Branchenmeldungen 21.02.2011
Erbgut-Analyse: Fünf Gene für die Zähne
Forscher identifizieren verantwortliche Gene für frühes Zahnwachstum.
Leider wachsen Zähne nicht einfach nach. Japanischen Wissenschaftlern ist es zwar vor geraumer Zeit gelungen, aus einzelnen Zellen fehlende Schneide- und Backenzähne in den Kiefern von Mäusen nachwachsen zu lassen, doch noch ist diese Methode weit davon entfernt, auch beim Menschen zum Einsatz zu kommen.
Londoner Forscher haben nun neue Erkenntnisse über das Wachstum von Zähnen gewonnen. Sie fanden heraus, dass die Zahnentwicklung in den ersten Lebensjahren maßgeblich von einer Gruppe von fünf Genen beeinflusst wird. Wie Marjo-Riitta Jarvelin vom Imperial College und Kollegen im Fachmagazin "PLoS Genetics" berichten, spielen diese Gene auch eine tragende Rolle bei der Bildung von Gebiss und Gliedmaßnahmen.
Sind die Gene beschädigt, bedeute das für die Betroffenen im weiteren Leben unter Umständen eine ganze Reihe von Problemen, schreiben die Wissenschaftler. Abweichungen in der Zahnentwicklung halten den Rekord unter den Fehlbildungen: Bei einem Zehntel aller Menschen bereitet die Ausbildung der 32 Kau- und Beißwerkzeuge Probleme. Um deren Ursachen ausfindig zu machen, setzten die finnischen und englischen Forscher an einem bekannten Faktum an: Der Zeitpunkt, an dem Kinder ihre ersten Zähne bekommen, ist zu 70 Prozent erblich bedingt.
Bei Babys mit Genvariante wachsen Zähne später
In einem Großprojekt erfassten sie statistisch das Zahnen und die Anzahl der Zähne zum Zeitpunkt des ersten Geburtstags von 4564 nordfinnischen und 1518 westenglischen Kindern. Diese frühe Phase der Entwicklung ist entscheidend für die endgültige Ausprägung des Gebisses, schreiben die Wissenschaftler. Zusätzlich wurde das gesamte Genom der über 6000 Menschen analysiert und über den Zeitraum von der Schwangerschaft bis zum Erreichen des Erwachsenenalters kontrolliert. Bei der Massenuntersuchung sind im Raster der Wissenschaftler fünf Gene hängengeblieben, die für das Zahnwachstum verantwortlich sind. Und weil Genvarianten einen Teil des Risikos für Erkrankungen tragen, spürten die Forscher auch gleich den möglichen Auswirkungen dieser Defekte nach: Eine der Genvarianten erhöht beispielsweise das Risiko um 35 Prozent, dass der Betroffene im Alter von 30 Jahren eine kieferorthopädische Behandlung auf sich nehmen muss.
Zu noch dramatischeren Konsequenzen führen Defekte bei vier der «Zahn-Gene»: Sie stehen unter dem Verdacht, Krebs auszulösen. Die Zahnentwicklung ist nämlich kein isoliertes Ereignis, sondern folgt den Pfaden des frühen Wachstums von Gliedmaßen und Organen. So unterstützen die fünf Zahn-Gene beispielsweise auch die Ausbildung des Kiefers, der Ohren, Finger und Zehen sowie des Herzens.
Der nun offengelegte Einfluss des Erbguts auf das Zahnwachstum wird nach Meinung von Studienleiter Jarvelin neue Wege öffnen in der frühzeitigen Behandlung von Zahn- und Gebissproblemen, auch werde sich die Vorsorge verbessern lassen. «Kennen wir die bestimmenden genetischen und umweltbedingten Faktoren für die menschliche Entwicklung, so erweitert das auch unser Verständnis für das Entstehen von Erkrankungen, an denen wir im späteren Leben leiden», erklärt Jarvelin. «Wir hoffen außerdem, dass wir auf dieser Basis genauer beurteilen können, warum das Wachstum des Fötus ein so wichtiger Umstand in der Entwicklung vieler chronischer Krankheiten zu sein scheint.»
Quelle: ddp, Spiegel.de 01.03.2010