Wissenschaft und Forschung 07.01.2013
Parodontitis-Erreger schnell erkennen
12 Millionen Deutsche leiden an Parodontitis. Wird die Entzündung nicht behandelt, droht Zahnverlust. Mit einer neuen Diagnostikplattform lassen sich die Krankheitserreger schnell nachweisen. Zahnärzte können eine optimale Therapie rasch einleiten.
Wenn beim Zähneputzen oder beim Biss in einen Apfel das Zahnfleisch
blutet, könnte dies auf eine Parodontitis hindeuten – eine entzündliche
Erkrankung des Zahnhalteapparats. Bakterielle Plaque greift den Knochen
an, der Zahn kann sich mit der Zeit lockern und im schlimmsten Fall
sogar ausfallen, weil er kein Fundament mehr hat. Die Parodontitis ist
aber auch ein Krankheitsherd für den gesamten Körper: Gelangen die zum
Teil sehr aggressiven Bakterien in den Blutkreislauf, können sie weitere
Schäden anrichten. Mediziner vermuten einen Zusammenhang zwischen
Parodontitis-Erregern und Herz-Kreislaufschädigungen, die Herz- oder
Schlaganfälle auslösen könnten. Um den Entzündungsherd zu stoppen,
entfernen Zahnärzte Zahnstein und Beläge von den Zahnoberflächen. Doch
diese Maßnahme reicht oftmals nicht aus, besonders aggressive Keime
lassen sich nur durch Antibiotika beseitigen.
Von den geschätzten 700 Bakterienspezies in der Mundhöhle sind nur elf
als besonders parodontalpathogen bekannt, einige davon gelten als sehr
stark krankheitserregend. Kommen diese Markerkeime in den Zahntaschen
von Patienten vor, ist das Risiko einer schweren Form der Parodontitis
hoch. Aufschluss hierüber kann jedoch nur ein Bakterientest geben. Das
Problem: Bisherige Methoden zum Bestimmen der Erreger sind zeitaufwändig
und nur in einem Auftragslabor möglich. Ein hoher apparativer Aufwand
ist erforderlich. Der klassische Nachweis der Keime über ein
Kulturverfahren birgt das Risiko, dass Keime absterben, sobald sie mit
Sauerstoff in Verbindung kommen.
Keim-Nachweis in weniger als 30 Minuten
Eine neue mobile Diagnostikplattform soll den Nachweis der elf
relevantesten Parodontitis-Erreger deutlich beschleunigen: Mit
»ParoChip« haben Forscher am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und
Immunologie IZI in Leipzig in Zusammenarbeit mit der BECIT GmbH und der
Firma ERT-Optik ein Lab-on-a-Chip-Modul entwickelt, mit dem Zahnärzte
und medizinische Labore künftig Proben schnell aufbereiten und die Keime
anschließend analysieren können. Sämtliche Arbeitsschritte –
Vervielfältigung der DNA-Sequenzen und deren Detektion – laufen direkt
auf der Plattform ab, die aus einer scheibenförmigen mikrofluidischen
Karte besteht. Sie hat einen Durchmesser von etwa sechs Zentimetern.
»Bislang dauert eine Analyse rund vier bis sechs Stunden. Mit ParoChip
benötigt man weniger als 30 Minuten. Dadurch lassen sich in kurzer Zeit
sehr viele Proben untersuchen«, sagt Dr. Dirk Kuhlmeier, Wissenschaftler
am IZI.
Die Analyse erfolgt berührungsfrei und vollautomatisch: Nach der
Probenentnahme mit sterilen, zahnstocherförmigen Papierspitzen werden
die Bakterien von der Spitze gelöst und deren isolierte DNA in
Reaktionskammern mit getrockneten Reagenzien injiziert. Auf jeder Karte
befinden sich elf solcher Kammern – jeweils eine Kammer enthält das
Reagenz für jeweils einen der elf parodontalpathogenen Erreger. In einer
weiteren Kammer wird die Bestimmung der Gesamtkeimzahl realisiert. Dort
erfolgt die Polymerase-Kettenreaktion (PCR), eine Methode, um selbst
geringste DNA-Sequenzen von Pathogenen millionenfach zu kopieren. Um die
extrem schnellen Temperaturwechsel zu ermöglichen, die für die PCR
erforderlich sind, wird der scheibenförmige Kunststoff-Chip auf einen
Metallheizblock mit drei Temperaturbereichen gesteckt und mechanisch
über diese Bereiche gedreht. Dabei entsteht ein Fluoreszenzsignal, das
von einem angeschlossenen optischen Messgerät mit Fluoreszenzmesskopf,
Photodetektor und Laserdiode vermessen wird. Der Clou: Mithilfe des
Signals lässt sich nicht nur die Quantifizierung jeder Keimart und somit
die Schwere der Entzündung feststellen, sondern auch die Gesamtanzahl
aller Keime. Der Arzt kann die antibiotische Behandlung entsprechend
darauf abstimmen.
»Da wir mit dem angeschlossenen optischen Messsystem Bakterien
quantifizieren können, eignet sich ParoChip auch für den Nachweis von
anderen Infektionserregern wie Sepsis- oder Lebensmittelkeimen«, so
Kuhlmeier. »Mit ParoChip entfallen viele manuelle Schritte, die bisher
für Bakterientests erforderlich waren. Die Kunststoffscheiben lassen
sich kostengünstig fertigen, nach dem Gebrauch kann man sie wie
Einmalhandschuhe entsorgen«, betont der Forscher weitere Vorzüge der
kleinen Diagnostikplattform, die bereits als Prototyp vorliegt. Sie soll
zunächst in klinischen Laboren eingesetzt werden, realisierbar ist aber
auch die Vor-Ort-Analyse der Patientenproben in Zahnarztpraxen.
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft