Branchenmeldungen 14.03.2022

Hamburger DGLO-Präsenzkongress war ein voller Erfolg



Hamburger DGLO-Präsenzkongress war ein voller Erfolg

Foto: DGLO

Weder die Angst vor einer Coronainfektion noch die Sturmflut konnten Fans der lingualen Behandlungsmethode davon abhalten, am 4. und 5. Februar 2022 ins EMPIRE RIVERSIDE HOTEL zu reisen, um bei der diesjährigen DGLO-Jahrestagung live dabei zu sein.

So konferierten insgesamt 130 Teilnehmer, 16 nationale und internationale Referenten sowie sechs Hochschullehrer zwei Tage lang zu unsichtbaren, festsitzenden Multibracketapparaturen – und das bei wunderschönem Blick auf den Hamburger Hafen. Die Stimmung war trotz der notwendigen Hygieneschutzmaßnahmen und der zu tragenden FFP2-Masken herzlich und entspannt. Überall spürte man die große Wiedersehensfreude unter den Kieferorthopäden, die wie auch die neun vor Ort ausstellenden Firmen überaus zufrieden mit der gewählten Location waren.

Vorkongress mit Dr. Vittorio Cacciafesta

Der charmante Tagungspräsident Dr. Jean-Philippe Becker begrüßte zunächst den aus Mailand angereisten Dr. Vittorio Cacciafesta. Der auf 2D-Lingualbrackets spezialisierte Italiener lud am Freitagvormittag zum Vorkongresskurs mit dem Thema „A Multidisciplinary Approach combining Lingual and Invisable Orthodontics and Other Disciplines for the Treatment of Complex Cases”. Dabei begeisterte Dr. Cacciafesta mit tollen Fotos interdisziplinär behandelter Fälle, welche insbesondere durch die wunderschönen Keramikveneers und Frontzahnkronen im Anschluss an die KFO-Behandlung für hochästhetische Eindrücke sorgten. Diese waren anhand des Digital Smile Designs von einem Speziallabor gefertigt worden. Durch die brillante Farb- und Formgebung der Frontzahnprothetik, aber auch aufgrund der teils chirurgisch durchgeführten Zahnfleischkorrekturen konnte bei seinen Patienten nach vorheriger unsichtbarer Kieferorthopädie ein jeweils optisch ansprechendes, jugendliches Erscheinungsbild erzielt werden.

Kombifälle bei Einsatz einer VILA

Während es draußen stürmte und regnete, eröffneten am Freitagmittag Dr. Jean-Philippe Becker und der erste DGLO-Vorsitzende, Dr. Andreas Bartelt, gut gelaunt das wissenschaftliche Programm. Als erster Referent überzeugte Prof. Dr. Michael Wolf (Aachen) die Zuhörer mit seinen kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Fällen bei Einsatz einer vollständig individuellen lingualen Apparatur (VILA). Schrittweise zeigte er dabei seine Vorgehensweise inklusive der gewählten Bogensequenzen, sodass nicht nur die jungen Kongressteilnehmer vom hohen Lerneffekt dieses Vortrags profitierten.

3D-gedruckte Behandlungsapparturen

Als zweiter Redner betrat der Schweizer Dr. Simon Graf das Podium. Der mit dem Titel „Introducing 3D metal printing in orthodontic world“ angekündigte Vortrag zeigte die digitale Planung und Umsetzung dreidimensional gedruckter kieferorthopädischer Behandlungsapparaturen wie GNEs, Verankerungsgeräte, Retainer oder Herbst-Scharniere. Dr. Graf berichtete, dass er die Apparaturen in seiner Praxis zunächst mit der entsprechenden Software selbst entworfen habe, inzwischen aber aufgrund des damit verbundenen Zeitaufwands davon abgekommen sei. Mittlerweile arbeite er mit Speziallaboren zusammen, die mittels Lasermelting metallische Konstruktionen individuell, zeitnah und beinahe ohne geometrische Einschränkungen herstellen können.

