Branchenmeldungen 08.06.2022
Zur Umsetzung der neuen PAR-Vorgaben in der Praxis – Teil 2
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Mit der Implementierung der S3-Leitlinie durch die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) und der auf Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) neu gestalteten Kostenübernahme für parodontale Therapien in der GKV sind die Voraussetzungen für eine bessere parodontale Therapie geschaffen. Jetzt gilt es, die Vorgaben mit Leben zu erfüllen und in den Praxisalltag zu integrieren. Der folgende Fachbeitrag (Teil 1 befindet sich in der ZWP 4/22) stellt ein bewährtes und zugleich an die neuen Möglichkeiten angepasstes Präventionskonzept vor und zeigt so beispielhaft, wie sich die Novellierungen effektiv im Praxisalltag umsetzen lassen.
Unser Präventionsprotokoll ist die „Guided Biofilm Therapy“ (GBT). Sie beruht auf der Recall-Stunde nach Axelsson/Lindhe und ist von Praktikern, Hochschulen und der Firma EMS entwickelt worden.1 Bei der GBT handelt es sich um ein risikoorientiertes, individuelles, systematisches, modulares, universell, d. h. auch bei komplexen Fällen anwendbares Präventionsprotokoll. Die GBT umfasst acht individuell einsetzbare Module und lässt sich aufgrund des modularen Charakters perfekt auf die aus der BEMA resultierenden neuen Behandlungsstrecke des G-BA anpassen. Die Behandlungsschritte 1 bis 3 des GBT wurden in der ZWP 4/22 vorgestellt; im Folgenden werden die Schritte 4 bis 8 erläutert.
Behandlungsschritt 4: Aufklärungs- und Therapiegespräch (ATG)
Ist die Genehmigung der PAR-Behandlung durch die GKV erfolgt, muss der Zahnarzt entsprechend § 6 der PAR-Versorgungsstrecke ein „Parodontologisches Aufklärungs- und Therapiegespräch (ATG)“ mit dem Patienten führen. Der Gesprächsinhalt ist vorgegeben: Befund und Diagnose, Erklärung der Therapie, Erklärung der Therapiealternativen, gemeinsame Entscheidungsfindung, Besprechung/Reduktion der exogenen und endogenen Risikofaktoren und Wechselwirkungen mit anderen Erkrankungen. Da wir den Inhalt des ATG bereits im Schritt 2 ausführlich thematisiert haben, beschränken wir uns in einem zweiten Gespräch darauf, den Patienten anhand einer Checkliste aus dem ParoStatus nochmals aufzuklären und ihn abzufragen, ob er alles verstanden bzw. noch weitere Fragen hat.
Behandlungsschritt 5: Mundhygieneunterweisung (MUW)
Die ATG und die patientenindividuelle Mundhygieneunterweisung (MUW, § 8) der PAR-Versorgungsstrecke werden bei uns in der Praxis in einer Sitzung durchgeführt. Die MUW ist ebenfalls vom Inhalt her exakt definiert: Mundhygieneaufklärung, Bestimmung des Entzündungszustandes der Gingiva, Anfärben von Plaque, individuelle Mundhygieneinstruktion und praktische Anleitung zur risikospezifischen Mundhygiene. Die häusliche Mundhygiene ist ein unverzichtbarer Bestandteil aller zahnärztlicher Therapien. Dennoch sieht die neue PAR-Versorgungsstrecke nicht wie in den Leitlinien der EFP und DG PARO nach jeder Stufe eine Reevaluation vor. So ist es nicht verwunderlich, wenn Aussagen wie folgt gefunden werden: „... ab dem 01.07.2021 ... keine Mitarbeit des Patienten mehr nötig ist.“11
Unsere Umsetzung des Praxiskonzepts
Wie bereits unter Behandlungsschritt 1 erwähnt, führen wir vereinfachte dichotome Plaque- und Entzündungsindizes durch. Unsere Mundhygieneziele orientieren sich nicht an vorgegebenen „Traumwerten“ (mAPI < 25 Prozent, mABI < 10 Prozent), sondern an patientenindividuellen realistischen Werten. Das heißt, dass sich unsere Ziele nach den Ausgangswerten der Patienten richten und wir mit Verbesserungen in kleinen Schritten zufrieden sind. Grundlage der MUW ist unser Anamneseblatt, das auch Fragen zu den Mundhygienegewohnheiten des Patienten enthält.3 Generell werden alle Informationen und Instruktionen („angeleitetes Putzen“), die wir den Patienten geben, auch die zur häuslichen Mundhygiene (Bürste, Zahnputz-Technik, Zwischenraumreinigung, Zahnpasta usw.), dem Patienten in schriftlicher Form mitgegeben („Duales System“). Wir entfernen in dieser Sitzung die nach dem Üben der einzelnen Mundhygienemaßnahmen verbliebenen angefärbten Biofilmreste durch ein erneutes supragingivales Biofilmmanagement (Airflow).
