Branchenmeldungen 15.05.2024

Weg vom „Feuerlöscher-Modus“: Tools für weniger Stress im Labor



Weg vom „Feuerlöscher-Modus“: Tools für weniger Stress im Labor

Foto: absent84 – stock.adobe.com

Die soeben veröffentlichten Ergebnisse der neuesten Umfrage des Verband medizinischer Fachberufe e.V. (vmf) zur Stressbelastung in Dentallaboren sind erschreckend: 72 Prozent der angestellten Zahntechniker in Deutschland, auch Meister in Führungsverantwortung, bewerteten ihren Arbeitsstress als hoch. Laborinhabern geht es da nicht anders. Ergänzen wir diese Umfrage mit Daten aus den USA (Anatomy of Work Index 2021; Haas School of Business; University of California Berkeley), fühlten sich durchschnittlich 9 von 10 der Mitarbeitenden gestresst! Auch wenn wir berücksichtigen, dass die Studie die Pandemie-Jahre inkludiert, sind die Zahlen verheerend: einerseits vor dem Hintergrund psychischer Gesundheit, andererseits vor dem Thema, Nachwuchskräfte für den Beruf begeistern zu wollen. Werfen wir also einen Blick auf die Dinge, die Sie beeinflussen können, um für sich selbst und Ihre Mitarbeitenden weniger Stress im Alltag zu haben.

Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung von Stress und Stressfaktoren. Hier die beiden wichtigsten Stressbereiche:

Arbeitsumfeld

  • Mangelnde Planbarkeit (unvorhersagbare Probleme mit Materialien oder Geräten, häufige Störungen durch Telefonate, Reparaturen oder Übernahme von Arbeiten kranker Kollegen)
  • Zeit- und Termindruck (bei gleichzeitig hoher Qualitätsanforderung)
  • Arbeitspensum (Menge und Komplexität der Aufgaben)
  • Fehlende Informationen
  • Körperliche Belastung (hoher Lärmpegel, unergonomische Arbeitshaltung)

Soziales Umfeld

  • Mangelnde Wertschätzung (Auswirkungen auf die psychische Gesundheit)
  • Konflikte und eigene mentale Haltung (Selbstreflexion) 

Tools zum Senken des Stresspegels

Praxistipp 1: Prüfen Sie – Was liegt in Ihrem Macht- und Einflussbereich? Und was nicht?

Es liegen mehr Dinge in unserem Einflussbereich, als wir auf den ersten Blick annehmen. Manchmal sind wir nur nicht bereit, die Konsequenzen zu tragen. Natürlich können Sie z. B. längere Termine bei Ihren Zahnarzt-Kunden durchsetzen, konsequent Reparaturen nur nach Voranmeldung annehmen und nur noch in Ausnahmefällen verkürzte Produktionszeiten zulassen. Konsequenz kann sein, dass sich Kunden aufgrund der neuen Geschäftsbedingungen verabschieden. Denken wir allerdings weiter, kann es genauso gut sein, dass manche Ihrer Mitarbeiter aufgrund des Stresses und der Überlastung krank werden oder sich verabschieden, wenn Sie mit diesen Kunden weiterarbeiten. Machen Sie hier den „Preisvergleich“: Welchen Preis sind Sie bereit, zu zahlen?

Gedankenimpuls: Zurzeit ist es leichter, neuen Umsatz und neue Kunden zu bekommen als qualifiziertes Fachpersonal. Schützen Sie Ihre Mitarbeitenden vor Stress und arbeiten Sie mit einer guten Auslastungs- und Kapazitätsplanung, klaren Vorgaben bei Terminvergaben und sprechen Sie proaktiv mit Ihren Kunden, um das Reparaturgeschäft in etwas planbarere Bahnen zu lenken (Voranmeldung, Begrenzung der Anzahl, Verlängerung der Reparaturzeit). 

Praxistipp 2: Nutzen Sie das Pareto-Prinzip!

Häufig sind es wenige Faktoren, die für viel Stress sorgen. Ganz nach dem Pareto-Prinzip, der sogenannten 80-20-Regel. Sie besagt, dass 80 Prozent der Ergebnisse schon mit 20 Prozent des Aufwands erreicht werden können. Gleichzeitig benötigen die verbleibenden 20 Prozent 80 Prozent der Ressource. Übertragen auf unseren Stresspegel: Welche 20 Prozent bringen Ihnen 80 Prozent weniger Stress?

