Branchenmeldungen 17.09.2024

Drei Fragen an Carolina van der Bosch zur Vorstandsarbeit

Drei Fragen an Carolina van der Bosch zur Vorstandsarbeit

Foto: Jörg Puchmüller; engel.ac – stock.adobe.com

Ab Januar 2025 wird Carolina van der Bosch Mitglied im Vorstand der KZV Hessen sein. Mit ihren dann 37 Jahren bei Amtsantritt wird Sie nicht nur die erste Frau, sondern auch das jüngste Mitglied im Vorstandsteam sein. Wir haben Sie zu Ihren Motiven und Visionen befragt.

Frau van der Bosch, Sie werden als erste Frau ab Januar 2025 stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der KZV Hessen sein. Welche Erfahrungen aus Ihrer bisherigen Tätigkeit als Vorstandsbeauftragte für Qualitätsförderung und -prüfung bei der KZV Hessen nehmen Sie in Ihre neue Funktion mit?

Aus meiner bisherigen Tätigkeit weiß ich vor allem, dass es für das Amt im Vorstand mehr braucht als nur zahnmedizinischen Sachverstand, wenngleich dieser auch wichtig ist. Die zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften und die politischen Gepflogenheiten sind sehr komplex und erfordern neben einer gewissen Affinität zu Gesetzestexten vor allem Erfahrung im Umgang und der Anwendung in unserem Bereich. Diese Erfahrung bringe ich bereits mit und kann sie mit Beginn meiner Tätigkeit als stellvertretende Vorstandsvorsitzende direkt anwenden. In meiner bisherigen Tätigkeit als Beauftragte des Vorstandes habe ich bereits vertrauensvoll mit dem amtierenden Vorstand zusammengearbeitet. Daher bin ich davon überzeugt, dass wir uns auch als zukünftig dreiköpfiges Vorstandsteam weiterhin gut ergänzen werden und im Sinne unserer Mitglieder die Zukunft der Zahnärzteschaft erfolgreich mitgestalten können.

Wie sehen Sie Ihre weibliche Pionierrolle im Vorstand der KZV Hessen und welche Akzente möchten Sie setzen, um die Geschlechterdiversität und die sichtbare Beteiligung junger Zahnärztinnen in der Organisation zu fördern?

Ich finde es schade, dass die Tatsache, dass ich eine Frau bin, so sehr in den Fokus gestellt wird. Einer der Gründe dafür ist sicher der Umstand, dass es viel zu wenige weibliche Führungskräfte gibt. Auch die zahnärztliche Selbstverwaltung ist aktuell (noch) eine Männerdomäne. Sicher braucht es als „Pionierin“ ein gewisses Durchsetzungsvermögen und auch ein bisschen mehr Überzeugungskraft in einem männlich geprägten Umfeld. Ich sehe es auch als meine Verantwortung, eine gute Grundlage für alle nachfolgenden weiblichen Kolleginnen in der hauptamtlichen Selbstverwaltung zu schaffen. Diese Herausforderung nehme ich sehr gerne an, denn mir liegt viel an unserem zahnärztlichen Berufsbild. Wir stehen in den nächsten Jahren vor enorm großen Herausforderungen: Der demografische Wandel ist bereits heute – bisher vor allem in ländlichen Regionen – ein großes Thema, das uns in den kommenden Jahren sehr beschäftigen wird. Es ist erforderlich, den zahnärztlichen Beruf in der Niederlassung wieder attraktiver zu machen – und das vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und einem nicht auskömmlich finanzierten Sozialsystem. Das ist herausfordernd und benötigt einen wachen Geist und neue Konzepte. Wo wir als Vorstand unmittelbar ansetzen können, ist die bürokratische Belastung, der unsere Kolleginnen und Kollegen immer mehr ausgesetzt sind. Durchschnittlich verbringen sie bis zu 20 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie. Diese Zeit fehlt am Behandlungsstuhl! Die aktuellen politischen Bestrebungen und die fehlgeleitete Digitalisierung verunsichern gerade unseren potenziellen Nachwuchs noch zusätzlich. Es mangelt unseren Kolleginnen und Kollegen schlicht an Planungssicherheit. Wer sich für diesen Berufsweg entscheidet, möchte in die Versorgung und nicht mit Bürokratie vom Behandlungsstuhl an den Schreibtisch gezwungen werden. Der zahnärztliche Beruf wird zunehmend weiblicher: Rund zwei Drittel der Studienanfänger im Fach Zahnmedizin sind Frauen. Gerade wir Frauen bzw. Mütter – aber auch immer mehr Väter – möchten effizient arbeiten können, um unseren Beruf mit der Familie vereinbaren zu können. Dafür ist es wichtig, dass wir diese Interessen politisch vertreten und konstruktiv – an den wichtigen Stellen, aber auch maßgeblich – mit der Politik zusammenarbeiten.

Welche Ziele haben Sie sich in Ihrer neuen Funktion für Ihre Amtszeit gesetzt, um die Qualität und Effizienz der zahnärztlichen Versorgung in Hessen weiter zu verbessern?

Sinnvolle politische Entscheidungen brauchen unsere fachliche Expertise: Wir sollten bei Entscheidungen, die unseren Berufsstand betreffen, angehört und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden! Digitalisierung, die entlasten soll, muss durch uns ausreichend getestet sein und mitgestaltet werden! Nur so können wir alle gemeinsam mögliche Versorgungsdefizite eindämmen. Beim Bürokratieabbau geht es aber nicht nur um die zeitliche Entlastung, sondern auch um das fehlende Vertrauen in unseren Berufsstand. Qualitätsprüfung und -förderung in einem so verantwortungsvollen Beruf wie dem unsrigen sind wichtig. Es braucht aber auch das richtige Maß und moderne Umsetzungswege, die möglichst wenig Mehrbelastungen für unsere Praxen bedeuten. Ich sehe es auch als Aufgabe des Vorstandes, dem durch zahlreiche, oft praxisferne Gesetze, Bestimmungen und Sanktionsvorgaben mitschwingenden Generalverdacht gegen unsere Zahnärztinnen und Zahnärzte entgegenzuwirken.

Misstrauen gegenüber unserem Berufsstand ist sicher kein Anreiz für die Entscheidung, diesen Beruf zu ergreifen und in die Niederlassung zu gehen. Ich hinterfrage alle Strukturen und Vorgänge, mit denen ich in meiner Tätigkeit für die Zahnärzteschaft konfrontiert bin, und versuche stets unter Einbeziehung aller Akteure und Aspekte, das Beste herauszuholen. Die KZV Hessen plant derzeit, die verpflichtende Befragung zum Qualitätsmanagement künftig online durchzuführen. Die Abfragesystematik wird dadurch deutlich intuitiver und zeitsparender sein – nicht nur für die Praxen, sondern auch für uns als Selbstverwaltung. Es ist unsere Verantwortung, mit den bestehenden Ressourcen sinnvoll umzugehen. Viele Dinge werden zwar auf Bundesebene entschieden, es gibt aber Spielräume, die wir trotz begrenzter Budgets und Ressourcen nutzen können und müssen. Das werde ich auch tun und so meinen Teil dazu beitragen, dass sich unsere zahnärztlichen Kollegen den bestehenden und zukünftigen Herausforderungen erfolgreich stellen können. Die Zukunft unseres zahnärztlichen Berufes mitzugestalten, war und ist meine Hauptmotivation.

Dieser Artikel ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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