Branchenmeldungen 25.04.2022
Zur Umsetzung der neuen PAR-Vorgaben in der Praxis
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Mit der Implementierung der S3-Leitlinie durch die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) und der, auf Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) neugestalteten Kostenübernahme für parodontale Therapien in der GKV, sind die Voraussetzungen für eine bessere parodontale Therapie geschaffen. Jetzt gilt es die Vorgaben mit Leben zu erfüllen und in den Praxisalltag zu integrieren. Der folgende zweiteilige Fachbeitrag (Teil 2 folgt in der nächsten ZWP-Ausgabe 5/22) stellt ein bewährtes und zugleich an die neuen Möglichkeiten angepasstes Präventionskonzept vor und zeigt so beispielhaft, wie sich die Novellierungen effektiv in den Praxisalltag umsetzen lassen.
Unser Präventionsprotokoll ist die „Guided Biofilm Therapy“ (GBT). Sie beruht auf der Recallstudie nach Axelsson/Lindhe und ist von Praktikern, Hochschulen und der Firma EMS entwickelt worden.1 Bei der GBT handelt es sich um ein risikoorientiertes, individuelles, systematisches, modulares, universell, das heißt auch bei komplexen Fällen anwendbares Präventionsprotokoll. Die GBT umfasst acht individuell einsetzbare Module und lässt sich aufgrund des modularen Charakters perfekt auf die aus der BEMA resultierenden neuen Behandlungsstrecke des G-BA anpassen.
Neues Konzept: Neuer Patient mit parodontaler Erkrankung
Unser neues, aktuelles PA-Praxiskonzept verbindet unsere jahrelangen Erfahrungen mit unserer bisherigen Vorgehensweise („altes PAR-Konzept“) mit den neuen wissenschaftlichen Empfehlungen (Klassifikation durch die American Academy of Periodontology, AAP und die European Federation of Periodontology, EFP sowie Leitlinien durch EFP und DG PARO), der Neufassung der Richtlinien zur systematischen Therapie der Parodontitis durch den G-BA (PAR-Versorgungsstrecke)2 sowie der daraus resultierenden Kostenübernahme (BEMA) durch die GKV. Unser aktuelles PAR-Praxiskonzept orientiert sich in erster Linie an der neuen PAR-Versorgungsstrecke und integriert gleichzeitig unsere eigenen langjährigen Erfahrungswerte in der PAR-Therapie. Die Abweichungen zwischen dem Stufenschema der EFP-Leitlinien bzw. den gering modifizierten DG PARO S3-Leitlinien, der neuen PAR-Versorgungsstrecke und unserem Konzept werden in den einzelnen Behandlungsschritten jeweils aufgezeigt.
Behandlungsschritt 1: Grundlage der Therapie
Der erste Behandlungsschritt ist in zwei Abschnitte geteilt: im ersten Abschnitt absolvieren wir die Erstuntersuchung. Entsprechend § 3 der PAR-Versorgungstrecke (Richtlinien des G-BA) und EFP/DG PARO Leitlinien führen wir diese mit den folgenden Maßnahmen durch:
- Ausführliche Erstuntersuchung, Anamnese, Vitalitätsprobe, Röntgenbefunde
- PAR-Befunde (PSI, kompletter PAR-Status), PAR-Risikoermittlung
- Kariesbefunde, Karies-Risikoermittlung
- Erosionsbefunde, Erosion-Risikoermittlung
- Funktionsbefund
- Diagnosen (v. a. gemäß der aktuellen PAR-Klassifikation)
- Ausführliche Dokumentation
- Supragingivale Zahnsteinentfernung
- Medikamentöse lokale Therapie
© EMS
Unsere Umsetzung des Praxiskonzepts
Unser individuelles, altersspezifisches Anamneseblatt wurde um die Fragen nach dem HbA1c-Wert, der Anzahl der gerauchten Zigaretten pro Tag und den Zielen für die häusliche Mundhygiene erweitert.3 Für die PAR-Befunderhebung arbeiten wir mit dem System ParoStatus. Wir verwenden nur dichotome Plaque- und Entzündungsindizes, die wir aus Vereinfachungsgründen modifiziert haben (modifizierter Approximal-Plaque-Index/mAPI und mod. Approximaler Blutungsindex/m ABI). Die allgemeine Kariesrisikobestimmung wird mit einer speziellen Software (Dentodine)4 oder einer vereinfachten Darstellung dieser Software in Papierform5 durchgeführt.
