber bislang gänzlich fehlt, ist ein systematisches Präventionsmanagement für die Betroffenen. Man muss ihnen die spezifischen Betreuungsleistungen zur Verfügung stellen, die sie in ihrer besonderen Situation brauchen. Da haben wir noch eine längere Wegstrecke vor uns.“
Quelle: BZÄK