Branchenmeldungen 11.03.2013
Gingivitis erhöht Risikofaktoren für Arteriosklerose
Viele
Menschen kennen das: Beim Zähneputzen kommt es zu leichten Blutungen
des Zahnfleisches. Passiert das regelmäßig, kann es ein Hinweis auf eine
Zahnfleischentzündung (Gingivitis) sein. „Etwa 90 Prozent der
Bevölkerung haben Gingivitis und die meisten Menschen empfinden es als
ganz normal, dass das Zahnfleisch an der ein oder anderen Stelle mal
bluten kann“, sagt Professor Dr. Jörg Eberhard von der Klinik für
Zahnärztliche Prothetik und Biomedizinische Werkstoffkunde der
Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). In einer gemeinsamen Studie mit
der MHH-Klinik für Kardiologie und Angiologie kam jetzt heraus, dass
bereits diese leichten Zahnfleischentzündungen das Risiko für
Arteriosklerose, im Volksmund auch Arterienverkalkung genannt, erhöhen.
Für Laien ist eine Gingivitis kaum als Krankheit erkennbar, weil die
Symptome nicht besonders schwer sind. Das Zahnfleisch ist partiell
leicht angeschwollen und beim Kauen harter Nahrung oder beim Zähneputzen
kommt es zu den geringen Blutungen. Ursache der Gingivitis ist meist,
dass nicht alle Zahnflächen – besonders zwischen den Zähnen –ausreichend
gereinigt werden oder schwer zugänglich sind. Bakterielle Beläge
verursachen die Entzündung. „Bei der Gingivitis ist nur das Zahnfleisch
betroffen, die tiefer liegenden Strukturen des Zahnhalteapparates werden
nicht angegriffen“, erklärt Professor Eberhard.
Ganz anders bei der Parodontitis: Dabei handelt es sich ebenfalls um
eine bakteriell bedingte Entzündung. Diese führt aber zu irreversiblen
Schäden am Zahnhalteapparat, das heißt zu Knochenabbau bis hin zu
Zahnverlust. „Von der Parodontitis ist seit Längerem bekannt, dass sie
das Risiko für Arteriosklerose und damit das Herzinfarktrisiko, aber
auch für andere chronische Entzündungserkrankungen wie beispielsweise
rheumatoide Arthritis erhöht“, erläutert Privatdozent Dr. Karsten Grote
von der MHH-Klinik für Kardiologie und Angiologie. Mit ihrer
interdisziplinären Studie, die kürzlich in der fachübergreifenden
Zeitschrift PLOS one publiziert wurde, konnten Dr. Grote, Professor
Eberhard und ihre Kollegen jetzt nachweisen, dass das auch für die
Gingivitis gilt.
Dr. Karsten Grote (links) und Professor Dr. Jörg Eberhard (rechts). Foto: MHH/Kaiser
Insgesamt 37 Männer und Frauen unter 25 Jahren standen den Forschern für
die Studie zur Verfügung. Sie waren allesamt Nichtraucher, hatten ein
gesundes Gebiss und keine kardiovaskulären Vorerkrankungen oder
Risikofaktoren dafür. Die Probanden erklärten sich dazu bereit, sich
drei Wochen lang die rechte Seite der Oberkieferzähne nicht zu putzen.
Innerhalb dieses Zeitraums bekamen alle eine Gingivitis. „Wenn das
Zahnfleisch blutet, werden Bakterien und deren Produkte ausgeschwemmt
und gelangen in die Blutbahn“, erklärt Dr. Grote. „Wir haben das Blut
der Probanden untersucht und konnten beispielsweise eine deutliche
Erhöhung des Entzündungsmarkers CRP feststellen, der auch bei
Herzinfarkt eine Rolle spielt. Auch das Interleukin 6, eine
Signalsubstanz des Immunsystems, die bei Entzündungsprozessen wichtig
ist, konnte vermehrt nachgewiesen werden. Zudem zeigten spezielle
Immunzellen (Makrophagen) der Studienteilnehmer eine erhöhte Aktivität.
Für die Forscher ergab die Studie klare Anzeichen dafür, dass Gingivitis
ein ernstzunehmendes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen darstellt.
„Deshalb sollten leichte Zahnfleischblutungen nicht ignoriert werden“,
sagt Professor Eberhard. „Mit gewissenhafter Mundhygiene kann man einer
Gingivitis vorbeugen und sie auch bekämpfen.“ Zur Mundhygiene gehört für
den Zahnexperten aber nicht nur die individuelle Zahnpflege zu Hause,
sondern auch die professionelle Zahnreinigung durch eine speziell
ausgebildete Fachkraft in einer Zahnarztpraxis. Dabei werden auch
hartnäckige Beläge und Zahnstein in den Zahnzwischenräumen entfernt –
dort, wo die Zahnbürste nicht hinkommt. „Leider ist die professionelle
Zahnreinigung keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen“, bedauert
Professor Eberhard. Vielleicht tröstet es die zahlenden Patienten, dass
sie damit und mit dem normalen Zähneputzen nicht nur etwas für gesunde
Zähne tun, sondern gleichzeitig auch Erkrankungen der Gefäße und des
Herzens vorbeugen.
Quelle: Medizinische Hochschule Hannover