Branchenmeldungen 26.09.2022
Ehrenamtlich nach Peru: Ein ganz besonderer Hilfseinsatz
Ein Bericht von Erika Segalyte
Während meines Hilfseinsatzes hat mich Peru auf viele Weisen überrascht. Einerseits kann man an fast jedem Kiosk und Stand mit einer Kreditkarte zahlen, auf der anderen Seite sieht man, wie Armut die Menschen zeichnet. Die Straßen sind geschmückt, die Läden und Märkte verschönert in allen möglichen Farben. Der Kontrast könnte nicht größer sein, die jüngere Generation geprägt von den sozialen Medien, Smartphones und Trends des Westens, aber auch von der stark traditionellen Gesellschaft, der Musik, der alten Sprache „Quechua“. Als ich das erste Mal „Urubamba“ bei Google eingab, hätte ich mir niemals ausmalen können, wie viel mir diese kleine Stadt im heiligen Tal fürs Leben mitgibt. Nicht nur peruanische, sondern auch neue deutsche Freunde habe ich gefunden. Das werde ich niemals vergessen.
Die Erfahrung macht es leichter
Die Entscheidung, auf einen Hilfseinsatz zu gehen, fiel lange vor meiner Approbation. Schon während meiner Studienzeit in Litauen spielte Freiwilligenarbeit eine große Rolle. Ich entschied mich, erst nach meinem Vorbereitungsjahr nach Peru zu gehen, um den Patienten schon mit einer nötigen Erfahrung gegenüberzustehen. Ich fühlte mich in dieser Entscheidung bestärkt, als ich während der Kampagnen merkte, wie viel Improvisation in einem Hilfseinsatz steckt. Durch die Zusammenarbeit frisch examinierter Zahnmediziner und jener mit Berufserfahrung hatte man einsicheres Gefühl beim Behandeln und so konnten alle profitieren. Bei der Entscheidung, wohin es geht, stand nicht das Land im Vordergrund, sondern der Verein, der meinen Hilfseinsatz organisieren würde. Durch verschiedene Umfragen kam ich schnell auf den Verein „Zahnärzte helfen e.V.“ und Dr. Norbert Reiß, der sich umgehend mit mir in Verbindung setzte. In dem Moment war es klar – es geht nach Peru.
Im Team der „Dentistas Alemanes“
Während des Einsatzes hatten wir zwei aktive Kampagnen vor Ort, in Yucay und Ccotohuincho, den eher ärmlichen Gebieten in Urubamba. Außerdem wurden wöchentlich Ganztagskampagnen in Berggebieten, die weiter weg lagen, organisiert. Insgesamt gibt es vier Behandlungseinheiten, die auf die Kampagnen mitgenommen und aufgestellt wurden. Außer ein paar Problemen mit dem Saugsystem hatten wir soweit keine Schwierigkeiten. Wir waren ein super Team: zusammen mit unserer Zahnärztin vor Ort, die uns immer über die Schulter blickte, und ihrer Assistentin, die zu unserem Glück ein wenig Englisch sprach und oft bei der Aufklärung der Patienten half. Normalerweise kommen jeden Monat neue Volunteers nach Urumba. Ich gehörte allerdings zu der Gruppe, die nach einer zweijährigen „Corona-Pause“ wieder durchstarten durfte, das merkte man nicht nur an manchen Startschwierigkeiten, sondern auch an den Leuten vor Ort, die sich umso mehr darüber freuten, dass die „Dentistas Alemanes“ wieder da sind. Das Projekt durfte sich in den letzten Jahren über Aufmerksamkeit freuen. Die Gemeinden in den Anden werden z. B. durch verschiedene Radiosender über die Kampagnen informiert. Dafür und für die „Arbeit hinter den Kulissen“ ist der Verein „Corazones para Perú“ zuständig, ein Verein, mit dem „Zahnärzte helfen e.V.“ in enger Zusammenarbeit steht.
