Abrechnung 21.02.2011
Funktionsanalyse: Typische Einwände von Kostenerstattern
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Die Indikationen, die zur Anwendung der funktionsanalytischen Maßnahmen (FAL-Maßnahmen) führen, sind in der heutigen Zahnmedizin vielfältig. Häufig werden diese Leistungen aber vonseiten der Kostenerstatter (Versicherung oder Beihilfestelle) aus Gründen moniert, die aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar sind.
Nicht selten sind FAL-Leistungen allerdings auch schlicht vom Versicherungsumfang ausgenommen, worüber sich viele Patienten nicht bewusst sind. Bei beihilfeberechtigten Patienten ist eine Kostenübernahme dieser Leistungen von den jeweiligen Beihilfevorschriften abhängig, in denen die Indikationen, die zur Kostenübernahme führen, explizit genannt sind. Die Aufklärung über eine mögliche Nichterstattung muss somit bereits im Vorfeld der Behandlung im Vordergrund stehen.
GOZ 800: Befunderhebungsbogen zwingend?
Im Rahmen der Präparation von Inlays oder Einzelkronen ist die Untersuchung/ Dokumentation nach GOZ 800 häufig überflüssig, vor allem da die Leistungsbeschreibungen der GOZ 801–810 diese nicht fordern. So bestätigt auch die BZÄK in ihrem Beschlusskatalog die Berechnung von FAL-Leistungen ohne vorherige Berechnung der GOZ 800: „Aus gebührenrechtlicher Sicht (§1 Abs. 2 S. 1 GOZ) ist der Zahnarzt berechtigt, die Geb.-Nr. 801 GOZ ff. zu berechnen, ohne das nicht notwendige Formblatt nach Geb.-Nr. 800 GOZ zu erstellen.“
Davon unbenommen ist im Falle von beihilfeberechtigten Patienten zu beachten, dass in den Vollzugshinweisen der Beihilfevorschriften festgelegt ist, dass eine Kostenerstattung – auch bei Vorliegen einer Indikation, die zur Kostenübernahme berechtigen würde – nur bei Vorlage der Seite drei des Funktionsbefunds möglich ist. Diese rein beihilferechtliche Einschränkung ändert jedoch nichts daran, dass es dem Behandler freisteht, ob er dem Patienten zur Klärung der Kostenübernahme nach Rechnungsstellung einen Befunderhebungsbogen nach GOZ 800 zur Verfügung stellt. Nicht nur, dass dieser gebührenrechtlich nicht verlangt wird, es handelt sich in diesen Fällen auch um eine nicht medizinisch notwendige und zusätzliche kostenauslösende Maßnahme.
GOZ 801: Mehrfachberechnung die 1te
Vonseiten der Kostenerstatter wird häufig die Mehrfachberechnung der GOZ 801 moniert. Der Leistungstext sagt jedoch aus, dass die Berechnung je Registrat und höchstens zweimal möglich ist. Diese zweimalige Begrenzung kann sich aber nur auf einen Analysengang beziehen, denn gerade beim Übertrag der gewonnenen Patienteninformationen in den Artikulator ist zur Verbesserung der therapeutischen Sicherheit oftmals ein zweiter Registriervorgang notwendig. Wird ein weiterer Analysengang notwendig – z.B. wenn die ersten FAL-Maßnahmen zur Diagnostik erforderlich sind und weitere im Rahmen einer Zahnersatzbehandlung notwendig werden –, so kann dieser erneut und wiederum zweimal berechnet werden.
Auch gerichtlich ist die Mehrfachberechnung der GOZ 801 bereits bestätigt worden. So hat u.a. das AG Hamburg mit Urteil vom 29.06.2000 (Az 20B C 2091/ 96) darauf hingewiesen, dass davon auszugehen sei, dass das Registrat des Registrierens zweimal berechnungsfähig ist, das heißt je Analysengang maximal zwei Registrate berechnungsfähig sind. Tipp: Vermerken Sie auf der Rechnung, wofür bzw. in welchen Behandlungsabschnitten die Analysengänge notwendig waren.
GOZ 802–804: Der Einwand der Doppelhonorierung
Der Zusatz „einschließlich Material- und Laborkosten“ bei den betreffenden Leistungspositionen führt häufig zu Leistungsverweigerungen. Fakt ist jedoch, dass zur Vermeidung von Doppelhonorierung lediglich die Laborkosten nicht zusätzlich berechnungsfähig sind, die der Modellmontage dienen, wohingegen solche, die aufgrund der Modellherstellung entstehen (z.B. Split-Casts) sehr wohl separat berechnet werden dürfen. Weiterhin können Registrierbehelfe, die Anfertigung von Registratträgerplatten oder Bissschablonen zur Bestimmung der Vertikaldimension im Labor gem. § 9 GOZ berechnet werden.
Ebenso sind Laborleistungen berechnungsfähig, wenn Modelle zur Analyse in der Praxis einartikuliert werden und das Fremdlabor diese beispielsweise zur Modellation der endgültigen zahntechnischen Restauration nochmals einartikulieren muss. Tipp: Führen Sie die nicht berechneten Positionen im Eigenlabor ohne Berechnung auf. Beispiel: BEB 0404 Modellmontage – ohne Berechnung, da mit GOZ 802 abgegolten.
