Wissenschaft und Forschung 10.08.2017
War der Frühmensch Homo naledi ein Steinbeißer?
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Der Homo naledi ist ein erst kürzlich, in der sogenannten „Wiege der Menschheit“ in Südafrika, entdeckter Vorfahre des Menschen. In der Dinaledi-Kammer der Rising-Star-Höhle, die schon andere sensationelle Funde barg, wurden vor vier Jahren fossile Überreste von mindestens fünfzehn Individuen gefunden – der größte Gruppenfund bis dato. Forscher der Liverpooler John Moores University nahmen nun die Gebisse dieses Frühmenschen unter die Lupe und verglichen die Frakturen mit denen weiterer Hominini (der Jetzt-Mensch und seine Vorfahren) und einiger Menschenaffenarten. Daraus wollten sie Rückschlüsse auf Ernährungsgewohnheiten und Verhaltensweisen des Homo naledi generieren.
© Ian Towle
Als besonders auffällig beschreiben die Forscher die Vielzahl der Zahnabsplitterungen: bis zu fünf an einem Zahn. Am häufigsten treten Frakturen an den Molaren auf (50 Prozent aller Zähne betroffen), doch auch mehr als 30 Prozent der Schneidezähne sind in Mitleidenschaft gezogen. Diese Werte liegen meist deutlich über denen von Fossilien anderer Arten. Die Arten Australopitheceus africanus und Paranthropus robustus gelten als Liebhaber harter Nahrungsbestandteile: Beide haben allerdings deutlich geringere Abnutzungsspuren an ihren Zähnen.
Ähnlichkeiten in der Abnutzung der Schneidezähne zeigen sich im Vergleich mit dem Pavian (engl. „Baboon“). Er setzt sie bei der Nahrungsmittelsuche ein und erleidet durch Steine Absplitterungen. Dass bei H. naledi aber die Molaren und Prämolaren außerordentlich viele Absplitterungen zeitigen, wird als Indiz gewertet, dass auch die Frakturen an Schneidezähnen nicht auf eine Kulturtechnik wie die Nahrungsmittelsuche zurückgehen.
Absplitterungshäufigkeiten an Ober- und Unterkieferzähnen verschiedener Hominini und Menschenaffen © Ian Towle
Weitere Vergleiche mit archäologischen Funden und Abnutzungen bei Inuit- und Aborigine-Gebissen erlauben den Schluss, dass der Homo naledi häufig kleine, harte Objekte kaute. Dies könnte z. B. Kies gewesen sein, der Wurzeln oder Knollen anhaftete, aber ganz ist dieses Rätsel noch nicht gelöst – dazu sind weitere Untersuchungen nötig. Fest steht, dass sich dieser Homo naledi deutlich von Fossilien anderer Frühmenschen unterscheidet: entweder in seiner Ernährung, seinem Lebensraum und/oder der Art und Weise des Kauens. Interessant ist dies insbesondere auch, da H. naledis Lebenszeitraum mit dem des Jetzt-Menschen zusammengefallen sein könnte. Dann würde sich die Frage nach der ökologischen Nische stellen, die er ausfüllte.
Quelle: American Journal of Physical Anthropology