Behandlungsschritt 6: Antiinfektiöse Therapie (AIT)
Bei den Maßnahmen der AIT nach § 9 gibt es keine Abweichungen zwischen den Leitlinien der EFP und DG PARO und der PAR-Versorgungstrecke. Die subgingivale Instrumentierung zur Reduktion der parodontalen Infektion ist nach wie vor der entscheidende Bestandteil der nichtchirurgischen parodontalen Therapie. In den Leitlinien wurde vereinbart, den Begriff „subgingivale Instrumentierung“ für alle nichtchirurgischen Interventionen zu verwenden (Küretten, Schallinstrumente und Ultraschallinstrumente). Eine adjuvante Anwendung mit Laser, antimikrobieller Photodynamischer Therapie, Probiotika usw. wird nicht empfohlen. Für den Einsatz adjuvanter systemischer Antibiotika (§ 10, „Adjuvante Antibiotikatherapie“) wurde eine restriktive Empfehlung („bei besonders schweren Formen der Parodontitis mit raschem Attachmentverlust“) vereinbart.
Behandlungsschritt 7: Befundevaluation (BEV)
Bei der Befundevaluation (BEV, § 11) gibt es nur geringe Abweichungen zwischen den Leitlinien der EFP sowie DG PARO (Stufe 3) und der PAR-Versorgungstrecke. In der Regel sollte diese erste Befund-Reevaluation nach drei Monaten stattfinden. Nachdem die parodontalen Gewebe ausgeheilt sind, wird die individuelle Reaktion auf Maßnahmen in der jeweiligen Therapiestufe bewertet. Die BEV ist ein wichtiger Schritt, um den Erfolg der durchgeführten Maßnahmen beurteilen und ggf. weitere Interventionen planen zu können. Es ist ein „kleiner Befund“ gefordert, bestehend aus: Sondierungstiefen und Sondierungsbluten (BOP), Zahnlockerung, Furkationsbefall/-beteiligung und Röntgenbild. Dieser Befund entscheidet, ob eine erneute nicht-chirurgische oder eine weiterführende chirurgische Parodontaltherapie (§ 12) erforderlich ist oder ob der Patient ins parodontale Recall (§ 13, UPT) eingebunden werden kann.
