Branchenmeldungen 02.03.2022
Zusammenhänge zwischen Parodontitis und der Allgemeingesundheit
Bei der Aufrechterhaltung einer guten Mundpflege geht es um mehr als gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch. Heute weiß man, dass Parodontitis auch mit anderen Geweben im Körper verbunden ist. Die Forschung zeigt, dass nicht weniger als 57 systemische Krankheiten mit Parodontalerkrankungen in Verbindung stehen könnten, und viele von ihnen können auch bei Ihren Patienten auftreten.
In diesem Artikel zeigen wir die vielen verbundenen gesundheitlichen Probleme auf, für die ein Zusammenhang mit entzündlichen Parodontalerkrankungen wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Gleichzeitig geben wir Ihnen Hinweise auf nützliche Informationsquellen, damit Sie Ihre Patienten auf ihrem Weg zu einem ganzheitlichen Wohlbefinden unterstützen können.
Entzündungen und Parodontalerkrankungen
Entzündungen sind von zentraler Bedeutung bei Parodontalerkrankungen; ausgelöst wird sie durch die Reaktion des Körpers auf Erreger (Pathogene) im parodontalen Biofilm. Wenn die entzündliche Reaktion auf die bakterielle Infektion chronisch wird, führt dies zu einer Schädigung des Zahnhalteapparats (des Wurzelzements, des parodontalen Ligaments und der Alveolarknochen), was den Prozess des Knochenschwunds und schließlich Zahnverlust verursacht.
Aber die Auswirkungen und Folgen der parodontalen Entzündung sind nicht unbedingt auf die Mundhöhle beschränkt. So können Mikroorganismen beispielsweise aus diesem Bereich zu anderen Stellen im Körper gelangen, wo sie ebenfalls entzündliche Reaktionen auslösen. Außerdem wurde die Parodontalerkrankung und die mit ihr einhergehende Entzündung in wissenschaftlichen Untersuchungen mit einer Reihe von systemischen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht.
Die Zusammenhänge zwischen Parodontalerkrankungen und systemischen Gesundheitsproblemen
Von schwangerschaftsbezogenen Problemen bis zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Arthritis, Diabetes, Alzheimer-Krankheit und darüber hinaus wurden bei Forschungsarbeiten mögliche Zusammenhänge zwischen entzündlichen Parodontalerkrankungen und vielen anderen Gesundheitsproblemen entdeckt. Besonderer Beachtung bedürfen finden nachfolgende Punkte:
Parodontitis und rheumatoide ArthritisDie Verbindung zwischen chronischer Parodontitis und rheumatoider Arthritis wird seit vielen Jahren untersucht; eine biologische Verknüpfung zwischen den beiden wurde erstmals vor nahezu 40 Jahren postuliert. Seit etwa zehn Jahren kommen immer mehr Daten hinzu. In einem 2015 veröffentlichten Review von Clifton O. Bingham und Malini Monib wird auf Folgendes hingewiesen: „Eine Reihe jüngerer Studien hat die parodontopathogenen Rollen von Porphyromonas gingivalis, des oralen Mikrobioms und der Mechanismen der ortsspezifischen und substratspezifischen Zitrullinierung näher untersucht. Diese tragen dazu bei, die Interaktionen zwischen diesen beiden entzündlichen Krankheitsprozessen weiter aufzuklären.“
In jüngerer Zeit bestätigten die Ergebnisse einer großen Kohortenstudie bekräftigt, dass Parodontitis tatsächlich mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung einer rheumatoiden Arthritis assoziiert ist. Ein umfassender Übersichtsartikel, der die zwischen 2012 und 2017 veröffentlichte Literatur zum Thema Parodontitis und rheumatoide Arthritis ausgewertet hat, kam zu einigen interessanten Feststellungen und für die Autoren war eindeutig klar, dass zwischen beiden Erkrankungen ein starker Zusammenhang besteht. Die Art und Weise, wie sie miteinander verbunden sind, ist allerdings nicht so leicht nachzuvollziehen. Zwar liefern Tiermodelle einige Erkenntnisse zu plausiblen biologischen Mechanismen – wie zum Beispiel die Ausbreitung der parodontalen Pathogene –, vieles jedoch bleibt unklar. Bis heute ist es in der Forschung nicht gelungen, Kausalzusammenhänge herzustellen sowie festzustellen, ob eine Kausalität überhaupt existiert. Es scheint jedoch so zu sein, dass eine bestimmte Untergruppe von Patienten für beide Erkrankungen empfänglich ist, und sobald sie auftreten, scheinen sie sehr eng miteinander verknüpft zu sein. Obwohl die größte Herausforderung darin besteht, diese Untergruppe der Patienten möglichst früh zu identifizieren, ist wahrscheinlich die Entzündung der gemeinsame Nenner, der sie als eine Gruppe charakterisiert. Und dies ist auch der Mechanismus, der Ihnen dabei helfen könnte, mit Ihren Patienten über diesen Zusammenhang zu sprechen.
