Branchenmeldungen 15.05.2013
Wachstumsmarkt Gesundheitsnetze
Der Wandel im Gesundheits- und Sozialwesen schreitet unaufhörlich voran. Wachsende Bedeutung erhält hier die Organisation von Ärzten und Zahnärzten in sogenannten „Netzen“, die im Verbund die disziplinübergreifende, optimale und kontinuierliche Versorgung des Patienten gewährleisten. Auch betriebswirtschaftliche Aspekte treten im Arbeitsalltag von Arztpraxen immer stärker in den Vordergrund. Die Relevanz von Arztnetzen ist in den letzten Jahren so stark gewachsen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen entschieden haben, mit der zum 1.4.2013 in Kraft getretenen Netzwerkförderung nach §87b SGB V die Netzwerke auch finanziell zu unterstützen.
Das Dentalhygiene Journal diskutiert mit Manuel Dolderer (MD), Geschäftsführer der praxisHochschule für Gesundheit und Soziales, und Prof. Thorsten Auschill (TA), Leiter des dortigen Studiengangs Dentalhygiene und Management, die aktuellen Entwicklungen und Tendenzen.
Warum tritt das Thema Netzwerk im Hinblick auf den Wandel des Gesundheitssystems immer stärker in den Vordergrund?
MD: Es macht sich zunehmend die Erkenntnis breit, dass viele Erkrankungen nicht als isoliertes Problem, sondern nur mit dem Blick auf den gesamten Patienten und seine gesundheitliche und soziale Situation nachhaltig behandelt werden können. Das bedeutet, dass es nicht ausreicht, wenn der Patient nacheinander von verschiedenen (Fach-)Ärzten und anderen Gesundheitsakteuren begutachtet und behandelt wird; diese Akteure müssen sich auch über den Patienten miteinander austauschen und ihre Behandlung abstimmen. Und sobald man versucht, diesen patientenbezogenen Austausch zu institutionalisieren, entsteht ein Netzwerk.
Wo gibt es jetzt schon Probleme im Arbeitsalltag eines Arztes?
TA: Die Probleme im Arbeitsalltag eines Zahnarztes sind sehr weitläufig. Verschiedenste Aufgabenstellungen müssen koordiniert werden. Sehr oft treten unvorhergesehene Herausforderungen spontan auf, welche in den geplanten Arbeitsablauf kurzfristig integriert werden müssen. Aus diesem Grunde ist eine Delegation von Arbeitsschritten an Mitarbeiter unumgänglich, wobei die Verantwortlichkeit und Haftung stets beim Arzt liegt. Die Diskrepanz zwischen der Delegation an eigenverantwortliche und zuverlässige Mitarbeiter und juristischer Haftbarkeit zu überwinden, stellt oft ein Problem dar.
MD: Zu diesen Aufgabenstellungen kommt nun in immer stärkerem Maße noch die Herausforderung, sich mit anderen Ärzten und Leistungserbringern im Gesundheits- und Sozialwesen zu dem jeweiligen Patienten und seiner Behandlung auszutauschen und abzustimmen.
Welche betriebswirtschaftlichen Anforderungen entstehen durch die neuen Strukturen?
MD: Jede neue Struktur, jedes neue Versorgungs- oder Forschungsnetzwerk schafft für die daran Beteiligten zuerst einmal mehr Arbeit. Die Lösung kann also nicht sein, dass der einzelne Arzt und Zahnarzt nun Teil von vielen kleinen Netzwerken werden muss, die alle zusätzlichen Verwaltungsaufwand produzieren. Er muss vielmehr dafür sorgen, dass die notwendigen Voraussetzungen für die erfolgreiche Teilnahme an Netzwerken geschaffen werden. Die beste Lösung hierfür ist sicherlich ein entsprechend geschulter Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin – eben ein eigener Netzwerkmanager.
Das Versorgungsebenenmodell sieht eine Stärkung der wohnortnahen Versorgung vor. Welche Perspektiven und Optionen entstehen durch eine regionale Vernetzung?
TA: Allein die Gesundheitsnetzwerke werden langfristig eine wohnortnahe Versorgung für alle GKV-Versicherten gewährleisten können – speziell in ländlichen oder sozial schwachen Regionen. Unabdingbar ist daher die Förderung von Intra- und Interdisziplinarität sowie einer intersektoralen Vernetzung auf lokaler Ebene.
MD: Die regionale Vernetzung stellt in diesem Sinne aber nicht nur eine dringende Notwendigkeit dar, sondern auch eine große Chance. Während unser Gesundheitssystem bis heute von bundeseinheitlichen Versorgungsverträgen dominiert wird, die auf Spitzenverbandsebene in Berlin geschlossen werden, erlaubt eine regionale Vernetzung, die Bedarfe, Bedürfnisse, Gegebenheiten und Herausforderungen der jeweiligen Region bei der Vernetzung zu berücksichtigen. Das setzt allerdings voraus, dass alle Akteure des Gesundheits- und Sozialwesens die innerbetrieblichen Voraussetzungen für eine solche Vernetzung schaffen müssen.
Durch den Wachstumsmarkt Gesundheitsnetze entstehen auch neue Berufsbilder, die sich stärker im betriebs- oder volkswirtschaftlichen Bereich orientieren. Die Hochschule für Gesundheit und Soziales bietet passend hierzu neue Studiengänge an – wie sehen diese genau aus?
