Abrechnung 28.03.2012
Beihilfe abgelehnt: Zahnarzt steht offener Rechnungsbetrag zu
Zahnärzte können unter Umständen Rechnungen, die aus gutem Grund erhöht sind, vom Patienten einklagen
Die Erstattung scheinbar überhöhter Zahnarztrechnungen
kann nicht von den Beihilfestellen ohne sorgfältige Prüfung begrenzt
werden. Wird dieses trotzdem durchgeführt, kann der Zahnarzt seine
ausstehenden Kosten vom Patienten einklagen und Schadensersatz für die
entstandenen Verfahrensgebühren von der Beihilfestelle verlangen.
Der im niedersächsischen Schuldienst tätige Kläger verlangte von der
Beihilfestelle die Kosten der Zahnbehandlung seines Sohnes in voller
Höhe anzuerkennen. Das Problem: Der behandelnde Zahnarzt hatte in seiner
Rechnung mehrfach einen 3,5-fachen Gebührensatz zu Grunde gelegt. Die Beihilfestelle hielt aber
nur den 2,3-fachen Satz für gerechtfertigt und verweigerte die
Erstattung des darüber hinausgehenden Betrags.
Gegen diese Kürzung legte der Kläger Widerspruch ein und fügte dazu die
Stellungnahme des behandelnden Zahnarztes bei, in der dieser die
Überschreitung des 2,3-fachen Gebührensatzes begründete. Der Widerspruch wurde jedoch
zurückgewiesen. Daraufhin erhob der Kläger vor dem Verwaltungsgericht
Zahlungsklage gegen das Land Niedersachsen (als Beihilfeträger).
Da der Kläger bisher nur den reduzierten Rechnungsbetrag bezahlt hatte,
reichte wiederum der Zahnarzt vor dem Amtsgericht Hannover
Zahlungsklage gegen den Sohn des Klägers über den noch offenen
Restbetrag ein. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wurde zunächst
ausgesetzt.
Der Zahnarzt gewann den Prozess vor dem Amtsgericht, da ein
Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis kam, dass der 3,5-fache
Gebührensatz zu Recht abgerechnet wurde. Der Sohn des Klägers wurde
folglich dazu verurteilt, den noch offenen Rechnungsbetrag sowie die
außergerichtlichen Kosten des Zahnarztes zu erstatten und die
Gerichtskosten zu tragen.
Im danach wieder aufgenommenen Verwaltungsgerichtsverfahrens wurde der
Widerspruchsbescheid des Landes Niedersachsen, in dem die Erstattung der
vollen Zahnarztkosten verweigert wurde, im Hinblick auf das
rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Hannover für rechtswidrig erklärt
und aufgehoben. Die Beihilfestelle erstattete dann dem Kläger die
restlichen Zahnarztkosten.
Blieben noch die Kosten, die dem Kläger im Zivilprozess mit dem Zahnarzt
entstanden waren. Dafür begehrte er nun Schadensersatz von der
Beihilfestelle. Der Bundesgerichtshof (BGH) bejahte diesen
Schadensersatzanspruch mit der Begründung, die Beihilfestelle habe ihre
Amtspflicht verletzt, weil sie die Erstattung des erhöhten
Gebührensatzes ohne nähere Prüfung verweigert hatte. Stattdessen hätte
sie zunächst ein zahnärztliches Gutachten oder eine Stellungnahme der
Zahnärztekammer zur Höhe der Rechnung einholen müssen. So hätte sich der
Prozess vor dem Amtsgericht vermeiden lassen, und dem Kläger wären
keine weiteren Kosten entstanden.
Fazit
Zwar sind zwei unterschiedliche Rechtsverhältnisse betroffen, nämlich
zum einen der Dienstvertrag zwischen Zahnarzt und Patient, zum anderen
das Rechtsverhältnis zwischen Patient (Beihilfeempfänger) und dem Land
(Dienstherr und Beihilfeverpflichteter). Doch ist die Frage nach der
Zahlungspflicht des Patienten und der Erstattungspflicht der
Beihilfestelle zum maßgeblichen Zeitpunkt nach denselben Grundsätzen zu
beurteilen (vgl. § 5 BhV, Beihilfevorschriften des Bundes). In ähnlichen
Fällen ist betroffenen Patienten zu empfehlen, ihre Beihilfestelle auf
das BGH-Urteil (Aktenzeichen: III ZR 231/10) hinzuweisen.
Autorin: Judith Mußelmann, Rechtsanwältin bei Ecovis in Regensburg