Der Zusammenhang zwischen Schwangerschaft und Parodontalerkrankungen hat bereits in den 1960er Jahren Aufmerksamkeit erregt. Durch empirische Beobachtungen bestand der Verdacht, der durch Forschungsarbeiten bestätigt wurde, dass sich bei schwangeren Frauen mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Gingivitis entwickelt (Prävalenz ca. 67–100 %). Der Grund für die erhöhte Entzündungsreaktion bei schwangeren Frauen ist vermutlich nicht die Anwesenheit der parodontalen Bakterien per se, sondern es sind vor allem die erhöhten Sexualhormonspiegel, die die Wirtsreaktion beeinflussen. Die Bedeutung der sogenannten „Schwangerschaftsgingivitis“ dient als ein Anstoß für schwangere Frauen, sich während dieser für sie entscheidenden Zeit noch stärker auf die Mundpflege zu konzentrieren.
Wenn von Schwangerschaft und Parodontalerkrankungen die Rede ist, wird häufig der Begriff „wechselseitige Beziehung“ benutzt. Tatsächlich kann sich die Parodontalerkrankung negativ auf den Schwangerschaftsausgang auswirken. Ein von der American Academy of Periodontology und der European Federation in Periodontology 2013 veröffentlichter gemeinsamer Konsensbericht hat als aufschlussreich für die weltweite medizinische Fachwelt erwiesen und legt nahe, dass parodontale Infektionen das Komplikationsrisiko während der Schwangerschaft und ungünstige Schwangerschaftsausgänge erhöhen könnten. Diese können u. a. Frühgeburten, geringes Geburtsgewicht, Präeklampsie und sogar Fehlgeburten sein.
Um die diesem Zusammenhang zugrunde liegenden Mechanismen näher zu untersuchen, haben frühe Studien ergeben, dass bei Feten mit einer hohen Antikörperreaktion gegen parodontale Pathogene ein erhöhtes Risiko für eine vorzeitige Geburt oder ein niedriges Geburtsgewicht bestehen könnte. Dies deutet indirekt auch darauf hin, dass diese Erreger in den Blutstrom übergehen können und bis zur Gebärmutter gelangen. Tatsächlich deuten überzeugende Belege darauf hin, dass sich parodontale Pathogene bis zur fetoplazentaren Einheit ausbreiten können, wo sie eine lokale Entzündung verursachen oder den Fetus sogar direkt infizieren können. Die Tatsache, dass dies nicht immer geschieht, wenn parodontale Pathogene in der fetoplazentaren Einheit nachgewiesen werden, deutet darauf hin, dass wiederum die Wirtsimmunreaktion eine zentrale Rolle spielt.
Interessanterweise haben Behandlungsstudien kleineren Maßstabs gezeigt, dass die Behandlung der Parodontitis bei schwangeren Frauen sogar das Risiko für ungünstige Schwangerschaftsausgänge senken können. Die meisten großen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) konnten diese Ergebnisse nicht reproduzieren; der Hauptgrund dafür waren wahrscheinlich die Zeitpunkte der Interventionen, die üblicherweise im zweiten Trimester und danach erfolgten, wenn die parodontalen Pathogene die fetoplazentare Einheit bereits erreicht haben könnten. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, frühzeitig einzugreifen, oder – noch besser – vorzubeugen, vielleicht sogar schon in der Phase vor der Konzeption.
