Branchenmeldungen 21.02.2011

Kleine und große Projekte - Interview mit Reinhold Röcker

Kleine und große Projekte - Interview mit Reinhold Röcker

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Reinhold Röcker hat sich im Mai dieses Jahres aus dem Vorstand des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) verabschiedet. Im Gespräch mit der ZT Zahntechnik Zeitung blickt der Berufspolitiker zurück, aber auch voraus.

Herr Röcker, Sie waren 15 Jahre lang Vorstandsmitglied des VDZI, über 20 Jahre im gleichen Gremium der Zahntechniker-Innung Baden und rund 30 Jahre im Gesellenprüfungsausschuss. Ist in der Zeit irgend etwas im Zahntechniker-Handwerk passiert, von dem Sie nichts mitbekommen haben?
Während meines Engagements in der Berufspolitik ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass etwas an mir völlig vorbeiging, weder technisch noch politisch. Es gab große berufspolitische Ereignisse, z.B. Anfang der siebziger Jahre die Einbindung des Handwerks in die Reichsversicherungsordnung, bei der der Zahnersatz zu 100 Prozent von den gesetzlichen Kassen bezahlt wurde. Seitdem hat der Gesetzgeber versucht, die ausufernden Kosten zu begrenzen. Dies war und ist noch heute sehr schwierig für unseren Berufsstand. Positiv ist sicher, dass hochwertigste zahntechnische Versorgungsarten mit Geschieben, Teleskopen, Riegeln etc. plötzlich Tagesgeschäft waren.

Ihr Name steht sinnbildlich für die Kompetenz des VDZI in Ausbildungs- und Nachwuchsfragen. Welches waren die größten Erfolge während Ihrer Amtszeit?
Da war zum einen die Erarbeitung einer neuen Ausbildungsordnung, die 1998 in Kraft gesetzt wurde. Dazu sind erstmals gemeinsam vom Bundesinstitut für Berufsbildung, der IG-Metall und dem VDZI umfangreiche Erläuterungen erstellt worden. Im Konsens mit den Berufsschullehrern und den Prüfungsausschüssen haben wir gemeinsame Bewertungskriterien erarbeitet. Und sicher gehört auch die Einführung des Studienganges zum Diplom Ingenieur der Dentaltechnologie dazu. Nachdem die Umstellung auf einen sechssemestrigen Bachelor-Studiengang bereits 2006 gelang, wurde dieser nochmals um vier Semester erweitert. Seit dem Sommersemester 2009 können Interessierte den Masterstudiengang „Angewandte Werkstoffwissenschaften“, Fachrichtung „Dentaltechnologie“, wählen. Eine weitere große Aufgabe war die Erarbeitung einer neuen Meisterprüfungsverordnung, die 2008 in Kraft gesetzt wurde. Damit ist eine zukunftsorientierte Umsetzung neuer Technologien möglich. Neben diesen großen Projekten gab es diverse kleinere wie die laufende Betreuung des Praktischen Leistungswettbewerbs des Handwerks oder alle zwei Jahre die fachliche Betreuung des Gysipreises.

Gibt es etwas, was Sie dieser Liste gern noch hinzugefügt hätten?
Sehr gerne hätte ich innerhalb unseres europäischen Verbands, der FEPPD, mit anderen europäischen Partnern gemeinsame Ausbildungsmodule erarbeitet. Dies hätte eine grenzüberschreitende, europäische Verbundausbildung und Beschäftigung ermöglicht oder zumindest erleichtert. Momentan haben wir noch Gestaltungsmöglichkeiten. Wie lange das so bleibt, wage ich nicht zu beurteilen.

Als langjähriges Jury-Mitglied gelten Sie zudem als Inbegriff des Gysi-Preises. Hätte eigentlich Ihr Zeugnis zu einem Platz unter den ersten Fünf gereicht?
Die Nachkriegszeit war nicht einfach. Zunächst wollte ich einen ganz anderen Beruf ergreifen, bekam aber keine Lehrstelle. Die Zahntechnik war also meine zweite Wahl. Das Zeugnis war gut, aber nicht überdurchschnittlich. Daher wäre ich wahrscheinlich nicht bei den ersten fünf Plätzen dabei gewesen. Der richtige Ehrgeiz packte mich erst später.

Auf der diesjährigen Verleihung im Rahmen der Internationalen Dental-Schau haben Sie die technologischen Veränderungen im Handwerk als zukunftsweisenden Faktor benannt. Sehen Sie diesen Faktor in der aktuellen Ausbildung ausreichend berücksichtigt?
Die praktischen Fertigkeiten der aktuellen Ausbildungsordnung reichen im Sinne einer Basisausbildung immer noch aus. Generell sollte eine Basisausbildung nicht überfrachtet werden. Um sich technischen Weiterentwicklungen anzupassen, muss man sich sowieso lebenslang weiterbilden. Entscheidend ist, dass die gelehrten Technologien in den meisten Ausbildungsbetrieben auch vermittelt werden können. Im theoretischen Bereich wären allerdings erweiterte EDV-Kenntnisse dringend erforderlich, um dem technologischen Fortschritt gerecht zu werden. Hier könnten zusätzliche Aufbaukurse die Defizite ausgleichen. Vielen Ausbildungszentren der Handwerkskammern haben dies erkannt. Ein gutes Englisch wäre ein weiterer wichtiger Bestandteil der Ausbildung.

Im März schlossen Sie Ihren Vortrag mit dem Appell an das Publikum, trotz aller Pflichten, nicht das Leben zu vergessen. Was wird Ihr Leben in den kommenden Jahren ausmachen?
Ich freue mich sehr darauf, mehr Freiraum für Familie, Freunde und Hobbys zu haben sowie öfter mal interessante Reisen zu unternehmen. Einen lebenslangen Wunsch will ich mir noch erfüllen, ich möchte Klavier spielen lernen.

Vielen Dank für das Gespräch!


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