Cave: Vergleich über PARO-Status einbauen
Als problematisch stellt sich die in der BEV geforderte Anfertigung von Röntgenaufnahmen dar: „Es muss der röntgenologische Knochenabbau sowie die Angabe des Knochenabbaus in Relation zum Patientenalter erhoben werden.“ Ohne die Röntgenaufnahmen bzw. Röntgendiagnostik ist eine Abrechnung der BEMA-Gebühr „BEV“ nicht möglich. Die Röntgenverordnung beinhaltet eine rechtfertigende Indikation von Röntgenaufnahmen. Ohne diese Indikation kann keine Röntgenaufnahme angefertigt werden. Drei Monate nach Abschluss der AIT bzw. ca. vier bis fünf Monate nach der Befunderhebung sind keine relevanten Röntgenbefunde zu erwarten.12
Unsere Umsetzung des Praxiskonzepts
Es hat sich in unserer Praxis bewährt, nach drei Monaten einen kompletten PAR-Status zu erstellen, um den Patienten zur häuslichen Mundhygiene erneut zu instruieren und zu motivieren und ein perfektes supra- und subgingivales Biofilm- und Zahnsteinmanagement durchzuführen. Die Röntgenverordnung hat in unserer Praxis eine höhere Priorität als der BEMA. Wir fertigen Röntgenbilder nur bei rechtfertigender Indikation an. In der Kartei dokumentieren wir, dass wir in Absprache mit den Patienten keine Röntgenaufnahmen anfertigen. Wir machen in unserer Praxis nur Röntgenbilder bei rechtfertigender Indikation und dokumentieren das auch im Behandlungsblatt.
Behandlungsschritt 8: Unterstützende Parodontitistherapie (UPT)
Die Stufe 4 der Leitlinien der EFP und DG PARO sieht eine risikoorientierte UPT im Abstand von drei bis zwölf Monaten vor. In der PAR-Versorgungsstrecke ist das Risiko und damit die UPT-Intervalle über die Progressionsrate (Grad A, B, C) der neuen Klassifikation definiert. Für einen Zeitraum von zwei Jahren gilt:
- Grad A: einmal im Kalenderjahr mit einem Mindestabstand von zehn Monaten
- Grad B: einmal im Kalenderhalbjahr mit einem Mindestabstand von fünf Monaten
- Grad C: einmal im Kalendertertial mit einem Mindestabstand von drei Monaten
Die UPT umfasst die Mundhygienekontrolle, soweit erforderlich eine erneute Mundhygieneunterweisung, die vollständige supragingivale und gingivale Reinigung aller Zähne von anhaftenden Biofilmen und Belägen bei Sondierungstiefen von ≥ 4 mm und Sondierungsbluten sowie an allen Stellen mit einer Sondierungstiefe von ≥ 5 mm die subgingivale Instrumentierung an den be- troffenen Zähnen. Im Rahmen der UPT müssen „kleine“ Befunde UPTd (BOP und PD – nur Grad B und Grad C) und „große“ Befunde UPTg (PA-Befunde neu/Besprechung mit den Patienten) in regelmäßigen Abständen erhoben werden.
Unsere Umsetzung des Praxiskonzepts
Nach der BEV, die in unserer Praxis gleichzeitig die erste UPT ist, legen wir aufgrund des ermittelten Risikos die UPT-Intervalle fest, wobei wir großen Wert auf die ständige Remotivation und Reinstruktion zur häuslichen Mundhygiene und ein perfektes sub- und supragingivales Biofilm- und Zahnsteinmanagement legen. Auch der Abstand der Erhebung des kompletten PAR-Status hängt vom ermittelten individuellen Risiko ab.
Schlussfolgerung
Es ist im Interesse der Patienten und der Zahnärzte zu hoffen, dass das Ziel der Novellierung der PAR-Therapie – die Unterversorgung von parodontalen Erkrankungen zu beheben – durch die neuen Leitlinien erreicht wird. Es ist jedoch nicht einfach, die Leitlinien der EFP und DG PARO und der PAR-Versorgungsstrecke in den Praxisalltag zu integrieren. Das Prinzip muss sein, aus den Chancen, die die neue PAR-Versorgungsstrecke für Patienten und Praxis bietet, das Beste zu machen. Die Module der GBT und das ins Konzept integrierte moderne Biofilm- und Zahnfleischmanagement (AIRFLOW, PIEZON/PS) sind dabei in unserer Praxis die wichtigsten Hilfsmittel für eine erfolgreiche nichtchirurgische parodontale Therapie.
Die Literaturliste finden Sie hier.
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.