Branchenmeldungen 08.04.2024

Mit Passion für die Digitalität in der Zahntechnik



Mit Passion für die Digitalität in der Zahntechnik

Foto: Oliver Heinzmann

Hinter der historischen Fachwerkfassade des 1514 erbauten Hauses in Heppenheim vermutet niemand, dass die Digitalisierung längst Einzug gehalten hat – dabei schreibt das ansässige Labor Heinzmann-Zahntechnik seit über 55 Jahren eine Erfolgsgeschichte. Durch sein Interesse an ganzheitlicher Prothetik und die zunehmenden Möglichkeiten der Digitalisierung setzt ZTM Oliver Heinzmann seit 2014 auf 100 Prozent digitale Hightech-Zahntechnik. Warum CAD/CAM und 3D-Print Standard in seinem Arbeitsprozess sind und welche Chancen bzw. Risiken die fortschreitende Digitalisierung haben kann, erläutert er im Interview mit der ZT-Redaktion.

Herr Heinzmann, mit welchem Konzept positionieren Sie Ihr Labor in Heppenheim?

Ich habe mich auf Zahnersatz mit gleichmäßig hoher Qualität fokussiert. Mein Laborkonzept ist in den Grundzügen schon in den Jahren 1997–1999 entstanden. Da sich unser Labor bereits in der zweiten Generation befindet, bin ich sozusagen in die Materie hineingeboren worden: Mein Vater war Zahntechnikermeister, meine Mutter Zahntechnikerin – da lag es nicht fern, dass ich in diese Fußstapfen trete. 1999 erfolgte meine Meisterprüfung, in der ich meine Meistermappe „voll“ digital erstellt habe – damals ein absolutes Novum. 2004 habe ich schließlich meinen Eltern den Betrieb abgekauft und direkt mit den ersten Maßnahmen der Digitalisierung begonnen.

Wie sahen Ihre ersten Schritte hin zum digitalen Workflow aus und was war der Auslöser?

Ich war und bin immer neugierig und extrem technikbegeistert. Ich wollte schon immer meine Arbeiten effizienter fertigen. Auch der Umweltaspekt ist schon damals in meinem Kopf gereift. Zuerst war es die Umstellung auf papierlose Rechnungen und Onlinebanking. 2005 kam dann der erste Laborscanner hinzu, 2006 folgte die erste Fräsmaschine. Ebenso habe ich in die dentale Lasertechnologie investiert.

Stichwort Zahntechnik 4.0: Wie verlief die Umstellung von analogen zu digitalen Prozessen?

In meinem Betrieb absolut fließend. Ich habe den Markt immer intensiv beobachtet und dann entschieden, ob eine Maßnahme für mich Sinn ergibt und ob ich das finanziell schaffen kann.

Das digitale Labor wird von Ihnen gelebt. Welche CAD/CAM-Komponenten nutzen Sie?

Aktuell arbeiten mit mir zwei Frässysteme – eines nur für ZrO2, das andere für alle anderen Werkstoffe wie CoCr, Titan sowie alle möglichen Kunststoffe. Eine weitere Maschine ist in den nächsten zwei Jahren geplant. Zudem stehen derzeit acht 3D-Drucker zu meiner Verfügung. Ein leistungsstarkes LAN-Netzwerk und eine ultraschnelle Glasfaser-Anbindung ins World Wide Web sind ebenso für all dies zwingend nötig, zudem etliche Computer mit den unterschiedlichsten Software- und Betriebssystemen.

Die Kosten für die Anschaffung bzw. Etablierung digitaler Technologien im Dentallabor können hoch sein. Haben Sie Tipps für intelligente Investitionsstrategien?

Jetzt muss ich ein wenig schmunzeln. Ich habe immer den Nutzen einer betriebswirtschaftlichen Anschaffung z. B. über ein extrem schickes Kfz gestellt und auch auf viele Urlaubsreisen verzichtet. Gleichzeitig habe ich – wie alle Zahntechniker – meistens eine 100-Stunden-Woche+X erlebt. Zudem habe ich mich immer weitergebildet, sodass ich z. B. alle Computersysteme und das Netzwerk selbst aufgebaut habe. Genauso ist es mit den dentalen Techniken: Hier hilft nur Weiterbildung, Augen und Ohren auf sowie die Kommunikation mit Kollegen suchen etc. Leider ist unsere Ausbildung zum Zahntechniker schon seit 50 Jahren unterirdisch, sodass ich nicht ausbilden kann. Denn das, was ich ausbilden müsste, kommt bei mir im Alltag zu 0,0 Prozent vor, und das, was ich weitergeben könnte, wird in der Ausbildung leider nicht gewünscht ...

Bei der wirtschaftlichen Betrachtung stellt sich auch die Frage nach der Amortisation der Anschaffung. Wie sind diesbezüglich Ihre Erfahrungen aus dem Laboralltag?

Das ist in der Tat schwer zu beantworten. Als Einzelkämpfer denke ich lieber nicht zu sehr darüber nach. Aber eines kann ich hierzu doch sagen: Wenn ich als Labor Auftragsfräsungen von 2.000 Euro im Monat an die Industrie vergebe, dann schaffe ich mir für den gleichen Wert lieber meine eigene Maschine an – auch wenn ich sie über einige Jahre abbezahlen muss. Viel wichtiger ist für mich die Unabhängigkeit von der Industrie und die Flexibilität in meinem Schaffen. Gleichzeitig sind Fräsmaschinen eine interessante Wertschöpfung für den Betrieb, wenn sie einmal bezahlt und abgeschrieben sind.

Welche Vorteile hat Ihr Labor durch die Integration des digitalen Workflows?

Es ist nicht der digitale Workflow, es ist ein Workflow, der mithilfe der heutigen digitalen Möglichkeiten durchlaufen wird. Ich mache mir diese Möglichkeiten zunutze. Zahntechnik kann aber ebenso traditionell gefertigt werden und genauso hochwertig sein. Mein Vorteil ist, dass ich weitestgehend von anderen unabhängig bin. Ich habe keine Wartezeiten durch Outsourcing. In meinem Fall ersetzen mir diese Geräte Personal, das heutzutage sowieso sehr rar ist und durch die mangelhafte Ausbildung auch bei mir ohne interne Schulung nicht einsetzbar wäre. Aber zurück zu dem eigentlichen Workflow:

  • Vorteil I: Weniger Versandkosten. Ich kann die entstehenden Zeit- und Wegkosten nicht wie andere Branchen regulär berechnen, daher spült mir jeder Versandweg, den ich einspare, indirekt Geld in die Tasche. Zudem wird die Umwelt massiv entlastet.
  • Vorteil II: Zeitersparnis. Bei durchdachten Workflows spare ich Praxis- und Patientenzeit sowie meine Zeit ein, da sich in der Regel ein bis drei Sitzungen mit dem Patienten erübrigen.
  • Vorteil III: Gleichbleibend hohe Qualität der Arbeitsschritte durch Automation.

Wie haben sich die prothetischen Möglichkeiten mit den digitalen Technologien verändert?

Prothetische Möglichkeiten haben sich bei mir aus dem analogen Handwerklichen weitestgehend auf das Engineering verlegt, das heißt, ich entwerfe die prothetischen Maßnahmen ausschließlich am PC.

Digitale Technologien können auch dazu führen, dass Zahnärzte die Anfertigung bestimmter Arbeiten selbst übernehmen. Inwiefern stehen Sie heute als Labor zu Ihren Kunden im Wettbewerb?

Wenn ein Zahnarzt meint, er müsse zahntechnische Arbeiten selbst anfertigen, so ist das sein gutes Recht – ob das betriebswirtschaftlich Sinn für die Praxis ergibt, wage ich zu bezweifeln. Ein Zahnarzt verdient dann am meisten, wenn er sich zwischen seinen Patienten hin- und herbewegt und die Arbeiten verrichtet, für die er ausgebildet wurde. Die Industrie rechnet das oft sehr schön. Auch qualitativ gehört zu einer Krone nicht nur ein Dentalprogramm, welches eine schöne Krone berechnet. Es gibt Wissen, für das wir jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang trainieren, um dieses dann digital besser anwenden zu können. Ein gutes Beispiel ist der 3D-Druck: Den Zahnärzten und Technikern wird doch überall vermittelt: Wenn wir uns ein solches Gerät anschaffen, dann drücken wir nur einen Knopf und es kommt z. B. ein Modell heraus. Dass diese Modelle aber derart ungenau sind und dass jedes gute Modell aus Superhartgips deutlich besser sein kann, wird verschwiegen, denn dazu wird Fachwissen benötigt, welches ins Detail der Materie eintaucht – nämlich Hunderte verschiedene Parameter und Einstellmöglichkeiten, um einen 3D-Drucker zu kalibrieren. Welcher Zahnarzt würde dazu Stunden an Wissen investieren? Es fehlt schon oft am Wissen, einen ordentlichen und fehlerfreien Intraoralscan zu nehmen. Diese Fehlerquelle können wir Techniker nicht ausgleichen, sondern übernehmen diese Fehler 1 : 1 mit in unser Produkt.

Empfinden Sie den Digitalisierungsprozess als Chance oder als Gefahr?

Absolut als Chance! Stillstand ist Rückschritt, und wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Leider befürchte ich dieses Szenario auch für unser Handwerk.

Was sind Ihrer Meinung nach heutzutage die „Must-haves“ für ein Labor?

Definitiv mindestens ein Dentalscanner und eine gute CAD-Software. Außerdem ein fortwährendes Interesse an Weiterbildung und dann natürlich noch das eine oder andere dentale Gerät, um die tatsächlich noch anfallenden klassischen Handarbeiten durchführen zu können.

Was ist aktuell Ihr digitales Lieblingstool und warum?

Ich arbeite gerne mit der exocad, benutze aber nicht die allerneuste Version. Wenn ich genau hinschaue, kann auch mit einer älteren Version nahezu alles konstruiert werden, was auf dem Markt verlangt wird. Ansonsten ist jede Software am Anfang immer eine neue Herausforderung. Wenn sie aber verinnerlicht ist, macht das Arbeiten zwischen all den Programmen und Maschinen sehr viel Spaß.

Sehen Sie aktuell noch Lücken oder Stolpersteine im digitalen Workflow? Gibt es Bereiche, in denen das analoge Arbeiten zurzeit einfach noch „besser“ oder wirtschaftlicher ist?

Natürlich gibt es Stolpersteine. Es wird nie das Hundertprozentige geben. Es ist ein Prozess der Weiterentwicklung. Dieser beginnt bei der Auswahl der Materialien und endet im Grunde nie. Aber genau das ist es, was den Reiz ausmacht.

Was würden Sie sich von der Dentalindustrie im Zuge der Digitalisierung wünschen?

Mehr Ehrlichkeit gegenüber den Kunden und bessere Materialien. Weniger Einmischung in Fachgebiete, die andere Leute besser beherrschen.

Welche Projekte verfolgen Sie aktuell?

Mein Motto lautet: Weiter, immer weiter … Nie nach hinten schauen und sich auf das freuen, was kommt.

Vielen Dank für das offene Gespräch.

Dieser Beitrag ist in der ZT Zahntechnik Zeitung erschienen.

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