Branchenmeldungen 16.06.2025

Teil 2: Wie viel Mensch braucht KI in der Zahntechnik?



Im ersten Teil der Artikelserie wurde die Entwicklung der KI und ihr Übergang von KI 1.0 zu KI 2.0 betrachtet. Dabei wurde festgestellt, dass dieser Wandel von der reinen Automatisierung bestehender Prozesse zu einer grundlegenden Transformation der Arbeit führen kann. Teil 2 der Serie widmet sich nun einigen entscheidenden Fragen.

Teil 2: Wie viel Mensch braucht KI in der Zahntechnik?

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Während die erste Phase der KI-Anwendungen – vereinfacht KI 1.0 genannt – branchenübergreifend primär die Effizienz steigerte, werden KI-Trends wie agentische KI, Edge-Computing oder multimodale Systeme die Arbeit verändern. Doch wie wird diese Transformation das Verhältnis zwischen Zahntechnik und Technologie definieren? Wo bleiben menschliche Expertise und handwerkliches Können in einer zunehmend digitalisierten Branche?

Zwischen Euphorie und Skepsis: Ein Realitätscheck

Bei aller technologischen Faszination ist ein ehrlicher Blick auf den Status quo wichtig. Drei Aspekte prägen die aktuelle Situation:

Sinnvolle Integration vs. technologischer Overkill

Neue Systeme bieten faszinierende Möglichkeiten – doch die Herausforderung liegt in der sinnvollen Integration in bestehende Workflows. Wo ist der „Sweet Spots“ zwischen Innovation und bewährten Prozessen? Labore, die KI als Erweiterung ihrer Kompetenzen begreifen und nicht als Ersatz, werden die überzeugendsten Resultate erzielen.

Mensch und Maschine: Wer führt Regie?

Wichtig ist es, die potenziellen Risiken von Black-Box-Entscheidungen zu kennen. Hier ist Transparenz entscheidend. Die „erklärbare“ KI (Explainable Artificial Intelligence, XAI) gibt Anwendern die Möglichkeit, KI-Entscheidungen zu verstehen, zu bewerten und ggf. einzugreifen. Labore, die Grenzen der Verantwortung definieren und Mechanismen zur Überprüfung von KI-Entscheidungen implementieren, schaffen produktive Mensch-Maschine-Symbiosen.

Datenökonomie vs. Datenschutz

Multimodale KI-Analyse erfordert eine umfassende Dateninte­gration. Die fortschrittlichen Systeme benötigen eine kritische Masse an Trainingsdaten für optimale Ergebnisse. Hierbei muss der Schutz sensibler Patientendaten gewährleistet sein. Die Erfassung und Nutzung von Patientendaten werfen recht­liche und ethische Fragen auf.

Vier denkbare Zukunftsfelder für die Zahntechnik

In dieser Artikelserie beleuchten wir verschiedene Entwicklungsfelder der KI, die in anderen Branchen teils Realität sind und bald die Zahntechnik prägen könnten oder es bereits tun.

1. LLM-basierte Assistenzsysteme und Reasoning-Modelle

Die technologische Basis hinter Sprach-KI-Systemen wie ChatGPT finden Eingang in die (Zahn-)Medizin. Die Systeme verarbeiten Patientenakten, Fachliteratur und klinische Daten. Ihre Stärke liegt darin, komplexe Zusammenhänge (Vorerkrankungen, anatomische Besonderheiten etc.) in die Behandlungsplanung einzubeziehen. LLMs arbeiten primär mit statistischen Wahrscheinlichkeiten, wohingegen Reasoning-Modelle auf logischen Schlussfolgerungen basieren.

2. Generative Designsysteme

Ähnlich wie bei bildgenerierenden KI-Systemen wie DALL-E entwickeln sich in der Zahntechnik Ansätze zum generativen ­Design. Statt vorhandene Vorlagen zu adaptieren, erzeugen Systeme eigenständig neue Restaurationsvorschläge basierend auf funktionellen und ästhetischen Parametern.

3. Immersive Kollaborationstechnologien

VR-gestützte Plattformen verändern die Zusammenarbeit zwischen Labor und Praxis. In der virtuellen Welt arbeiten alle Beteiligten standortunabhängig und in Echtzeit an restaurativen Konzepten.

4. Adaptive Fertigungssysteme

Statt mit vordefinierten Programmen könnten CAM-Fertigungssysteme die Produktionsparameter in Echtzeit an die spezifischen Eigenschaften des individuellen Werkstücks anpassen. Diese Art der Fertigung verspricht höhere Präzision, mehr Materialeffizienz und weniger Ausschuss.

Was bleibt, wenn KI regiert? Die Intelligenz der Hände

Bei aller Euphorie für die Möglichkeiten bleibt eine zentrale Erkenntnis: Die „Intelligenz der Hände“ – das intuitive Verständnis erfahrener Zahntechniker für Material, Ästhetik, Funktion und vor allem der Mensch hinter dem Datensatz – lässt sich nicht vollständig digitalisieren. Die Zukunft der Zahntechnik liegt in einer Symbiose, in der menschliche Expertise und KI ihre Stärken einbringen. Die Transformation mitzugestalten – das ist die aktuelle Herausforderung der Zahntechnik. Das alles mag anspruchsvoll sein, doch es ist die größte Chance unserer Branche seit Jahrzehnten.

