Branchenmeldungen 17.09.2024

Pflegesensible Unternehmenskultur: Wie Betriebe helfen können

Pflegesensible Unternehmenskultur: Wie Betriebe helfen können

Foto: Halfpoint – stock.adobe.com

Immer mehr Berufstätige bewältigen den Spagat zwischen Job und Pflege. Pflegefreundliche Arbeitgeber punkten auf dem Fachkräftemarkt. Was können Betriebe tun, um ihre Beschäftigten zu unterstützen, und welche Netzwerke helfen den Firmen?

„Wir müssen reden!“ So beginnen oft die Gespräche, wenn ein Mitarbeiter ein echtes Problem zu Hause hat: Die Mutter ist im Treppenhaus gestürzt, der Vater hat einen Schlaganfall oder das Kind muss ins Krankenhaus. Nicht nur, dass jetzt vieles schnell organisiert werden muss und die Nerven blank liegen. Häufig geht es dann – vor allem bei älteren Angehörigen – auch um das Thema Pflege. Rein statistisch pflegt jede zehnte Arbeitnehmerin und jeder dreizehnte Arbeitnehmer in Deutschland kranke Eltern, Schwiegereltern, Partner oder andere nahe Angehörige. Rund 4,3 Millionen Menschen sind momentan pflegebedürftig, etwa 86 Prozent von ihnen werden zu Hause gepflegt – mit steigender Tendenz. Um die häusliche Pflege zu stärken, wurden zum 1. Januar das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungsbeträge um jeweils fünf Prozent erhöht.

Mit offenen Ohren auf den steigenden Bedarf vorbereitet sein

„Damit sich Betroffene überhaupt trauen, das Thema im Betrieb anzusprechen, und nicht ohne Begründung die Arbeitszeit reduzieren oder ganz kündigen oder lange ausfallen, ist es sinnvoll, wenn Betriebe auf den steigenden Bedarf an Vereinbarkeitslösungen im Arbeitsleben vorbereitet sind“, betont Solveig Giesecke, Sprecherin des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA). Schließlich hat der zeitweise Ausfall eines Mitarbeiters auch Folgen für die Abläufe und Produktion. Nicht zuletzt können Betriebe mit einer familien- und pflegefreundlichen Unternehmenskultur auf dem Fachkräftemarkt punkten – auch bei jüngeren Menschen, die selbst noch nicht betroffen sind.

Weiterbildung zum Pflege-Guide

Führungskräfte können das Thema Pflege von sich aus in einem persönlichen Gespräch ansprechen und auf diesem Weg erfahren, wer schon betroffen ist oder es demnächst sein könnte, sie können Vertretungspläne ausarbeiten und/oder jemanden im Team zum betrieblichen „Pflege-Guide“ weiterbilden lassen. Hierbei handelt es sich um zwei- bis dreitägige Schulungen, die in vielen Bundesländern kostenfrei oder gegen eine geringe Gebühr beispielsweise von Krankenkassen angeboten werden. Der „Pflege-Guide“ oder „Pflegelotse“ gibt seinen Kollegen erste Orientierung, welche Hilfen es gibt, und kennt Ansprechpartner.

Der Gesetzgeber hat verschiedene Möglichkeiten für Berufstätige geschaffen, die mit einer Pflegesituation konfrontiert werden und deshalb eine Zeit lang ganz oder teilweise aus dem Job aussteigen müssen beziehungsweise möchten. Beispielsweise die „Pflegezeit“ oder die „Familienpflegezeit“. Nachgefragt werden diese Modelle in der Praxis eher selten – sei es, weil sie nicht bekannt sind oder weil sie als zu bürokratisch empfunden werden.

Gerade in familiär geprägten Handwerksbetrieben regeln es die Inhaber mit ihren – teils langjährigen – Beschäftigten oft individuell und pragmatisch, wenn ein Notfall oder eine längere Pflegesituation eintritt. Etwa durch Sonderurlaub, flexible Arbeitszeitregelungen, Teilzeitmodelle, Arbeitszeitkonten oder – wo es möglich ist – Homeoffice. Auch individuell vereinbarte Anfangs- und Endzeiten, eine längere Mittagspause oder (je nach Branche) der Verzicht auf Schicht- und Wochenendarbeit können zur Entlastung beitragen.

Kluge Konzepte entwickeln, Mitarbeiter binden

„Wenn Arbeitgeber es schaffen, kluge Konzepte zu entwickeln, um Angestellte ein Stück weit zu entlasten, dann können sie sie an den Betrieb binden und so verhindern, dass sie ihre Berufstätigkeit womöglich ganz aufgeben und den Betrieb verlassen“, sagt Dr. Anne Dohle, Referatsleiterin im Bereich Soziale Sicherung beim ZDH in Berlin. Was alles machbar sein kann, darüber können sich die Betriebe bei den Betriebsberatern ihrer Handwerkskammer, bei ihrem Fachverband oder auf der Internetseite des Unternehmensnetzwerks www.erfolgsfaktor-familie.de informieren. „Viele kleine Betriebe schaffen es, vorbildliche Lösungen anzubieten. Oft sogar schneller und unproblematischer als Großunternehmen – wegen der engen persönlichen Bindung.“ Nicht nur die Pflege, auch die Rückkehr in den Job ist für die Betroffenen oft eine große Herausforderung. „Wenn jemand sich entschließt, diese Pflegezeit zu nehmen, sollten die Betriebe das unbedingt begleiten“, betont Dr. Anne Dohle. „Etwa indem sie Kontakt zu den Betroffenen halten, Rückkehrergespräche führen und vielleicht hinterher zum schrittweisen Wiedereinstieg eine abgestufte Teilzeitlösung anbieten.“

Weitere Infos beim Bundesfamilienministerium unter www.wege-zur-pflege.de sowie über das Pflegetelefon für Betroffene und Angehörige unter Tel. +49 30 20179131.

Autorin: Kirsten Freund

Dieser Artikel ist in der ZT Zahntechnik Zeitung erschienen.

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