Branchenmeldungen 04.06.2025

Kampagne #Praxenland: Bundesweite Aktion zeigt Wert ambulanter Versorgung vor Ort

Deutschland ist Praxenland. Doch die Rahmenbedingungen für eine mittelständisch geprägte und patientennahe Versorgung sind über die Jahre immer schlechter geworden. Kurzum: Praxenland gerät unter Druck. Eine aktuell laufende Kampagne der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sensibilisiert für das Thema und richtet sich dabei an Politik wie Patienten. Auch wenn die Zahnmedizin nicht offizieller Teil der Kampagne ist, so gehört sie letztlich dazu – das zunehmende Schließen von Zahnarztpraxen im ländlichen und kleinstäd­tischen Raum ist ein Indiz für die reale Gefahr einer schwindenden (zahn-)medizinischen Versorgung in der Breite. Dr. Roland Stahl, Presse­sprecher der KBV, erläutert die Kampagne genauer.

Kampagne #Praxenland: Bundesweite Aktion zeigt Wert ambulanter Versorgung vor Ort

Foto: x10 – stock.adobe.com

Praxenland steht für eine selbstverständliche Einrichtung, die für die Bürger vor Ort unverzichtbar ist: die Arztpraxis, aber auch Apotheke oder Zahnarztpraxis. Ob in kleinen Dörfern oder Städten, sie sind Teil des Alltags, deren Fortbestand jedoch zunehmend gefährdet ist, weil sich die Rahmen­bedingungen in der vertragsärztlichen Versorgung mit den Jahren verschlechtert haben. Stichworte sind hier die längst noch nicht ­umgesetzte Entbudgetierung, überbordende Bürokratie, eine schleppende Digitalisierung und letztlich auch das Thema Work-Life-­Balance bei jungen Medizinern. Diese Fakto­-ren machen es zunehmend schwieriger, eine klassische Niederlassung aufrechtzuerhalten. Während sich jeder Landrat schützend vor ­­sein kleines Krankenhaus wirft, wenn dort die Schließung droht, gibt es allenfalls Kritik an der Kassenärztlichen Vereinigung, wenn eine Arztpraxis schließt, weil sie nicht nachbesetzt werden konnte. Aber das ist eben kein Selbstläufer! Hier braucht es Interventionen, Aktionen, Anreize und konkrete Hilfestellungen.

Status Quo der flächendeckenden Versorgung

Zum Glück ist die Versorgung vor Ort nach wie vor gut – sowohl im internationalen Vergleich als auch in der Realität. Untersuchungen mit objektiven Patientenbefragungen, an denen Tausende teilgenommen haben, zeichnen insgesamt ein positives Bild: Die Erreichbarkeit von Arztpraxen wird häufig als gut eingeschätzt, und viele Patienten erhalten innerhalb von drei Tagen oder sogar sofort einen Termin.

Was in der medialen und politischen Debatte oft betont wird, sind hingegen die Fälle, in denen es nicht reibungslos läuft. Dabei darf man nicht vergessen, dass es jährlich rund eine Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte in den Praxen gibt. Die Praxen sind also „voll“. Dennoch gibt es eine Erwartungshaltung, dass immer mehr Termine angeboten werden und Patienten noch schneller versorgt werden sollen. Dieser enorme Erwartungsdruck belastet die niedergelassenen Ärzte und macht ihre Arbeit oft schwieriger.

Gefälle Stadt vs. Land

Stellt man die Versorgung in Städten den Angeboten auf dem Land gegenüber zeigt sich, dass Ballungsräume und Mittelzentren zunehmend an Attraktivität gewinnen, während strukturell schwache Regionen immer mehr an Attraktivität verlieren. In einigen ländlichen Gebieten, die vielleicht wunderschön, idyllisch und charmant wirken, fehlt es bereits jetzt an grundlegender Infrastruktur – oft gibt es dort nicht einmal mehr den sprichwörtlichen Tante-Emma-­Laden. Unter diesen Umständen ist es unrealistisch, zu erwarten, dass ein Nachfolger automatisch die Praxis eines Haus- oder Zahnarztes übernimmt, wenn dieser in solchen Gegenden in den Ruhestand geht.

Zielgruppe

Unsere Kampagne richtet sich gezielt an Menschen ab 40 Jahren – jene Altersgruppe, die am häufigsten Patienten in den Praxen ist. Während junge Menschen natürlich auch von der Versorgung profitieren, sind sie deutlich seltener betroffen. Gleichzeitig möchten wir über die breite Öffentlichkeit auch politische Entscheider ansprechen. Dies umfasst nicht nur die Gesundheitspolitiker im Bundestag, sondern auch die Landespolitiker sowie Entscheidungsträger auf Kreis- und Gemeindeebene. Unser Ziel ist es, ihnen den Wert der ambulanten Versorgung bewusst zu machen und aufzuzeigen, dass die Rahmenbedingungen dringend verbessert werden müssen.