KI-Begriffe kurz erklärt

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  • Agentische KI kann zielorientiert und selbstständig Aufgaben planen und ­a­­usführen.
  • Reasoning Models ­können komplexe Probleme schrittweise und ­logisch lösen.
  • LLM (Large Language Model) ­Sprachmodell (z. B. ChatGPT), das aus enormen Datenmengen lernt, Texte verstehen und generieren kann.
  • XAI (Explainable AI/Erklärbare KI): KI-Systeme, deren Entscheidungen für Menschen nachvoll­ziehbar sind.
  • Hybride Systeme: Systeme, die menschliche und künstliche Intelligenz ­kombinieren, um Aufgaben ­gemeinsam zu lösen.
  • Generatives Design: Ein Designprozess, bei dem KI-Algorithmen auf Basis vorgegebener Parameter auto­matisch verschiedene Designoptionen erstellen.
  • Virtuelle Realität (VR): Eine computergenerierte ­Umgebung, die vom Benutzer als real wahrge­nommen wird und Interaktionen ermöglicht.

Strategische Integration: Mögliche Erfolgsansätze

Für eine erfolgreiche Integration fortschrittlicher KI-Technologien in den Arbeitsalltag könnten sich vier Ansätze als besonders wirksam erweisen:

1. Prozessorientiertes Denken statt Punktlösungen

Der größte Mehrwert entsteht durch die Neugestaltung von ­Gesamtprozessen. Die isolierte Betrachtung einzelner Optimierungspunkte greift zu kurz. Die entsprechenden Lösungen sollten sich nahtlos in digitale Arbeitsabläufe integrieren.

2. Definierte Schnittstellen zwischen Mensch und KI

Ideale Anwendungsszenarien entstehen dort, wo die Interaktion zwischen Mensch und Maschine strukturiert ist. Besonders bei komplexen KI-Systemen ist Transparenz entscheidend.

3. Crossfunktionale Hybrid-Teams bilden

Die Zukunft gehört hybriden Teams mit diversifizierten Kompetenzprofilen: zahntechnisches Handwerk, digitales Design und KI-Verständnis.

4. Schrittweise Skalierung nach erfolgreicher Pilotierung

Die erfolgreiche KI-Integration beginnt mit klar umrissenen Anwendungsfällen, deren Wirksamkeit messbar evaluiert wird. Auf Basis dieser Erkenntnisse erfolgt die schrittweise Erweiterung.

In der nächsten Ausgabe: „Generatives Design – wenn Algorithmen Zahnersatz entwerfen“ – eine Betrachtung der revolutionären KI-gestützten Modellierung, bei der moderne generative Systeme nicht nur Zahnformen adaptieren, sondern eigenständig funktional optimierte Designs erschaffen. Die Technologie verschiebt Produktivitätsgrenzen und definiert die klassische Rolle des Zahntechnikers neu – mit überraschenden Einblicken in die Möglichkeiten, die heute bereits Realität sind.

Produkteecke: KI-Lösungen im Fokus

DentBird AI: Cloudbasierte Lösung (generative KI) für vollautomatisches Kronendesign. Die webbasierte Plattform generiert innerhalb von Sekunden Designs basierend auf Intraoralscans. Das Pay-­per-Use-Modell ermöglicht einen kostengünstigen Einstieg. Besonders interessant: die „Batch App“ für gleichzeitiges Bearbeiten mehrerer Fälle. In Deutschland exklusiv über Dental Direkt erhältlich. dentbird.com/ 

Bite-Finder: KI-gestützte Software zur automatischen Okklusionsanalyse und Bissregistrierung. Das System analysiert digitale Modelle und berechnet die optimale Bissposition unter Berücksichtigung dynamischer Bewegungsmuster. Die innovative XAI-Komponente visualisiert Entscheidungsfaktoren und ermöglicht manuelle Anpassungen. bite-finder.com/

Smile.Cloud: Cloudbasierte, KI-gestützte Plattform für digitales Smile Design mit fotorealistischen Simulationen eines Wunschlächelns. Die Software nutzt KI und biometrische Daten für realitätsnahe Designs. Zentrale Features: Integration von 2D-/3D-Daten, cloudbasierte Fallverwaltung, Team-Kollaboration und GDPR- konformer Datenschutz. www.straumann.com/de

ZT Björn Rose...


CAD/CAM-Experte bei Dental Direkt: „Als CAD/CAM-Spezialist bin ich beeindruckt vom vollautomatisierten Design von DentBird. Was mich täglich aufs Neue begeistert, ist die Kombination aus Geschwindigkeit und Präzision. Die Software erkennt selbstständig präparierte Zähne und Präparationsgrenzen – eine enorme Zeitersparnis. Dabei behält man jederzeit die kreative Kontrolle, denn manuelle Eingriffe sind problemlos möglich. Auch die Batch-Verarbeitung vieler Fälle auf einmal – z. B. über Nacht – hat meinen Arbeitsalltag verändert.“ [mehr dazu in Teil 3 der Artikelserie in der ZWL 4/25]

Dieser Beitrag ist in der ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor erschienen.

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