Branchenmeldungen 19.01.2024
Streitschlichter im Auftrag des Handwerks
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Als von der Handwerkskammer Lübeck „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ für das Zahntechniker-Handwerk wird ZTM Thomas Breitenbach im Streitfall oder bei Gerichtsverfahren für gutachterliche Tätigkeiten hinzugezogen, insbesondere auch zur Vermeidung oder Beilegung von Auseinandersetzungen. Im Interview erläutert er seine Passion für das Handwerk und sein Vorgehen bei gerichtlichen sowie privaten Gutachten.
Wann und warum haben Sie sich für das Handwerk Zahntechnik entschieden?
Schon als Kind war ich handwerklich interessiert, habe viel gebastelt, und so lag es nah, mich für einen Handwerksberuf zu entscheiden. Nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker bekam ich die Chance zu einer weiteren Ausbildung zum Zahntechniker, die ich dann mit 23 Jahren erfolgreich abschließen konnte. Es folgten die notwendigen „Wanderjahre“ durch verschiedene Betriebe und später die Meisterprüfung. Als politischer Mensch habe ich mich schnell in der Standespolitik engagiert, wurde Mitglied im Vorstand der Innung Hamburg und Schleswig-Holstein und sitze dieser seit 2011 als Obermeister vor. Darüber hinaus bin ich im Bundesverband der Zahntechniker-Innungen (VDZI) als Vorstandsmitglied tätig.
Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf besonders?
Jeder „Fall“ ist ein anderer, jeder Patient braucht ein individuelles Produkt – das macht unseren Beruf so vielseitig. Wir arbeiten mit vielen unterschiedlichen Materialien, die wir sinnvoll miteinander kombinieren. Eine enge Zusammenarbeit mit den Zahnärzten für die optimale, individuelle Versorgung der Patienten ist Basis des täglichen Geschäftes und erhöht die Freude an diesem schönen Beruf.
Wie haben Sie sich als Sachverständiger für das Zahntechniker-Handwerk qualifiziert?
Neben meinem jahrzehntelangen Erfahrungsschatz wurde ich durch einen Sachverständigen der Südbayerischen Zahntechniker-Innung auf meine Sachkenntnis und persönliche Eignung geprüft.
Wann und für wie lange wurden Sie zum Sachverständigen bestellt?
Seit dem 7. Oktober 2014 bin ich von der Handwerkskammer Lübeck bestellt und muss dies alle fünf Jahre mit entsprechenden Fortbildungsnachweisen erneuern.
Ob die Bewertung von Herstellungsschäden oder die Passgenauigkeit der zahntechnischen Arbeiten – in welchen Fällen werden Sie als Sachverständiger hinzugezogen?
Ich erstelle je nach Sachlage Gerichts- oder Privatgutachten in der Zahntechnik. Zahnersatz ist eine langfristige Investition in den eigenen Körper und die Gesundheit. Zahnärzte und Patienten erwarten selbstverständlich Körperverträglichkeit, Funktionalität, Ästhetik und Haltbarkeit, also hochwertige Qualität. Sind Zahnärzte oder Patienten mit der zahntechnischen Arbeit oder Abrechnung unzufrieden, kann es zu Streitigkeiten kommen.
Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Zahntechniker-Handwerk erstelle ich in solchen Fällen Gutachten für alle Aspekte der Zahntechnik. In diesem Zusammenhang fertige ich eine sachliche und neutrale Betrachtung des Zustandes der zahntechnischen Arbeiten. Außerdem berechne ich den Schaden und/oder schätze die Rechnung für die Leistungen der Zahntechnik ein. Meine Auftraggeber sind Gerichte, Patienten oder deren Vertreter.
Was sind Ihrer Einschätzung nach die Hauptursachen für Rechtsstreitigkeiten zwischen Zahnarzt und Patient?
Wie so oft im Leben gibt es hier einen unerschöpflichen Fundus an Streitgründen. Allerdings kommt es glücklicherweise nur äußerst selten zu Streitigkeiten. In der Regel werden Unzufriedenheiten auf dem normalen Kulanzweg ohne gutachterliche Beteiligung aus dem Weg geräumt.
Gibt es ein standardisiertes Vorgehen im Streitfall?
Jeder Fall liegt anders. In der Mehrzahl der Fälle werde ich als Gerichtsgutachter bestellt. Hier besteht meine Aufgabe darin, dem Gericht die notwendige fachliche Expertise zu liefern. Dazu werden mir vom Gericht spezifische Fragen gestellt, die ich dann nach bestem Wissen und Gewissen beantworte. Hierzu wird die Frage analysiert und gegebenenfalls beim Richter nachgefragt, wenn Unklarheiten zum Verständnis der Sachfragen bei mir entstehen. Dann können Inaugenscheinnahme, Materialprüfungen, spezifische Recherchen und vieles mehr folgen, um durch daraus resultierende Einschätzungen zur Klärung der Sachfragen beizutragen.
Wie stellen Sie Ihre unparteiische, unabhängige und objektive Meinung zu einem Fall sicher, wenn Sie den betreffenden Zahntechniker womöglich persönlich kennen?
Indem ich meine mögliche Befangenheit dem Gericht mitteile und somit von der Pflicht zur sachverständigen Beurteilung entbunden werden kann. In solch einem Fall wird ein anderer Sachverständiger beauftragt.
Wie erfolgt die Abrechnung eines Gutachtens?
Bei Privatgutachten erfolgt diese nach einem mit dem Auftraggeber vertraglich festgelegten Kostenrahmen. Bei der Bestellung durch ein Gericht gelten die Richtlinien des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).
Sie sind Teil des Dentallabors Emanuel Zahntechnik in Schwentinental und gleichzeitig öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Ihrer Selbstständigkeit und dieser Tätigkeit?
Neben der Eigenschaft als Unternehmer bin ich ja auch noch Bürger. Mein Selbstverständnis als eben dieser Bürger wurde mir durch meine Erziehung in der Form nahegebracht, dass ich als Mitglied unserer freien Gesellschaft von dieser nicht nur die Vorteile beanspruchen darf, sondern dieser Gesellschaft auch verpflichtet bin – meine Eltern nannten das Bürgerpflicht. Innerhalb dieses moralischen Kodex empfinde ich die Trennung meiner persönlichen Begehrlichkeiten und meinem Auftrag zur neutralen, sachkundigen Bewertung keinesfalls als Spagat, sondern als meinen kleinen Beitrag zur Sicherstellung eines funktionierenden Miteinanders.
Vielen Dank für das Gespräch.
Dieser Beitrag ist in der ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor 6/2023 erschienen.