Im zweiten Abschnitt des ersten Behandlungsschrittes wird, entsprechend der PAR-Versorgungstrecke nach § 4, die konkrete Behandlungsdürftigkeit festgestellt.
Behandlungsschritt 2: Erste Besprechung
Abweichend von der der neuen PAR-Versorgungstrecke informieren wir unsere Patienten vor Behandlungsbeginn über unseren Therapieplan. Nur mit der frühzeitigen Einbindung der Patienten in die geplante Therapie können wir die für die Behandlung notwendige Compliance bzw. Adhärenz herstellen. Nach der Erstellung des Behandlungsplans mit den im Behandlungsschritt 1 gesammelten Daten, besprechen wir folgende Punkte: Befund und Diagnose, Erklärung der Erkrankungsursachen, Erklärung der geplanten Therapie, Erklärung von Therapiealternativen, Besprechung zur Reduktion der exogenen und endogenen Risikofaktoren (v. a. Rauchen), Wechselwirkungen mit anderen Erkrankungen (v. a. Diabetes), voraussichtliche Kosten, gemeinsame Entscheidungsfindung. Zur Erklärung des Krankheitsverlaufs parodontaler Erkrankungen und der Therapien haben sich die Bilder vom ParoStatus bestens bewährt. Dieses erste Gespräch ist von großer Bedeutung. Denn erst wenn der Patient aufgeklärt und mit unseren Therapievorschlägen einverstanden ist, ist es sinnvoll, weitere Schritte zu vereinbaren. Auch erst jetzt reichen wir den PAR-Antrag entsprechend § 5 der PAR-Versorgungstrecke zur Begutachtung und Genehmigung ein.
Behandlungsschritt 3: Schaffung der Mundhygienefähigkeit
In der PAR-Versorgungstrecke ist die Schaffung der Mundhygienefähigkeit nicht vorgesehen. In unserem bisherigen, bewährten Konzept und entsprechend der Stufe 1 der EPF/DG PARO-Leitlinien werden lokale Reizfaktoren und erreichbarer supragingivaler Biofilm und Zahnstein entfernt. Neben dem supragingivalen Biofilm- und Zahnsteinmanagement entfernen wir auch subgingivalen Biofilm und erreichbaren subgingivalen Zahnstein. Die Literatur zeigt eindeutig, dass viel bessere Ergebnisse mit der häuslichen Mundhygiene erzielt werden können, wenn mit der Mundhygieneaufklärung eine professionelle Entfernung der supra- und subgingivalen Beläge durchgeführt wurde.6–9 Auch wenn die PAR-Versorgungstrecke die Reduktion lokaler Reizfaktoren und das supra- und subgingivale Biofilm- und Zahnsteinmanagement nicht vorsieht, ist dieser Schritt (Stufe 1, Leitlinien durch EFP und DG PARO) ein unverzichtbarer Bestandteil der initialen PAR-Therapie. Allein das supragingivale Biofilm- und Zahnsteinmanagement bewirkt eine partielle parodontale Heilung, die zu etwa 48 Prozent den Bedarf an subgingivaler Behandlung reduziert.8, 10
In der kommenden Ausgabe der ZWP 5/22 werden im zweiten Teil des Fachbeitrags weitere Therapieschritte der modularen GBT unter dem Gesichtspunkt der neuen PAR-Richtlinie erläutert.
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.