Die Beziehung zwischen Parodontitis und Diabetes gehört zu den gut erkannten und besser verstandenen unter den systemischen Gesundheitsproblemen. Wie der oben beschriebene Zusammenhang zwischen Schwangerschaft und Parodontitis besteht auch in diesem Fall eine bidirektionale Verbindung. Diabetes ist ein bekannter Risikofaktor für die Entstehung, die Progression und den Schweregrad der Parodontitis. Bereits in den frühen 1990er Jahren war die Parodontitis auf der Liste der chronischen diabetischen Folgeerkrankungen vertreten; und seitdem ist sie allgemein als die sechsthäufigste Folgeerkrankung von Diabetes mellitus anerkannt. Und das aus einem Grund: Die Mechanismen, über die Diabetes die parodontale Gesundheit beeinträchtigt, zeigen viele Ähnlichkeiten mit denen anderer chronischer diabetischer Folgeerkrankungen, beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nephropathie, Neuropathie und Retinopathie. Diese Folgeerkrankungen sind das Ergebnis einer Schädigung großer und/oder kleiner Blutgefäße und sind hauptsächlich (wiederum) durch eine Entzündung bedingt. Dasselbe scheint auch für die Parodontitis zu gelten. Wegen der Stoffwechselstörungen, die charakteristisch sind für Diabetes, scheint die Wirtsimmunreaktion auf parodontale Erreger noch übermäßiger zu sein. Diese Situation – häufig als hyperinflammatorischer Zustand beschrieben – löst die zerstörerischen Prozesse aus und verschlimmert sie, die die Ursache für den Abbau des parodontalen Gewebes sind.
Dieser hyperinflammatorische Zustand ist auch der Ausgangspunkt für die andere Richtung der Verbindung. Wenn dies geschieht, kann die Parodontitis eine negative Auswirkung auf die sogenannte metabolische Kontrolle der Patienten mit Diabetes haben, das heißt die Blutzuckerspiegel befinden sich nicht mehr im Gleichgewicht. Eine schlechte Blutzuckereinstellung wiederum ist die wichtigste Ursache für die oben genannten Folgeerkrankungen. Die Folge ist: Parodontitis erhöht das Risiko für diabetische Folgeerkrankungen indirekt. Darüber hinaus ist ein schlecht kontrollierter Blutzuckerspiegel ein Risikofaktor für die Progression der parodontalen Entzündung, das heißt ohne Intervention geraten diese Patienten in einen Teufelskreis. Es liegen Hinweise dafür vor, dass Parodontitis in einigen Fällen sogar zur Neuentstehung von Diabetes beitragen könnte. Wiederum spielt die Entzündung eine entscheidende Rolle, weil sie einen direkten Effekt auf die Insulinresistenz hat – ein Phänomenon, das den Anstieg des Blutzuckerspiegels verursacht.
Diese wechselseitige Beziehung begründet umso mehr die Dringlichkeit für eine starke präventive Strategie, sowohl bei den bereits an Diabetes Erkrankten als auch bei Personen mit bestehendem Risiko. Und es liegen Hinweise vor, dass dies von Nutzen ist. Eine von SUNSTAR unterstützte Studie hat gezeigt, dass es plausibel ist, in der Zahnarztpraxis eine erhebliche Menge an bislang nicht diagnostizierten Fällen von (Prä-)Diabetes zu erkennen. Ebenso die Ergebnisse einer großen populationsbasierten Kohortenstudie, die darauf schließen lassen, dass eine Verbesserung der Mundhygiene-Gewohnheiten das Risiko einer Diabetesentstehung senken könnte. Ein anderes von SUNSTAR unterstütztes Forschungsprojekt, das in einer führenden Fachzeitschrift der Primärversorgung veröffentlicht wurde, zeigt, dass eine besondere Aufmerksamkeit bei der Mundgesundheit die Lebensqualität von Patienten mit Diabetes verbessern kann. Wie Sie sehen, kann der Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes auf vielfältige Weise Folgen für Ihre tägliche Praxis haben.
Den vollständigen Bericht können Sie HIER einsehen.
Quelle: Sunstar