Branchenmeldungen 28.02.2011

„Fehlerteufel“ in der adhäsiven Zahnmedizin



„Fehlerteufel“ in der adhäsiven Zahnmedizin

Foto: © Dr. Lothar Frank

Vom Praktiker für Praktiker

Ursachen und häufigste Fehler, aufgezeigt von Dr. Markus Lenhard an einem Abendseminar der fortbildung Rosenberg. Dr. Lothar Frank war für Sie dabei.

Dr. Markus Lenhard, Niederneunforn, begeisterte auch an diesem Abend im „Au Premier“ Zürich das Publikum mit seinem praxisnahen Vortrag. Ohne Umschweife stieg er direkt in das Thema und das damit verbundene Problem der Schrumpfung der Komposite ein. „Wer seine Kompositfüllungen im Recall kritisch betrachte“, so meinte er, „kann bisweilen die Folgen der Schrumpfung beobachten“: Weisse Linien beispielsweise zeigen einen schlechten oder nicht (mehr) vorhandenen Haftverbund. Die Fraktur einer Restauration ist auf den schlechten, nicht mehr gegebenen Verbund zwischen geschichteten Füllungsanteilen oder zumeist von Füllung zum Zahn zurückzuführen. Nach seiner Meinung liegt dies oftmals auch daran, dass bei grossem Isthmus der Höcker eines Molars eher gekürzt werden sollte. Denn ab einem Abstand von etwa 1 Millimeter von der Höckerspitze wird damit auf die verbleibende Zahnhartsubstanz ein enormer Schrumpfungsstress übertragen, ausserdem lassen sich die Schmelzprismen nicht mehr im Winkel von etwa 45 Grad anschrägen. Kappt man die Höckerspitze, so lässt sich dies vermeiden. Dem erfahrenen Praktiker ist diese Situation wohl bekannt, vor allem, wenn man Amalgamrestaurationen entfernt, die noch nach der Regel „extension for prevention“ grosszügig ausgedehnt wurden.

Treten solche Phänomene in der Front auf, so ist dies natürlich noch schlechter, sofern auch die Ästhetik darunter leidet. Lenhard empfiehlt deshalb einen horizontalen, konvexen Wellenschliff mit einem Feindiamanten. Ansonsten werden die Ränder der Restauration sichtbar, da die Streuung des Lichtes an der Grenzfläche Komposit zu Zahn auffällt.

Wie auch die meisten Kompo­sit­hersteller nicht mehr alle Farben im Programm haben, so ist auch Lenhard der Meinung, dass es beim ästhetischen Gelingen einer Frontfüllung weniger auf die Farbe als auf das Mass an Transluzenz ankommt.

Gründe postoperativer Schmerzen

Auch für das Auftreten von postoperativen Schmerzen nach dem Legen von Kompositfüllungen ist (bekanntermassen) die Schrumpfung des Füllungsmaterials verantwortlich. Die Schrumpfung führt zu starken Zugkräften an der Schmelzwand, an der Bonding­schicht zum Dentin oder zu einem Riss in der Restauration. Laut Lenhard kommen die von Patienten beschriebenen Reize bei süss und sauer demnach von Spalten, diejenigen auf heiss und kalt ebenfalls von Spalten oder einer schon vorhandenen Pulpitis, die Reize auf Belastung rühren seiner Meinung nach von „Debonding“ her. Schmerzt eine Füllung eher bei Entlastung nach vorangegangener Belastung, dann liegt ein Riss in der Restauration vor.

Zur Veranschaulichung des Problems eignet sich der c-Faktor: er zeigt auf, wie viele Wände einer zu füllenden Kavität beteiligt sind. Bei einer Klasse I-Füllung beispielsweise durch Boden und umgebende Resthartsubstanz der Kavität gleich fünf. Damit ist also ein c-Faktor von fünf gegeben, der maximale und damit ungünstigste Fall. Zur Abhilfe des Problems empfiehlt der Redner, eine Unterfüllung mit Glasionomerzement. Dies verschliesst die Dentinwunde und verhindert, selbst bei einem vorhandenen Spalt, Sensibilitäten. Falls nun doch ein Belastungsschmerz nachweisbar ist, rät Lenhard dazu, mittels Kugelstopfer die genaue Lokalisation innerhalb der Füllung auszumachen und dort gezielt eine „Füllung in der Füllung“, inklusive Unterfüllung mit Glasionomerzement zu legen. Nebenbei rät er von resinmodifizierten Glasionomerzementen in diesem Zusammenhang ab, da diese sich mit dem Komposit verbinden und somit den Belastungsschmerz (durch „Debonding“) nicht sicher verhindern können.

