Branchenmeldungen 28.06.2022
Zahnmedizinische Behandlungen von Kindern mit Behinderungen
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Im September 2021 fand die 28. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde e.V. (DGKiZ) statt. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde die Hamburger Zahnärztin Leonora Schmidt-Cacuci mit dem von GC gestifteten Praktikerpreis ausgezeichnet. Im Interview stellt die junge Zahnmedizinerin ihren prämierten Fall kurz vor und spricht über die Herausforderungen in der Behandlung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen.
Frau Schmidt-Cacuci, Sie wurden für Ihre Fallvorstellung ITN-Sanierung des kariösen Milchgebisses eines vierjährigen Kindes mit Zhu-Tokita-Takenouchi-Kim-Syndrom im vergangenen Jahr ausgezeichnet. Worum genau ging es bei dem Fall?
Zusammen mit meinem Team habe ich bei einem vierjährigen Kind mit ZTTK-Syndrom eine Zahnsanierung durchgeführt. Bei dem ZTTK-Syndrom handelt es sich um eine seltene autosomal-dominate Krankheit, welche mit einer schweren globalen Entwicklungsverzögerung und einer geistigen Behinderung einhergeht. Charakteristische Anomalien sind Fehlbildungen der Großhirnrinde, Sehstörungen, kardiale Auffälligkeiten, muskuläre Hypotonie und faziale Dysmorphien. Die zahnärztliche Behandlung und Betreuung bei Kindern mit dieser Behinderung sind für alle Beteiligten besonders herausfordernd. Aus diesem Grund musste die Behandlung stationär in Intubationsnarkose durchgeführt werden. Das Gebiss wurde konservierend und chirurgisch versorgt, indem multiple Zahnextraktionen, Kompositfüllungen und Stahlkronen präpariert wurden. Durch diesen Fall zeigt sich eindrücklich, dass gesunde orale Verhältnisse bei Kindern mit schweren Allgemeinerkrankungen nur mit einem besonderen Verständnis, Engagement und Know-how erreicht werden können. Eine entscheidende Rolle spielt dabei neben der adäquaten zahnmedizinischen Betreuung des Kindes die enge Zusammenarbeit zwischen Angehörigen, Zahnärzten und gegebenenfalls Allgemeinmedizinern bzw. Anästhesisten – insbesondere auch in Bezug auf prophylaktische Maßnahmen.
Wie wurden der Narkose-Einsatz und die Nachbetreuung der Behandlung sicher ungesetzt?
Um eine sichere und möglichst angenehme Behandlung zu ermöglichen, fand diese im Kinderkrankenhaus Altona statt. So konnten wir uns im Falle einer allgemeinmedizinischen Komplikation absichern und eine gegebenenfalls unmittelbar notwendige Versorgung gewährleisten. Zusätzlich erfolgte nach der Behandlung eine 24-stündige postoperative Überwachung. Die Umsetzung der Intubationsnarkose haben wir vorab langfristig geplant, einschließlich einer Vorstellung im Krankenhaus, sodass die allgemeinmedizinischen Befunde allen Beteiligten vertraut waren. Das stärkte zusätzlich auch das Vertrauen des Kindes und der Familie in die Behandlung und die sichere Betreuung vor Ort.
Was ist im Kern wichtig, um bei der zahnmedizinischen Betreuung von Kindern mit Behinderungen am Ball zu bleiben?
Eine Herausforderung ist die zeitintensive Pflege von Kindern mit Behinderungen; Eltern können überfordert sein, wenn zur alltäglichen Pflege noch eine Reihe von Arztterminen dazukommt. Meiner Erfahrung nach werden dann beispielsweise zahnmedizinische Kontrolluntersuchungen vernachlässigt. Damit steigt aber das Risiko, dass eine umfangreiche Behandlung notwendig wird, was wiederum zu einer zusätzlichen Belastung für die Familien führt. Daher sind engmaschige Kontrollen wichtig, um die häusliche Mundhygiene zu kontrollieren sowie Eltern und Patienten zu remotivieren und reinstruieren. Die Behandlung erfordert viel Geduld und Empathie von allen Seiten, weshalb eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Angehörigen unerlässlich ist. Da die Behandlung solcher Fälle schwierig ambulant durchzuführen ist, erscheint es wichtiger denn je, die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Krankenhäusern zu verbessern, um die erforderliche allgemeinmedizinische und zahnmedizinische Betreuung zu ermöglichen. Essenziell ist meiner Meinung nach, dass die zahnmedizinische Betreuung von Kindern mit speziellen Bedürfnissen weiter verbessert werden muss. Dies kann beispielsweise mit Recall-Programmen oder auch Aufklärungsveranstaltungen und Fortbildung für Eltern, aber auch für das medizinische Personal umgesetzt werden – wir sollten gewährleisten, dass alle Seiten bestmöglich zusammenarbeiten und sich dabei sicher fühlen können.
Das Interview ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.