Nicht vergessen!
• Die Berechnung der Abformung zur Herstellung der Modelle erfolgt gesondert
nach GOZ 005/006, Materialkosten können separat berechnet werden.
• Bei Individualisierung des Abdrucklöffels GOZ 517 berechnen, denn Leistungsinhalt
ist die Abformung mit einem individuellen Löffel (kann ebenso erfüllt sein, wenn ein
konfektionierter Löffel individualisiert wird).
• Gem. Punkt 6 der RKI-Empfehlungen aus dem Jahr 2006 ist ein Dentallabor (Fremd-
oder Eigenlabor) arbeitsschutzrechtlich verpflichtet, alle Abdrücke, Löffel etc. zu
desinfizieren und diese als Eingangsdesinfektion bei der Einzelrechnung mit
aufzuführen; werden Abformungen bspw. im Eigenlabor ausgegossen, ist die
Desinfektion gem. BEB 0732 berechenbar.
GOZ 805–806: Mehrfachberechnung die 2te
Eine weitere Leistungseinschränkung findet sich regelmäßig bei der mehrfachen Berechnung der GOZ 805 oder 806, da nach Ansicht der Kostenerstatter auch diese Positionen nur einmalig berechnungsfähig sind. Sie begründen dies mit den Leistungsbeschreibungen, da in diesen vom Registrieren von Unterkieferbewegungen die Rede ist, sodass sie davon ausgehen, eine einmalige Berechnung schließe die Mehrzahl aller Bewegungen ein. Aus medizinischer Sicht ist hingegen anzuführen, dass die GOZ 805 pro Registriervorgang zu berechnen ist, das heißt im Rahmen der Einstellungen der Unterkieferbewegungen in halbindividuellen Artikulatoren einmal für die Protrusionsregistrierung und zweimal für die Laterotrusions-/Mediotrusionsregistrierung (einmal rechts, einmal links).
Auch die Leistungsbeschreibung der GOZ 806 sieht vor, dass das Registrieren von Unterkieferbewegungen zur Einstellung in voll adjustierbaren Artikulatoren und das Einstellen nach den gemessenen Werten berechnet werden kann. Da über die Anzahl der maximalen Berechnungsfähigkeit keine Aussagen getroffen werden, ist davon auszugehen, dass die Berechnung so oft möglich ist, wie Registrierungen der unterschiedlichsten Positionen der Unterkieferbewegungsbahnen vorgenommen werden.
Diese Auffassung wird u.a. durch das OLG Düsseldorf (Urteil vom 21.12.2000, Az: 3 O 126/00) bestätigt sowie durch die BLZK (GOZ-Fibel): „Es gibt verschiedene Analysegänge, die jeweils für sich die GOZ-Nrn. 805/806 auslösen. Die GOZ-Nrn. 805/806 sind je registrierter Ebene oder je Analysengang berechnungsfähig. Daher ist gegebenenfalls ein drei- bis viermaliger Ansatz der GOZ 805/806 je Sitzung nicht zu beanstanden.“
GOZ 809: Restriktive Wortlautauslegung leider auch hier
Kostenerstatter interpretieren den Wort-laut der GOZ 809 („Diagnostischer Aufbau von Funktionsflächen“) oftmals dahingehend, dass sämtliche Funktionsflächen an allen aufgebauten Zähnen gemeint sind und erkennen diese Ziffer nur einmal je Behandlungsfall an. Der Leistungstext enthält jedoch keine derartige Berechnungseinschränkung. Zudem kann aus medizinischer Sicht davon ausgegangen werden, dass der diagnostische Aufbau von Funktionsflächen je aufgebauter Funktionsfläche berechenbar ist (Vergleich z.B. GOZ-Fibel BLZK: „Die Position 809 GOZ enthält keine Berechnungseinschränkung. Sie wird je Zahn in Rechnung gestellt“).
Fazit
Selbst wenn in der Rechnung alle Einzelheiten der Behandlung – gegebenenfalls inklusive der Anmerkungen, die eine mögliche nachträgliche Kor-respondenz erleichtern – explizit aufgeführt sind, wird es vermutlich auch weiterhin im Bereich der Erstattung der funktionsanalytischen Leistungen zu mehr oder minder überzeugenden Ausführungen und diesbezüglichen Leistungskürzungen seitens der Kostenerstatter kommen. Um den Praxisalltag etwas zu erleichtern, empfiehlt es sich daher, den Patienten proaktiv auf diese Problematik und nicht zuletzt auch darauf hinzuweisen, dass leider viele Erstattungseinschränkungen auf Sparzwänge zurückzuführen sind, die das derzeitige Gesundheitssystem auch den privaten Kostenerstattern auferlegt. Medizinisch sinnvolle und letztlich notwendige Leistungen wie die der Funktionsanalyse dürfen hierunter jedoch nicht leiden.
Autor: Janine Schubert