MD: Der erste Studiengang – Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen – konzentriert sich vor allem auf die betriebswirtschaftlichen Themen und Fragestellungen, mit denen sich Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens heute und in Zukunft konfrontiert sehen. Der zweite Studiengang – Management von Gesundheitsnetzwerken – schaut stattdessen mehr auf den Netzwerkzusammenhang und die dafür notwendigen makroökonomischen, rechtlichen und strukturellen Grundlagen. Die Absolventen der beiden Studiengänge ergänzen sich sehr gut: Während der erste dafür sorgt, dass einzelne Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, seien es Zahnärzte, ambulante Pflegedienste oder stationären Reha-Einrichtungen, innerbetrieblich und organisatorisch so aufgestellt sind, dass sie die Voraussetzungen für die erfolgreiche Teilnahme an Versorgungsnetzwerken besitzen, konzentriert sich der andere darauf, solche Versorgungsnetzwerke zu konzipieren, vertraglich zu gestalten, aufzubauen, in der operativen Umsetzung zu begleiten und zu evaluieren. Letzterer kann dabei sowohl als Angestellter eines Anbieters von Gesundheits- und Sozialleistungen als auch bei Krankenkassen oder öffentlichen Einrichtungen arbeiten.
In welchen Positionen werden die Absolventen der Hochschule arbeiten können?
MD: Wenn unsere Studenten sich in dem Maße persönlich wie fachlich entwickeln, wie das unser Curriculum und unsere Didaktik erwarten lassen, dann steht ihnen der Weg in verantwortliche und gestaltungsstarke Positionen im Gesundheits- und Sozialwesen offen. Das kann von der Verantwortung für einzelne betriebswirtschaftliche Teilbereiche über die Führung kleiner Teams bis hin zum Management einer gesamten Einrichtung oder eines Versorgungsnetzwerks gehen.
Warum ist ein Managementstudium für Gesundheits- und Sozialeinrichtungen oder Gesundheitsnetzwerke auch für ZFAs interessant?
TA: Auch in Zahnarztpraxen fallen diverse fachlich orientierte administrative Tätigkeiten und bürokratische Verwaltungsaufgaben an. Durch eine Überschneidung der Aufgabenbereiche und das Fachwissen der ZFA entstehen gerade hier große Wissensvorteile. Qualifizierte Verwaltungsfachkräfte mit dem zahnärztlichen Hintergrundwissen bereichern gerade eine Zahnarztpraxis bei speziellen Fragestellungen.
Interdisziplinär, interprofessionell und immer einen Schritt voraus
Der Wandel im Gesundheits- und Sozialwesen erfordert ein Umdenken in allen Bereichen. So wird die Delegation nichtärztlicher Tätigkeiten vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen von entscheidender Bedeutung sein – ob es sich um die erfolgreiche Führung von Gemeinschaftspraxen und medizinischen Versorgungszentren handelt oder um die Begleitung von Patienten durch den Dschungel des Gesundheitssystems.
An allen Punkten ist ein professionelles Management zwingend erforderlich. Komplexe Zusammenhänge müssen erkannt, geplant, realisiert und kontrolliert werden, um effizient und effektiv arbeiten und den Patienten bestmöglich versorgen zu können. An dieser Stelle setzen die neuen Bachelor-Studiengänge der praxisHochschule für Gesundheit und Soziales an. Im Herzen von Köln werden daher ab Oktober 2013 folgende Management-Studiengänge angeboten:
– Bachelor Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen (B.A.)
– Bachelor Management von Gesundheitsnetzwerken (B.A.)
– Bachelor Dentalhygiene und Management (B.Sc.)
Bachelor of Science in Dentalhygiene und Management
So ist der Bachelor of Science in Dentalhygiene und Management (B.Sc.) der erste Studiengang seiner Art in Deutschland. Er bildet zahnmedizinische Prophylaxe-Spezialisten aus, die sich für die Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit ihrer Patienten einsetzen. Der Bachelor Dentalhygiene und Management ist als zweithöchste Ausbildungsstufe direkt hinter dem Zahnarzt einzuordnen. Während sich dieser Studiengang konkret im zahnmedizinischen Bereich orientiert, sind die beiden anderen Studiengänge gezielt darauf ausgerichtet, die neuen Berufsbilder im Gesundheits- und Sozialwesen bedienen zu können. Den Absolventen der Management-Studiengänge werden fundierte Kenntnisse zu allen betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und organisatorischen Aspekten einer Gesundheits- oder Sozialeinrichtung vermittelt. Hierbei gibt es jedoch zwei unterschiedliche Schwerpunkte:
1. Bachelor Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen
Die Absolventen des Bachelor Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen (B.A.) werden auf Managementpositionen in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen vorbereitet, u.a. den sogenannten Praxismanager. Sie können u.a. in Arztpraxen, Gemeinschaftspraxen, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), Krankenhäusern, Krankenkassen, Sozialverbänden oder Sozialeinrichtungen leitende Aufgaben übernehmen.
2. Bachelor Management von Gesundheitsnetzwerken
Ein Bachelor Management von Gesundheitsnetzwerken (B.A.) vermittelt nach seinem Studium zwischen Institutionen des Gesundheits- und Sozialwesens oder initiiert Kooperationen fachärztlicher Disziplinen. Auch der Aufbau von Versorgungsnetzwerken und die Begleitung chronisch kranker Patienten gehört zu seinen Aufgaben.
Die drei dualen Studiengänge kombinieren akademisches Studium und berufliche Praxis, da sie als berufsbegleitendes und als ausbildungsintegrierendes Vollzeitstudium angeboten werden. Die Präsenzphasen finden in Kleingruppen an der praxisHochschule im Herzen Kölns statt.