Branchenmeldungen 04.12.2012

Freiberuflichkeit – eine vielbeschworene Schimäre



Freiberuflichkeit – eine vielbeschworene Schimäre

Die Sicherung der „Frei­be­ruflichkeit  der Zahnärzte“ habe neben der Förderung des „mündigen Patienten“ Priorität in der ­Gesundheitspolitik der FDP, so der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frank­furt am Main, und widmete sich kurz danach u.a. der Patientenrechtegesetzgebung mit zahlreichen – wenn auch die Beweislastumkehr bisher noch verhindert werden konnte – weiteren Belastungen des Arztes und Zahnarztes. „Zutiefst besorgt“ zeigte sich der wiedergewählte BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel, wie dramatisch von vielen Seiten her die Freiberuflichkeit „eingeengt und beschränkt“ werde.

Der „Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)“ von Kassen und Leistungser­bringungen greife als „Staat im Staate“ im Gesundheitswesen immer tiefer in die Regulierungskiste zur Strangulierung einer „freien Berufsausübung“ ein. Vor allem, so die Klage der Spitzen-Berufsvertreter, versuche Europa im Rahmen der Regelung zur Kontrolle von Dienstleistungen den „Freiberuflern die Luft abzudrücken“. Auch innerberuflich gebe es eine Reihe von Bestrebungen, dem Zahnarzt weitere Fesseln anzulegen, mit Forderungen nach „Leitlinien“ in der Behandlung, einem zwanghaft einzusetzenden „Fehlermanagement“ und natürlich einer richt­­li­nienbestimmten Qualitätssicherung.

In den Standesgremien weiß man auch gleich eine Lösung für die oben zi­tierten Probleme: Ausbau der Kompetenz der Körperschaften, und hat dabei als Kammer wahrscheinlich die KZV im Auge mit der Hauptamtlichkeit der Vorstände mit Spitzeneinkommen auf Bundesebene von bis zu 450.000 € im Jahr, was selbst das BMG als überzogen inkriminierte. Auf die zu beschreitenden Maßnahmen konn­te man sich aber unter den Delegierten in Frankfurt am Main nicht einigen, denn der BZÄK-Vorstand musste seinen Leitantrag inklusive Memorandum zur Bewältigung der Herausforderungen an die zahnärzt­liche Berufsausübung zurückziehen. Er soll „überarbeitet“ und „neu strukturiert“ den Kammern vorgelegt werden.

Offenbart dies nicht die ganze Rat­losigkeit der Berufspolitik in den grund­legenden Fragen zur Gestaltung der ­Zukunft des Berufsstandes? Gilt es nicht, grundsätzlich Abschied zu nehmen von der Schimäre „Freiberuflichkeit“? Neueste Erhebungen unter Studierenden der Zahnmedizin zeigen, dass mehr als 50 Prozent gar keine eigene Praxis mehr anstreben, sondern sich in Partnerschaften begeben oder gar anstellen lassen wollen. Die „freie Berufsausübung“ hat nicht mehr vorrangige Priorität, So­zietäten mit unternehmerischen Richt­linien, einer eigenen Corporate Identity, ja auch Therapiegrundsätzen in örtlichen oder überörtlichen Kooperationen greifen zunehmend um sich. Man braucht nur auf die Entwicklungen unter Rechts­an­wälten zu schauen, wo der „freiberuflich ­tätige“ Anwalt längst Minderheitenstatus hat. Aber auch in der Berufsausübung als Zahnarzt gerät die bisher in Reden so hochgehaltene Therapiefreiheit in immer enger geschnürte Korsette, woran die zahnärztlichen Organisationen einen erheblichen Anteil haben, weil sie aus Regulierungen viel Berechtigung ihres Schaffens ableiten. Gebührenordnungen (z.B. GOZ), Behandlungsleitlinien, Therapie­orientierung an Kostenerstattungsricht­linien oder Sozialleistungskatalogen ausgerichtet sind beredte Zeichen für eine sich immer weiter zurückziehende Vielfalt der Therapiefreiheit bis hin zu technischen Beschränkungen aufgrund vorhandener Ausstattung, die genutzt sein will.

Bleiben wir doch uns selbst gegen­über ehrlich, Zwangskörperschaften und Freiheit sind nun nicht gerade Synonyme. Vor allem, was haben die Berufspolit­spitzen und die Wissenschaftsvertreter wirklich erreicht bei der Abwehr der beklagten Angriffe gegen die Freiberuflichkeit? Lohnt es sich, weiterhin darauf sein Hauptaugenmerk zu richten?

Als Praxis-Unternehmer ist der ­Patient ihr höchstes Gut, um den gilt es, sich zu bemühen,

toi, toi, toi, Ihr J. Pischel

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