Kein Tag wie der andere
Eine Kollegin, die ihren Hilfseinsatz im Juni 2022 plante, kontaktierte mich und fragte: „Wie sieht der Alltag dort aus?“ – Kein Tag ist wie der andere, selbst wenn man an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zur gleichen Kampagne fährt. Die Aufteilung erfolgte eine Woche vorher und man hatte einen ungefähren Plan, wo es hingeht. Der Tag startete früh, da man auf das frische Obst vom Markt nie verzichten wollte. Mit dem „Colectivo“ oder „Moto“ ging es dann zu den lokalen Kampagnen, die gegen 9 Uhr starteten. Für die Ganztagskampagnen wurde ein Transportmittel organisiert. Man wurde von den wartenden Patienten empfangen, die zum Teil einen Fußweg von zwei bis vier Stunden hingelegt hatten. So begannen wir mit den Behandlungen: zuerst die Kinder, danach die Erwachsenen. Da wir kein Röntgengerät vor Ort hatten, konnten wir keine Wurzelkanalbehandlungen anbieten. Prothetische Arbeiten konnten wir ebenfalls nicht vornehmen. Überwiegend erfreuten wir uns an konservierender Therapie, Extraktionen und viel Prophylaxe. Es wurde viel Wert auf Zahnreinigungen gelegt. Einmal führte ich eine Extraktion draußen durch, da wir nur über einen Behandlungsstuhl verfügten und die Patientin eine lange Wartezeit hatte. Die Kampagnen gingen zwar bis 14 Uhr, allerdings fanden wir es schwierig, die Patienten wieder nach Hause zu schicken, also blieben wir meistens bis in den späten Nachmittag.
Jeder, der auf einen Hilfseinsatz gehen will, muss dazu auch bedenken, dass das Aufbereiten, Verteilen und Organisieren der Materialien und Instrumente zur Freiwilligenarbeit gehört. Es sind nicht nur die Behandlungen, sondern auch viel Hintergrundarbeit. Das ist die Realität und das macht die Arbeit aus. Die Patienten hinterfragten unsere Vorhaben und Behandlungen nie, was uns allerdings nicht von einer vernünftigen Aufklärung und Ethik abhielt. Die Patienten zeigten eine enorme Dankbarkeit und Vertrauen in uns Ärzte, was uns ein unglaubliches Selbstvertrauen und Sicherheit gab. Als Zeichen Ihrer Dankbarkeit überraschten sie uns mit selbst gebackenem Brot, verschiedenen Früchten oder frischem Wasser. Genau darum geht es doch bei Freiwilligenarbeit – man erwartet nichts zurück und doch wird einem etwas gegeben, was alles Materielle überwiegt.
Praktizieren auf 4.200 Meter Höhe
Ein Highlight meines vierwöchigen Hilfseinsatzes war ganz bestimmt die Kampagne in Quelqanja, einer Gemeinde mit 120 Familien auf 4.200 Meter Höhe. Schon der Weg dorthin, hoch in das Gebirge der Anden, war atemberaubend. Wir behandelten in einem Schulgebäude, die Patienten erschienen meist in bunter, traditioneller Kleidung, sprachen nur Quechua (also kein Spanisch). Die Kinder standen alle beisammen am Eingang und schauten uns gespannt zu, drängelten vor, um das Geschehen besser beobachten zu können. Wir teilten uns auf und einige aus der Gruppe übten das Zähneputzen mit ihnen, verschenkten Zahnbürsten und Zahnpasta, während ihre Eltern behandelt wurden. Da wir uns immer noch in einer Pandemie befinden, blieb das Coronavirus auch bei uns in der Gruppe nicht aus. Direkt nach der Anreise und einem positiven Schnelltest musste sich eine freiwillige Zahnärztin isolieren. Die Organisation, die PCR-Tests und der Kontakt zu Dr. Reiß verliefen reibungslos, so konnte unsere Arbeit kompromisslos weiterlaufen.
Peru hat viel zu bieten
Ich habe neue Kollegen kennengelernt, die das gleiche Mindset teilen wie ich. Solch eine Gruppe zu treffen und zusammenzuarbeiten und zu leben, wünsche ich jedem. In unserer Freizeit haben wir die Natur Perus in vollen Zügen genießen können und Urubamba hat unglaublich viel zu bieten. Die Einheimischen, die wir dort kennenlernten, sind sehr warme, nette und zuvorkommende Menschen. Wir waren oft zusammen wandern und haben viel unternommen, was alles andere als touristisch war. So konnten wir das wahre Peru erleben. Außerdem gab uns unsere Gastgeberin Jennie, die uns beherbergte, ebenfalls viele Tipps zur Umgebung. Jedem, der es erwägt, einen Hilfseinsatz zu absolvieren, kann ich „Zahnärzte Helfen e.V.“ sehr empfehlen.
Peru ist ein buntes Land. Ich danke dem Verein „Zahnärzte helfen e.V.“ für diese Erfahrung und die Organisation der Hilfseinsätze. Ich bin sehr glücklich darüber, nun ein Mitglied des erweiterten Teams geworden zu sein und die Social-Media-Kanäle des Vereins verwalten zu dürfen. Den nächsten Hilfseinsatz plane ich schon für das nächste Jahr. Peru, du bist ein vielfältiges Land und wir sehen uns bald wieder.