Ist hingegen ein Entlastungsschmerz gegeben, kann mit Beissen auf eine Watterolle getestet werden: wenn beim Lösen des Bisses Schmerzen auftreten, besteht ein Spalt in der Füllung und die zurückfliessende Flüssigkeit reizt die Nervenenden der Pulpa. Lenhard empfiehlt dann einen Kompositaufbau mit gekappten Höckerspitzen, um den Spalt sicher beim Kauen zu entlasten.
Bei all dem Komposit musste auch das Thema Kofferdam angesprochen werden. Überraschenderweise existiert keine Studie, die zeigt, dass zwingend unter Kofferdam behandelt werden muss. Andererseits kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behaupten, dass seit Einführung von Kompositen wohl mehr Kunststofffüllungen ohne als mit Kofferdam gelegt wurden.

Die Eckzahnführung

Für Klasse IV- und V-Füllungen weisst Lenhard auf die Gefahr hin, die von eventuell nicht mehr gegebener Eckzahnführung ausgeht. Im Abrasionsgebiss kommt es häufig dazu, dass sich eine Gruppenführung ausbildet, bei der auch die Front Laterotrusionsbelastungen aufnehmen muss. Bei solchen Fällen angefertigte Eckenaufbauten mit Belastung im Seitschub halten selten dieser Belastung stand. Lenhard empfiehlt dann, immer zuerst die Laterotrusionsbewegungen zu prüfen. Oftmals sind Aufbauten von lateralen Schneidezähnen beim Seitschub sonst mitbelastet, was eine erfolgreiche Restauration unmöglich macht. So ist es ein Muss, allem voran die Eckzahnführung wieder aufzubauen. Auch dies modelliert Lenhard direkt im Komposit und kommt somit ohne laborgefertigte Keramik aus.

Leitsymptome für Zahnhalsdefekte

Dem Thema Zahnhalsdefekte nähert sich Lenhard über einen Exkurs zum Bruxismus: Die Leitsymptome (unter anderem) Kopfschmerzen und Verspannungen der Kaumuskulatur deuten oft auf das Problem hin. Bei Knirschern ist dies auch intraoral leicht an Schlifffacetten und Zahnhalsdefekten zu erkennen. Bei Pressern hingegen sind keine Schlifffacetten zu sehen. Und auch die Form der Defekte gibt uns Hinweise: Sind die Übergänge zur gesunden Hartsubstanz weich und rund, handelt es sich um Abrasion durch falsche Putztechnik, meist auch kombiniert mit Erosion. Sind die Übergänge aber hart und kantig, sind Zahnhartsubstanzscherben durch die Biegekräfte des Pressens abgesplittert.

Lenhard empfiehlt erst eine Füllung zu machen, wenn die betroffenen Zähne symptomatisch werden. Dann legt er nahe, die Füllungen mit einem Komposit niedrigen E-Moduls, also einem „Flow­able“ zu legen. Im Nebensatz weist er auf die mittlerweile immer populäreren NTI-Schienen hin, aber wenn sich auch die Anwendung immer mehr verbreitet, so ist die Datenlage doch noch recht unsicher. Mögliche Langzeiteffekte – etwa in Form von Protrusion der belasteten Frontzähne – kann man noch nicht sicher ausschliessen.

Fehler bei der Lichtpolymerisation vermeiden

Dann widmete sich der Redner der Lichtpolymerisation und wartete dabei mit den wichtigsten Fakten auf: Die erforderliche Energie, um das Komposit gebührend aus­zuhärten, liegt bei 12’000 bis 16’000 mW/cm². Die erforderliche Polymerisationszeit kann jeder nach dem „Total-Energy-Konzept“ (Koran und Kürschner 1998) errechnen, der die Lichtintensität seiner Polymerisationslampe kennt: Hat die Lampe beispielsweise 600 mW/cm², so rechnet sich: 12’000 mW/cm² durch 600 mW/cm². Das ergibt also 20 Sekunden Belichtungszeit.

Aber Vorsicht! Ebenfalls ausschlaggebend sind die Wellenlänge des Lichtes und die Lichtdurchlässigkeit des Komposits. Herstellerangaben der Lichtintensität und die Realität sind oftmals zwei Paar Stiefel. Eine Studie, die mit einer „Ul­brichtkugel“ (Ernst et al. 2006) die wirkliche Lichtstärke auf dem Markt erhältlicher Lampen gemessen hat, bestätigte, dass manche Lampe weit hinter der versprochenen Intensität „herhinkt“. Folglich sind die Füllungen möglicherweise nur oberflächlich ausgehärtet, was dann durch „Restmonomer“ ebenfalls zu postoperativer Sensibilität führen kann.

Doch damit nicht genug: Die Lichtintensität nimmt mit zunehmendem Abstand im Quadrat ab. Das heisst, bei einem Zentimeter Abstand von der Lampenspitze zur Füllung nimmt die Lichtintensität um etwa 80 Prozent ab! Bei Lampen mit sogenannten „Turbotips“, die das Licht durch eine Verjüngung des Lichtleiters stärker bündeln und nutzen sollen, ist dieser Effekt schon bei kürzeren Abständen gegeben. Vor allem im Molarenbereich ist also generell mit einer ungenügenden Aushärtung zu rechnen, wenn man den schwierigen Zugang und tiefen Kavitäten oder approximalen Kästen bedenkt.

Lampen regelmässig reinigen

Wer dann vielleicht noch einen verschmutzten Lichtleiter oder (zwischen Lichtleiter und -quelle liegenden) verstaubten Reflektor hat, wird möglicherweise seine wirtschaftlich kurz gehaltene Polymerisationszeit überdenken müssen. Lenhard empfiehlt, den theoretisch ermittelten Wert der Polymerisationszeit zu verdoppeln, um auch in der Praxis oft ungünstige Gegebenheiten auszugleichen. Lichtleiter und Reflektor sollten regelmässig gereinigt werden. Den Reflektor allerdings lediglich mit Druckluft ausblasen.

Ein letztes Wort bei der Polymerisation und dem Schrumpfungsstress fiel über die Hitzebelastung der Pulpa durch die Lampe und auch die Wärmeentwicklung, die durch die exotherme Polymerisation anfällt. Laut Lenhard sei dies aber kein Problem und keinesfalls Ursache für postoperative Beschwerden.

Adhäsion und Klebung

Im letzten Teil der Veranstaltung ging es vorwiegend um Adhäsion und Klebung: Ausgehend vom schon erwähnt wichtigen Präparieren mittels feinkörnigem Diamanten ist es mittlerweile lege artis, Dentin nicht länger als 5 Sekunden, Schmelz etwa 30 Sekunden zu ätzen. Beim „Selektive etching“ könnte also beim Schmelz für 25 Sekunden angefangen und zuletzt das Dentin für 5 Sekunden geätzt werden. In der Praxis ist dies bekanntlich schwierig, weshalb es fürs Dentin besser ist, „Self-etching Adhäsive“ zu benutzen, beim Schmelz allerdings nicht. Es bleibt also eine gewisse Unsicherheit in unseren Händen. Ähnlich ist dies ja auch bei den unterschiedlichen Produktsystemen der Adhäsive: Wann wird was trocken geblasen, feucht gelassen, wie soll das gehen?

Adhäsive sicher verarbeiten

Souverän verschaffte Lenhard einen Überblick zu diesen Fragen: Abhängig von der Basis des Adhäsivs lässt sich leicht merken, wie es zu verarbeiten ist. So ist der Klassiker und Goldstandard die Acetonbasis, es bleibt aber die Sache mit dem „Wetbonding“ und der damit verbundenen Unsicherheit. Wer Bonding auf Alkohol- oder gar Wasserbasis verwendet, soll sogar gut oder noch stärker trocknen, und hat keinen Zeitdruck bei der Verarbeitung wegen Flüchtigkeit des Bondings. Im Gegenteil, es sollte eher genügend Zeit bleiben, um gut einwirken zu können. Wer sich rein an den Haftungswerten orientiert, muss aber nicht immer auf der sicheren Seite sein: Lenhard zeigte Studien, die belegen, dass die anfangs hohen Haftwerte auch guter Systeme nach Belastung stark abfallen. So stellt sich zwingend die Frage, ab wann ein Spalt in eine Sekundärkaries mündet. In der Literatur hat sich dabei der Schwellenwert von 300 µm etabliert.

Die indirekte Restauration

Den krönenden Abschluss bildete das Thema indirekte Restaurationen. Wie bei der Füllung ist auch hier der möglichst grosse Schmelzanteil für eine brauchbare und angeätzte Klebefläche entscheidend. Zur Blutungsstillung und Darstellung der Präparationsgrenze bei der Abformung empfiehlt sich der Gebrauch von adstringensgetränkten Retraktionsfäden. Lenhard rät dabei zur Verwendung von Aluminiumchloridprodukten (u. a. auch Expasyl) und warnt vor Eisensulfat.

Und wie schon bei der Klebung vom Komposit an den Zahn gab Lenhard auch einen guten Überblick zur Klebung von Komposit an der keramischen Restauration. Abhängig von der Art der Keramik ist auch technisch zu verfahren. Glas- oder Feldspatkeramik (z. B. Empress) sollte mittels Flusssäure geätzt und silanisiert werden, Oxidkeramiken (Aluminiumoxid oder Zirkon) sollten silikatisiert und silanisiert oder mit Monobond vorbehandelt werden. Wer Panavia benutzt, muss nicht mit Monobond silanisieren.


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