Wissenschaft und Forschung 19.07.2011
Sind Männer die besseren Wissenschaftler?
Frauen haben erfolgreich die Forschung erobert – nicht aber deren Führungspositionen. Vor allem die deutsche außeruniversitären Forschung befindet sich fest in Männerhand. Die Zahl der Institutsleiterinnen betrug dort im Jahr 2009 nur sieben Prozent. Wie kann diese Kluft zwischen den Geschlechtern erklärt werden? Und was kann getan werden, um die Karrieremöglichkeiten von Wissenschaftlerinnen zu verbessern?
Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen der Universität Potsdam untersucht, wie sich weibliche und männliche Wissenschaftskarrieren entwickeln. Der Projektschwerpunkt liegt auf außeruniversitären Forschungseinrichtungen, da diese als Orte der Spitzenforschung ein zentrales Element im deutschen Innovationssystem darstellen. Angesiedelt ist das Projekt bei Potsdam Transfer und der Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie.
In einem ersten Schritt haben die Projektmitarbeiterinnen Führungspersonen außerhochschulischer Forschungsinstitutionen zu den Organisationsstrukturen ihrer Einrichtungen mit Blick auf die Karrieremöglichkeiten von Frauen interviewt. Zudem wurden 700 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Forschungseinrichtungen online befragt. Dabei ging es unter anderem um Aspekte wie Arbeitszufriedenheit, Karriereziele, Wahrnehmung von Kompetenzen und geschlechtsspezifische Rollenverteilung in den Forschungsteams.
Die Experteninterviews und die Onlinebefragung bestätigen wieder einmal, dass viel mehr Ähnlichkeiten als tatsächliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern vorhanden sind. Frauen wissen sehr wohl um die karriererelevanten wissenschaftlichen Arbeitsaufgaben und schätzen sich vergleichbar leistungsstark wie ihre männlichen Kollegen ein.
Benachteiligungen entstehen, weil der Zugang zu Karrierechancen nicht gerecht verteilt wird. Beispielsweise werden junge Wissenschaftlerinnen seltener als ihre männlichen Kollegen einbezogen, wenn Drittmittelanträge geschrieben werden. Auch werden sie seltener in Publikationen als Co-Autorinnen genannt, obwohl sie Beiträge zu den veröffentlichten Forschungsergebnissen geliefert haben. Wissenschaftlerinnen werden zwar als sozial kompetenter und teamfähiger eingeschätzt als ihre männlichen Kollegen. Für den Zugang zu Karrierechancen werden aber vor allem fachliche und methodische Kompetenzen sowie die zeitliche Verfügbarkeit als Entscheidungskriterien herangezogen. Diese Kompetenzen werden – sowohl von den männlichen als auch weiblichen Teilnehmern der Onlinestudie – ganz klar eher männlichen Wissenschaftlern zugeschrieben.
Der nächste Schritt im Projekt ist nun die Befragung von
Forschungsteams. Zudem bieten die Potsdamer Forscherinnen
eineinhalbtägige Teamentwicklungstrainings an – ein Angebot, dass es in
Deutschland bisher so nicht gibt. Damit sollen Forschungsteams
unterstützt werden, zukünftig noch reflektierter, karriereorientierter
und chancengerechter zusammen zu arbeiten. Interessierte Teams von
außerhochschulischen Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland können
sich für die Teilnahme an der Befragung und/oder den Trainings anmelden.
Die Ergebnisse der Studie können letztlich die Grundlage eines
Beratungskonzepts für alle Institutionen bilden, welche die
Chancengleichheit für Frauen in ihrem Hause verbessern wollen. Somit
sind sie nicht nur für Forschungseinrichtungen relevant, sondern auch
beispielsweise für die Industrie. Eine erste Monografie mit den
bisherigen Ergebnissen erscheint im September 2011 unter dem Titel
„Frauen in den Naturwissenschaften. Ansprüche und Widersprüche“ im VS
Verlag.
Quelle: Uni Potsdam