Die für die nächstjährige DGLO-Tagung gewählte Wissenschaftliche Beirätin Dr. Martina Bräutigam begeisterte im Anschluss mit ihrem Vortrag zum Management von Lingualfällen in Bezug auf dabei zum Einsatz kommende skelettale Verankerungen. Anhand eines detaillierten Überblicks klärte sie darüber auf, wann welche Verankerungsapparatur benötigt werde, und verwies dabei insbesondere auf die Vorteile der hybriden Behandlungsmittel.

Skelettale Verankerung und Lingaltechnik

Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Ariane Hohoff (Münster) und Prof. Dr. Dr. Collin Jacobs (Jena) ging es im weiteren Tagungsverlauf wiederholt um die richtigen Verankerungsprinzipien in der Lingualtechnik. Der Master of Science in Lingual Orthodontics Dr. Stephan Pies (Remscheid) zeigte Extraktionsfälle mit verschiedenen skelettalen Verankerungsmöglichkeiten, deren Einsatz er davon abhängig machte, von welcher Seite die Zahnlücken um wie viel Prozent geschlossen werden sollten.

Dass Professor Dr. Benedict Wilmes (Universität Düsseldorf) seine persönliche Meinung zu den Vor- sowie Nachteilen verschiedener Behandlungstechniken stets unverblümt äußert, kannten viele Zuhörer seines Vortrages schon aus der Vergangenheit. Daher verwunderte es nicht, dass er auch dieses Mal den ein oder anderen Zweifel gegenüber anderen Lehrmeinungen fallen ließ. So sind nach Auffassung von Professor Wilmes kieferorthopädische Lückenschlüsse von mehr als 2 mm großen Lücken bei reinen Alignerbehandlungen ohne zusätzliche skelettale Verankerungsapparatur nur schwer umsetzbar. Zudem gilt es aufgrund von wissenschaftlichen Studien zur Schlafapnoe in seinen Augen als erwiesen, dass nur eine knochengetragene Apparatur zur Gaumennahterweiterung zu einer Verbesserung dieses medizinischen Problems führen kann.

Linguale Straight-Wire-Technik mit Spezialbögen

Einer der führenden Anwender der Lingualtechnik in Frankreich, Dr. Didier Fillion, stellte im darauf folgenden Vortrag seine persönliche linguale Straight-Wire-Technik in Kombination mit passenden Dual-Size-Bögen vor. Diese sind im anterioren Inter-Eckzahn-Segment vierkant und im posterioren Zahnbereich rund gestaltet. Dr. Fillion verspricht sich dadurch bei der Gleitmechanik während des Lückenschlusses weniger Friktion im Seitenzahnbereich und gleichzeitig mehr Torque in der Front.

Zum Ausklang des Freitags wurde im Blockbräu am Hafen der traditionelle Round-Table-Abend bei deftigem Essen und erfrischend kaltem Bier bis zur Sperrstunde von allen Teilnehmern genossen.

Hybrid-GNE als zuverlässiges Tool

Der Samstagvormittag startete mit Dr. Sinan Hamadeh (Hennef) und Dr. Shadi Fietz (Kirchheimbolanden). Beide widmeten sich der skelettalen Verankerung in der lingualen Kieferorthopädie und zeigten anschauliche Fälle aus ihren Praxen. Dabei wurde deutlich, dass knochenverankerte Hybrid-GNEs aus der modernen Kieferorthopädie nicht mehr wegzudenken sind und zum täglichen Instrumentarium gehören sollten. Während Dr. Hamadeh das Lippenprofil des Patienten als ein entscheidendes Argument für seine Therapieplanung angab, überzeugte Dr. Fietz mit seinen individuellen Behandlungsmethoden in Grenzfällen zur Erwachsenenchirurgie.

Die Französin Dr. Patricia Obach-Dejean wechselte in ihrer Präsentation thematisch zu den von ihr in exzellenter Manier behandelten Incognito Lite-Fällen. Um für den Patienten zu hohe Behandlungskosten zu vermeiden, empfahl sie die Anwendung von nur sechs bis zehn Lingualbrackets pro Kiefer und die Verwendung von drei bis fünf Lingualbögen. Ausnahmen und Sonderfälle wurden dabei von ihr klar definiert und gezeigt.

