Branchenmeldungen 26.03.2024

Zahnbekenntnisse: Man kann es nicht jedem recht machen!



Zahnbekenntnisse: Man kann es nicht jedem recht machen!

Foto: Pawel Sosnowski

Der Dresdner Zahnarzt Dr. Christoph Meißner erhielt Anfang des Jahres das Bundesverdienstkreuz, überreicht vom sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Wofür ihm die hohe Auszeichnung verliehen wurde, welche Erfahrungen und durchaus auch Trugschlüsse hinter 32 Jahren Praxisführung stecken und was ein ehrenamtlicher Einsatz in Bolivien bewirken kann – all das verrät der folgende Interview-Beitrag in der ZWP-Reihe Zahnbekenntnisse.

Herr Dr. Meißner, wie fühlt es sich an, das Bundesverdienstkreuz zu erhalten und wofür genau wurden Sie ausgezeichnet?

Von der Nominierung wurde ich völlig überrascht. In der Begründung las ich, dass diese Auszeichnung nicht nur für mein Engagement bei der Ausbildung der ZFA in Sachsen, sondern auch für meine ehrenamtliche Tätigkeit als Richter am Sozialgericht, für den Hilfseinsatz in Bolivien innerhalb der Mitgliedschaft im Förderkreis Zahnmedizin für Lateinamerika Clinica Santa Maria e.V. (FCSM) sowie als Sänger im Kammerchor der Frauenkirche Dresden stand – das war eine große Überraschung, die mich natürlich stolz machte. Die Übergabe durch Michael Kretzschmer war besonders feierlich und für mich sehr bewegend. Ohne meine Frau und mein super Praxisteam wäre das alles nicht möglich gewesen – dafür ein großer Dank!

Sie sind seit 32 Jahren Zahnarzt – was haben Sie in Ihrem Berufsleben gelernt?

Eine wichtige Erkenntnis meiner Berufsjahre war, dass es nicht ausreicht, in der Praxis eine fast familiäre Atmosphäre zu haben – die Vergütung, Möglichkeiten zur Fortbildung sowie die Chance, Kompetenzen in der Praxis zeigen zu können, ist für Zahnmedizinische Fachangestellte außerordentlich wichtig. Früher dachte ich, Praxisführung ergäbe sich von selbst. Nach fast 32 Jahren in eigener Praxis weiß ich, dass klare Strukturen, kombiniert mit einer nicht zu flachen Hierarchie, für mich unbedingt notwendig sind. Die Entscheidung, eine eigene, allgemeinzahnärztliche Praxis zu gründen, bereue ich bis heute nicht! Anfangs meinte ich noch, alles selbst perfekt machen zu müssen, später verstand ich, dass es sehr hervorragende Spezialisten gibt, mit denen ich gut, verbindlich und für alle Seiten vorteilhaft zusammenarbeiten konnte.


„Für mich ist ZFA ein toller und vielseitiger Beruf, in der damaligen DDR war die Ausbildung zur stomatologischen Schwester immerhin ein Fachschulstudium! Je besser wir als Zahnärzte die ZFAs achten, bezahlen und wertschätzen, desto attraktiver wird der Beruf. Die beste Berufswerbung ist doch die Empfehlung für den Beruf von ZFAs selbst. Durch immer mehr ZMVZ werden die ZFAs leider mehr subspezialisiert. Die „Allrounderinnen“ aus der Einzelpraxis werden dadurch immer weniger.


Können Sie sich an besondere Irrwege oder Trugschlüsse erinnern?

Ein großer Irrglaube in meiner zahnärztlichen Laufbahn war, zu denken, dass man es jedem recht machen kann. Freundlichkeit, Verständnis und Kompetenz führen leider nicht bei jedem Menschen zum Ziel. Oder nehmen wir die Aufklärungsgespräche für Zahnersatz und Therapievorschläge. Oft denke ich, alles erklärt zu haben, dann stellt sich heraus, dass der Patient es völlig anders verstanden hat. Hier muss ich mich immer wieder auf den Wissensstand des „unkundigen Laien“ begeben, was nicht immer leichtfällt, aber sehr oft der Schlüssel zum Erfolg ist. In der Zahnmedizin gab es in den letzten Jahren sehr viele Novellierungen – die Erkenntnis, dass diese Dinge nicht immer, nur weil sie modern und auf dem neusten Stand sind, automatisch zu einem besseren Behandlungserfolg beitragen, ist für mich bis heute sehr wichtig. Außerdem hat mich meine Erfahrung gelehrt: Zahnarzt und Zahnmedizinische Fachangestellte sollten nicht nur fachlich versiert und kompetent sein, sondern auch menschlich verständnisvoll und empathisch agieren. Nur mit einer authentischen Freundlichkeit und Kompetenz erreicht man einen dauerhaften Praxiserfolg.

Wie sind Sie in Ihrer langjährigen Tätigkeit mit eigenen Fehlern und denen anderer umgegangen?

Die eigenen Fehler sind oft schwerer zu ertragen als die der Mitarbeiter, aber ich bin überzeugt: Aus Fehlern lernt man immer. Wir alle, Zahnärzte und ZFAs, sind und bleiben Menschen – und wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler. Reflektion, Selbstkritik und der Wille, Fehler als Chance zum Bessermachen zu verstehen, ist für mich tatsächlich der beste Weg für ein erfülltes Berufsleben. Ich weiß heute, mit vielen Berufsjahren im Rücken, dass ich nicht die Achtung meiner Mitarbeiter verliere, wenn ich einen Fehler offen eingestehe. Ganz im Gegenteil, oft wächst der Respekt mit dieser Art der Fehlerkultur.

Sie haben sich auch in Bolivien für die zahnmedizinische Versorgung eingesetzt. Was waren dafür Ihre Beweggründe?

Im Jahr 2015 wurde bei mir ein Multiples Myelom diagnostiziert. Nach meiner langen Chemotherapie und anschließender Knochenmarktransplantation ist mir bewusst geworden, wie gut es uns hier in diesem Land und mit diesem Gesundheitswesen geht, daher wollte ich zusammen mit meiner Frau (Zahntechnikermeisterin) etwas zurückgeben. Ich nahm Kontakt zum FCSM auf und arrangierte einen Hilfseinsatz in Bolivien. Bolivien ist ein schönes und zugleich sehr armes Land, in einem Bergdorf in 2.700 Metern Höhe am Fuß der Anden leben einfache Menschen, die sich zum großen Teil keinen Zahnarzt leisten können. Kinder kaufen direkt vor den Schulen von fliegenden Händlern Süßigkeiten und Cola. Häusliche Mundhygiene findet so gut wie nicht statt. Oft konnten wir den Kindern nur noch die stark zerstörten Molaren extrahieren. Die Menschen sind aber nicht unglücklich – sie kommen unangemeldet zur Zahnstation, warten oft stundenlang, ohne sich zu beschweren und sind mit den einfachsten Hilfsmitteln, wie zum Beispiel Kunststoffprothesen, zufrieden. Nach unserer Rückkehr haben wir unser Land und unsere zahnmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten mit völlig anderen Augen gesehen. Das vermittle ich so auch Patienten, die nur meckern. Von einer guten Regelversorgung, wie hier in Deutschland, kann die Bergbevölkerung in Bolivien nur träumen!

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