Viele Unternehmen – auch Labore – machen ca. 80 Prozent ihres Umsatzes mit ca. 20 Prozent ihrer Kunden. Gehören die stressigen, unstrukturierten Praxen zu den anderen 80 Prozent? Genauso könnten Sie schauen, welche 20 Prozent Ihrer Produkte Ihnen 80 Prozent Ihres Umsatzes bringen. Was ist Ihr absoluter Topseller? Welche 20 Prozent Ihrer Mitarbeitenden erarbeiten Ihnen 80 Prozent Ihres Umsatzes? Verstehen Sie die Zahlen 80-20 als Richtwert. Durchleuchten Sie Ihr Unternehmen mal danach. Sie werden überrascht sein und mit Ihrer neuen Entscheidungsgrundlage extrem hohe Effektivität und Effizienz erreichen.  

Praxistipp 3: Je unplanbarer Ihr Arbeitsalltag, desto notwendiger ist eine planvolle Vorgehensweise  

In meiner Erlebenswelt habe ich es häufig mit Laborinhabern zu tun, die sich täglich in einer Art „Feuerlöscher-Modus“ fühlen: Kaum betreten sie morgens das Labor, stürzt der erste Mitarbeitende auf sie zu, hat die erste Frage, Krankmeldungen werden verkündet, Rückrufe gefordert und erste Katastrophen vermeldet, die eine Terminverschiebung erforderlich machen. Und zack, sind sie im „Feuerlöscher-Modus“ und müssen erste Brände löschen.

Klar ist der Laboralltag kein Beamtenjob auf dem Bürgeramt. Genau deshalb sollten Sie Ihre Tagesstruktur umso planvoller angehen und Verantwortlichkeiten sowie Prozesse so optimieren, dass eben nicht alles an Ihnen hängen bleibt. 

Empfehlungen für einen planvolleren Arbeitsalltag

  • Backward Planning: Planen Sie wichtige und größere Vorhaben sowie Projekte vom Ergebnis rückwärts über die Monate hinweg. Im Anschluss gehen Sie jeden Monat durch, brechen die Maßnahmen auf die entsprechenden Wochen in diesem Monat herunter und verteilen die einzelnen Aufgaben. Der Trick ist, jetzt nicht detaillierter zu werden. Arbeiten Sie mit Wochenaufgaben! Damit fallen die wichtigen Dinge nicht ständig den dringenden zum Opfer.
  • Klarheit: Fokussieren Sie sich auf die Aufgabe, die Sie, neben Ihrem Tagesgeschäft, Ihrem wichtigsten Ziel am nächsten bringt. Wer kann Sie dabei unterstützen? Nehmen Sie sich EINE Sache vor, die Sie HEUTE dafür unbedingt erledigen wollen. Nur diese eine, dafür jeden Tag eine. Am Ende der Woche ziehen Sie kurz Resümee: Haben Sie Ihr Wochenziel erreicht oder ist etwas hängengeblieben, das Sie in die nächste Woche mitnehmen?
  • Routinen und Struktur: Beginnen Sie Ihren Morgen entspannt und starten Sie lieber eine Viertelstunde früher. Gehen Sie erst in Ihr Büro oder an Ihren PC-Arbeitsplatz, starten Sie Ihr Mailprogramm, öffnen Sie Ihren Kalender und schauen Sie dann auf Ihre Wochenplanung sowie Ihre Fokusaufgabe für den Tag. Eliminieren Sie weitestgehend (Ihr Macht- und Einflussbereich – Sie erinnern sich) alle unvorhergesehenen Dinge, wie unangemeldete Industrie-, Vertreter-, oder Patientenbesuche. Planen Sie Zeitslots für die Technik (größter Teil), aber planen Sie vor allem auch Zeitslots für Ihre Fokuszeit. Denken Sie auch dabei an die 80-20-Regel. Mit 20 Prozent der (richtig!) eingesetzten Zeit lassen sich 80 Prozent der Aufgaben erledigen – vor allem der wichtigen Aufgaben, nicht der dringenden.

Fazit

Um weg vom „Feuerlöscher-Modus“ zu kommen und weniger erlebbaren Stress im Alltag zu haben, braucht es eine planvolle Tagesstruktur. Selbstredend mit Platz und Zeitslots für alle Unwägbarkeiten, die die Zahntechnik mitbringt. Mit dieser Vorgehensweise bringen Sie sich selbst schon in eine andere Erlebniswelt und machen Ihrem Unterbewusstsein klar, dass Sie den Tag „im Griff“ haben. Und genau das ist ein entscheidender Schlüssel zu unserem Stressempfinden. Lassen Sie nicht zu, dass es so weit kommt, wie der Harvard-Dozent Michael Gartner mal formulierte: „Oft sind es nur 20 Prozent Jobmüll, die uns 80 Prozent vom Spaß an der Arbeit rauben.“

Dieser Beitrag ist in der ZT Zahntechnik Zeitung erschienen.

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