Branchenmeldungen 13.03.2025

Hormonabfall meets Mundhöhle: Prophylaxe in den Wechseljahren



Hormonabfall meets Mundhöhle: Prophylaxe in den Wechseljahren

Foto: krissikunterbunt – stock.adobe.com

Dieser Beitrag ist unter dem Originltitel „Hormonabfall meets Mundhöhle: Prophylaxe in den weiblichen Wechseljahren“ in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

Gibt es genderspezifische Bedingungen und Herausforderungen bei der Mundgesundheit? Natürlich! Welche das bei Frauen in den Wechseljahren sind, erläutert Dr. Corinna Bruckmann, M.Sc., Fachärztin für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Spezialistin für Parodontologie (DG PARO/ÖGP) und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Parodontologie (ÖGP), im Interview.

Frau Dr. Bruckmann, welche spezifischen hormonellen Veränderungen in den Wechsel­jahren haben bei Frauen den größten Einfluss auf die Mund­gesundheit?

Viele Frauen haben während der Wechseljahre ty­pische Beschwerden wie beispielsweise Hitze­wallungen. Weniger bekannt ist, dass in den Wechseljahren häufig auch orale Probleme wie Mund­trockenheit, Schleimhautschmerzen und Brennen auftreten. Dies ist auf das Vorkommen von Östrogen­rezeptoren in der Mundschleimhaut zurückzufüh­ren. Eine häufige Veränderung betrifft auch die Menge und Zusammensetzung des Speichels, der für die Aufrechterhaltung des oralen Gleichgewichts wichtig ist. Psychologische und neuropathische ­Faktoren tragen ebenfalls zu den Beschwerden der Mundschleimhaut bei. Neben den Weichgeweben sind auch die Zähne betroffen, da Osteopenie/Osteoporose das Risiko eines Zahnverlusts erhöht. In den Wechseljahren führt der Rückgang des Östrogenspiegels zudem zur veränderten Geschmackswahr­nehmung: Diese wiederum führt dazu, dass Frauen mehr Verlangen nach Süßem und daher ein erhöh­tes Risiko für Karies haben. Verstärkt wird dies durch die erhöhte Mundtrockenheit, an der eine von drei Frauen über 50 leidet.

Wie können Zahnarztpraxen ihre Prophylaxe­konzepte gezielt auf die Bedürfnisse von Frauen in der Menopause anpassen?

Es sollte im Team das Bewusstsein für und das Wissen über die Besonderheiten in dieser Lebensphase vorhanden sein, um maßgeschneiderte Hilfestellung leisten zu können. Die Grundprinzipien, die Frauen in den Wechseljahren empfohlen werden sollten, sind denen für andere Patientengruppen gleich:

  • Regelmäßige Reinigung aller Zahnoberflächen inklusive aller Zahnzwischenräume
  • Anwendung von Fluoridprodukten
  • Ausgleich persönlicher Putzdefizite durch professionelle Unterstützung in individuellen risikoabhängigen Intervallen
  • (Zahn-)Gesunde Ernährung
  • Vermeidung gesüßter Getränke sowie hoch­prozentigen Alkohols
  • Vermeidung von Tabakprodukten aller Art

Da, wie oben schon erwähnt, vielen Frauen die Auswirkung der Wechseljahre auf die Mundhöhle nicht bewusst ist, ist es wichtig, dass die Gesundheitsdienstleister, die mit dem Hormonabfall einhergehenden möglichen oralen Probleme proaktiv ansprechen, um rechtzeitig eine angemessene Behandlung und Unterstützung zu gewährleisten. In dieser Lebensphase bestehen außerdem häufig bereits chronische Erkrankungen, gegen die regelmäßige Medikamente eingenommen werden. Eine genaue Anamnese hilft dabei, deren mögliche Nebenwirkungen, die auch die Mundhöhle betreffen können (z. B. bei antihypertensiver Auswirkung auf den Speichelfluss, Gingivahyperplasie etc.) zu erkennen. Gegen die häufig (auch nur subjektiv empfundene) Mundtrockenheit, bieten sich einfache Maßnahmen wie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Erhöhung der nächtlichen Luftfeuchtigkeit, Vermeidung von Mundatmung, Vermeidung von aggressiven Zahnputzmitteln (alkoholhaltige Mundspülungen, Zahnpasten mit Natriumlaurylsulfat, Minze etc.) und das Kauen bzw. Lutschen von zuckerfreien Kaugummis oder Bonbons an. Medikamentös können Schleimhautgleitmittel, Speichelersatzmittel und Speichelstimulanzien eingesetzt werden. Von besonderer Bedeutung sind jedoch Lebensstilinterventionen wie Rauchstopp und diätetische Maßnahmen (wenig Salz, wenig Süßigkeiten). Ein wichtiges Thema ist zudem der mögliche Nutzen einer Hormonersatztherapie, die mit den gynäkologischen Kolleginnen besprochen werden sollte.

Bild von einem Quotenzeichen
„Durch die Umsetzung gezielter Strategien können Zahnarztpraxen eine persona­lisierte Versorgung ­anbieten, die auf die besonderen ­Bedürfnisse der Mundgesundheit von Frauen in allen hormonellen Phasen ­eingeht.“

Welche Rolle spielen interdisziplinäre Ansätze und das Bewusstsein für Genderaspekte in der Zahnmedizin, um Patientinnen in hormonell sensiblen Lebensphasen bestmöglich zu unterstützen?

In den letzten 25 bis 30 Jahren hat das wissenschaftliche Interesse an geschlechtsspezifischen Unterschieden in Gesundheit und Krankheit zwar zugenommen, aber erst seit 2015 ist es als Forschungsauftrag institutionalisiert. Frauen wurden in der Medizin schlechter versorgt, weil sie in der Forschung nicht berücksichtigt wurden. Sie galten als wehleidiger und ihre Beschwerden eher als psychoso­matisch bedingt. Die biologischen Geschlechtsunterschiede sind heute besser erforscht als andere Faktoren. „Sex“ als biologische Variable, definiert durch Chromosomen und „Gender“ als soziale Rolle (engl. „Gender“). Dieses wird von kulturellen Einflüssen und sozialen Erwartungen beeinflusst. Sowohl Geschlecht als auch Gender beeinflussen molekulare und zelluläre Prozesse, die Immun­reaktion und die Krankheitsanfälligkeit. Frauen haben oft eine stärkere Immunreaktion als Männer, was zu mehr Entzündungen und Autoimmunerkrankungen führen kann. Männer sind anfälliger für Infektionen. In der Zahnmedizin betreffen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern die Häufigkeit, Ausprägung und Behandlung von Parodontitis, Karies und Mundkrebs. Sogar beim Schmerz­empfinden gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Wenn man um diese geschlechtsspezifischen Unterschiede weiß, kann man Prävention, Diagnose und Therapie für alle Patientinnen und Patienten verbessern.

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