Branchenmeldungen 06.06.2025

Prof. Dr. Dr. Andreas Fichter über digitale Innovation in der MKG-Chirurgie



Seit November 2024 leitet Prof. Dr. Dr. Andreas Fichter die Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie (MKG) am Universitätsklinikum Leipzig. Der 45-jährige MKG-Chirurg wechselte vom TUM Universitätsklinikum rechts der Isar in München in die sächsische Metropole und bringt ein umfassendes und vielseitiges chirurgisches Spektrum an den Standort Leipzig.

Prof. Dr. Dr. Andreas Fichter über digitale Innovation in der MKG-Chirurgie

Foto: UKL/Stefan Straube

Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit zählen die chirurgische Behandlung von Kopf-Hals-Tumoren, insbesondere die Therapie von Patienten mit Mundhöhlenkarzinom, sowie die Behandlung von Fehlbildungen und die Rekonstruktion nach Verletzungen.

Herr Prof. Fichter, welche innovativen Ansätze und Technologien planen Sie, in der rekonstruktiven Tumorchirurgie und bei der Behandlung von Kopf- Hals-Tumoren am Universitätsklinikum Leipzig einzuführen?

Wir arbeiten bereits seit Längerem mit digitaler OP-Planung und 3D-Druck, um komplexe Tumoreingriffe und Rekonstruktionen im Gesichts- und Kiefer-bereich möglichst präzise zu gestalten. Künftig möchten wir diese etablierten Methoden noch weiter ausbauen und verstärkt auf Virtual Reality sowie Navigationsverfahren setzen. Darüber hinaus ist geplant, perspektivisch auch Robotik und künstliche Intelligenz in unsere Arbeitsabläufe zu integrieren. Dafür planen wir, eng mit dem Zentrum für roboterassistierte und navigierte Chirurgie, dem Innovation Center Computer Assisted Surgery (ICCAS) und dem 3D-Labor LEGEND der Neurochirurgie genauso wie mit unseren 3D-Druck- und Navigations-erfahrenen Kollegen aus der Zahnklinik zu kooperieren, die bereits umfangreiche Erfahrungen in der virtuellen Navigation gesammelt haben. Indem wir diese Expertise auf die Kiefer- und Gesichtschirurgie übertragen, können wir für unsere Patienten noch individuellere und schonendere Behandlungsmöglichkeiten entwickeln.Mich reizt vor allem, dass wir diese digitalen Technologien nicht nur im Hintergrund einsetzen, sondern als Chirurgen selbst aktiv in den gesamten Ablauf integriert sind. Das bedeutet: Wir bereiten die Operation computerunterstützt vor, planen die Versorgung mit Transplantaten passgenau und können die Software-Tools kontinuierlich optimieren. Dadurch entstehen keine starren Abläufe, sondern flexible, an den Einzelfall anpassbare Lösungen. Auch die Möglichkeit, intraoperativ Daten zu erfassen und sofort zu interpretieren, wollen wir stetig ausbauen. So schaffen wir eine direkte Verknüpfung zwischen Forschung, technischer Entwicklung und der bestmöglichen Patientenversorgung.

Wie sollen die Integration von VR-Technologien und das neue „Skills Lab“ die Ausbildung von Medizin- und Zahnmedizinstudierenden in Leipzig verbessern?

Die virtuelle Realität ermöglicht es uns, praktische Fertigkeiten in einer sicheren, realitätsnahen Umgebung zu üben, bevor Studierende sie am Patienten anwenden. Ein Beispiel dafür ist unser neu entwickelter „virtueller Spritzenkurs“, bei dem angehende Zahnärzte eine Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior in einem virtuellen ambulanten OP-Saal trainieren können. Ich erinnere mich noch gut an eine eigene, recht unangenehme Erfahrung während meines Studiums, als ein Kommilitone an mir das Legen einer solchen Leitungsanästhesie übte. Genau in solchen Momenten hätte ich mir gewünscht, dass wir schon damals an einem virtuellen Modell Routine sammeln konnten. Diese Art von Training nimmt den Druck aus der Situation, erlaubt Fehlversuche ohne Risiko und sorgt dafür, dass die Studierenden später am echten Menschen viel sicherer und selbstbewusster agieren. Dabei setzen wir nicht nur auf virtuelle Modelle, sondern entwickeln zum Beipsiel mithilfe unseres neu angeschafften Silikondruckers auch lebensechte, weichbleibende Modelle. So können zum Beispiel oralchirurgische Eingriffe (Schnittführungen, Wundverschluss, intraorale Lappenplastiken bis hin zu Weisheitszahnosteotomien) oder Schritte bei der Operation von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten noch realistischer simuliert werden. Das „Skills Lab“ bietet hierfür den geeigneten Rahmen, um virtuelle Lernmodule und haptische Modelle miteinander zu verbinden und dadurch den Lernprozess nachhaltig zu verbessern.

Wie möchten Sie die Zusammenarbeit zwischen der MKG-Chirurgie und der Zahnklinik in Leipzig weiterentwickeln, um sowohl die Patientenversorgung als auch die interdiszi plinäre Ausbildung zu optimieren?

Unsere Disziplinen ergänzen sich hervorragend: Während die MKG-Chirurgie die Schnittstelle zwischen Medizin und Zahnmedizin darstellt, bringt die Zahnklinik wertvolle Expertise im Bereich Prothetik, 3D-Planung und zahnärztliche Behandlung mit. Ich sehe großes Potenzial darin, unsere Teams stärker zu vernetzen und gemeinsame Fallbesprechungen sowie OP-Planungen noch enger abzustimmen. Die Kooperation zwischen den Kliniken ist aber bereits jetzt sehr eng – etwa bei der gemeinsamen Implantatplanung zwischen Prothetik und MKG oder in unseren Dysgnathie- und Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten-Sprechstunden mit der Kieferorthopädie. Darauf möchte ich weiter aufbauen. Konkret planen wir eine gemeinsame 3D-Druckstrecke mit der Prothetik und der Kieferorthopädie, damit wir unsere Synergien und die vorhandene Infrastruktur noch besser ausschöpfen können.

Außerdem möchte ich die NAM-Technik (Nasoalveoläres Molding) einführen, mit der Säuglinge mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte vor der eigentlichen Operation optimal vorbereitet werden. Ziel all dieser Initiativen ist es, Patientinnen und Patienten ein umfassendes, fachübergreifendes Behandlungskonzept zu bieten und zugleich Studierende von Anfang an in ein vernetztes Arbeiten einzubinden. Für unsere Zahnmedizinstudierenden ist es besonders wertvoll, die verschiedenen Fachdisziplinen bereits im Studium vernetzt zu erleben. Sie profitieren schon jetzt von gemeinsamen Fallbesprechungen und Hospitationen, durch die sie lernen, komplexe Fälle ganzheitlich zu betrachten. Dieser enge Austausch zwischen den Fachgebieten bereitet sie gezielt auf die Herausforderungen im späteren Berufsalltag vor und fördert die Entwicklung innovativer Behandlungskonzepte.

Weitere Infos zur MKG am Universitätsklinikum Leipzig auf: www.uniklinikum-leipzig.de/einrichtungen/mkg

Dieser Artikel ist im OJ Oralchirurgie Journal erschienen.

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