Nach einer Kaffeepause und dem Besuch der Dentalausstellung durften sich die Kongressteilnehmer über den Vortrag des jungen und aufgeweckten Hochschullehrers Prof. Dr. Dr. Collin Jacobs vom Universitätsklinikum Jena freuen. Sein Beitrag war ein regelrechtes „Feuerwerk“ und eine Gesamtreise durch das komplette Repertoire der Kieferorthopädie seiner Abteilung, sodass die Zuhörer deutlich erkennen konnten, wie fortschrittlich und ideenreich der Referent ist.

Autotransplantation nach Trauma

Als Mitglied der Angle Society und international angesehene Kieferorthopädin wurde Dr. Ewa Czochrowksa herzlich begrüßt. Sie erklärte die Grundprinzipien der Autotransplantation von Zähnen. Bereits in den 1980er-Jahren publizierte Dr. Czochrowksa in enger Zusammenarbeit mit Zacchrisson und Andreasen zahlreiche Artikel zur Zahntransplantation nach Frontzahntrauma. Auch im Zeitalter der Implantologie hält sie die Vorteile der Autotransplantation von Prämolaren in die OK-Frontzahnregion nach Avulsion eines Schneidezahns bei Jugendlichen für vorteilhaft. Da die transplanierten Zähne kieferorthopädisch bewegt werden können und den Knochenerhalt bis zum Abschluss den Körperwachstums garantieren, ist die Autotransplantation nach Ansicht der Referentin die Therapie der Wahl. Bei richtiger Handhabung des Transplantats durch den Chirurgen sieht sie eine mögliche Wurzelresorption dabei nicht als Problem an.

Präzision und Torquekontrolle machen den Unterschied

Aus seiner „Trickkiste“ zeigte Dr. Vittorio Cacciafesta, wie er in der täglichen Praxis seine 2D- und 3D-Kombifälle meistert. Als klare Abgrenzung zur Alignerbehandlung und als adäquates und zuverlässiges Behandlungsmittel, insbesondere für junge Kieferorthopäden, unterstrich Dr. Volker Breidenbach in seiner Präsentation den Einsatz einer vollständig individuellen lingualen Apparatur. Die hohe Übereinstimmung der Behandlungsergebnisse mit den prognostizierenden Set-ups sei für ihn ein klares Indiz dafür, dass die perfekte Passgenauigkeit der Finishingbögen mit dem Slot der von ihm verwendeten WIN-Brackets übereinstimmt. Die absolute Torquekontrolle sei für ihn der Beweis für die deutliche Überlegenheit der Lingualbrackets gegenüber den Alignern.

Den Samstagnachmittag gestalteten mit vielen eindrucksvollen Fotos aus ihren Praxen die Referenten Dr. Gauillaume Lecocq (Frankreich), Dr. Mirra Elgurt (Luxemburg) und Dr. Ali Sohani (Heidelberg).

Erwähnt werden soll in jedem Falle, dass Dr. Dagmar Ibe und Prof. Dr. Dietmar Segner den DGLO-Kongress durchweg begleitet haben. Sie zeigten auch tolle Erinnerungsfotos vom ersten Workshop von vor 25 Jahren.

Vortrag von Professor Jabobs prämiert

Die Mitgliederversammlung bestätigte Dr. Andreas Bartelt als ersten Vorsitzenden und Dr. Claudia Obijou-Kohlhas als zweite Vorsitzende der DGLO im Amt. Den mit 500 Euro dotierten Preis für den besten Vortrag erhielt Prof. Dr. Dr. Collin Jacobs. Zudem zertifizierten sich insgesamt neun Kieferorthopäden für die ordentliche Mitgliedschaft durch Abgabe von zwei ihrer behandelten und vollständig dokumentierten Lingualfälle. Gefeiert wurden diese Erfolge in freundschaftlicher Atmosphäre beim Galaabend „Am Kai“ bis zur Hamburger Sperrstunde.

Hinweis

Die nächste DGLO-Jahrestagung findet 2023 in Düsseldorf statt. Nähere Infos unter www.dglo.org

Dieser Beitrag ist in den KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.

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