Bild von einem Quotenzeichen

„Man darf nicht vergessen: Praxen sind auch Garanten des sozialen Friedens. Wenn diese Einrichtungen erst mal weg sind, dann ist im Dorf oder in der kleinen Stadt etwas nicht in Ordnung.“  – Dr. Roland Stahl

Was wir fordern

Unsere Kampagne fordert in erster Linie eine deutliche Entlastung der bürokratischen Anforderungen. Niedergelassene Ärzte verbringen durchschnittlich bis zu 60 Arbeitstage pro Jahr mit bürokra­tischen Aufgaben wie Anfragen von Krankenkassen oder Dokumentationspflichten. Natürlich ist ein gewisses Maß an Bürokratie notwendig, aber die aktuellen Anforderungen sind überbordend. Hier müssen Politik und vor allem die Krankenkassen ansetzen, da ein Großteil der Bürokratie von ihnen verursacht wird.

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Abschaffung der Budgetierung in der hausärztlichen Versorgung, die kürzlich gesetzlich auf den Weg gebracht wurde. Nun liegt es an den Krankenkassen, diese Maßnahme umzusetzen. Die Verhandlungen werden jedoch schwierig, da die Krankenkassen bereits ein Ausgabenmoratorium und ein Vorschaltgesetz fordern. Die Entbudgetierung der Hausärzte ist der erste Schritt, die der Fachärzte muss folgen. Es ist essenziell, dass die erbrachten Leistungen vollständig vergütet werden – eine Selbstverständlichkeit, die in anderen Bereichen, etwa beim Kauf von Brötchen, ebenfalls gilt. Fünf Brötchen kaufen, aber nur drei davon bezahlen zu ­wollen, wäre undenkbar.

Politik kann zwar die Rahmenbedingungen schaffen, die Umsetzung hängt jedoch von der Bereitschaft der Krankenkassen ab. Sollte diese fehlen, muss klar kommuniziert werden, welche Leistungen dann nicht mehr erbracht werden können. Politik und Krankenkassen dürfen keine unrealistischen Erwartungen schüren, die die Praxen zusätzlich unter Druck setzen. Eine ehrliche und realistische Kommunikation mit den Bürgern ist hier unabdingbar. 

© Mauricio Munoz – unsplash.com

Kampagnenentwicklung und Ausblick

Gestartet ist unsere Kampagne bereits 2024 unter einem anderen Namen und mit einem anderen Fokus. Damals war das zentrale Schlagwort „Für Sie nah“, was die besondere Stärke der Praxen hervorhob: ihre Nähe zu den Menschen. Arztpraxen (wie auch Zahnarztpraxen) sind oft Orte, an denen ganze Familien über Generationen hinweg betreut werden – ein entscheidender Unterschied zu Krankenhäusern, die durch ihre Größe und gewisse Anonymität geprägt sind.

In der Anfangsphase nutzten wir unter anderem Fernsehspots, um diese Nähe zu verdeutlichen. Mit der Weiterentwicklung hin zum Konzept „Praxenland“ haben wir bewusst eine stärkere Schlagwortorientierung gewählt, um die politische und öffentliche Aufmerksamkeit zu gewinnen. Vor dem Hintergrund der vorgezogenen Neuwahlen mussten wir hier besonders flexibel und schnell agieren.

Derzeit planen wir eine Weiterentwicklung der Kam­pagne, mit der wir die neuen Akteure in der Gesundheitspolitik gezielt ansprechen möchten. Dabei könnten soziale Medien eine größere Rolle spielen, um den Wert der ambulanten Versorgung noch deutlicher zu kommunizieren. Die Kampagne entwickelt sich stetig weiter und passt sich an die aktuellen politischen Ge­gebenheiten an.

Die Message kommt an

Die Kampagne hat bisher zu Gesprächen mit politischen Entscheidern geführt, die auf Landesebene von den Kassen­ärztlichen Vereinigungen geführt wurden. Auch auf Bundesebene wurden wir von Abgeord­netenbüros gezielt dazu angesprochen. Obwohl diese Kontakte nicht in Hunderten oder Tausenden zu zählen sind, ist dies  angesichts der klar abgegrenzten Zielgruppe bereits ein Erfolg. Die Kampagne hat hier definitiv Wirkung gezeigt. Ein  Beispiel für die Resonanz liefert der Be­reich TV, der in der bisherigen zweiten Kampagnenphase unser Hauptkanal war. Diese Phase begann im Januar und lief bis Mitte April. Über diesen Kanal konnten wir eine breite Öffentlichkeit erreichen. Und auch 2026 wird die Kampagne weiterlaufen  und hoffentlich für viel Interesse sowie Feedback sorgen.

Weitere Infos zur Kampagne auf www.praxenland.de

Autor: Dr. Roland Stahl

Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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