Abrechnung 21.02.2011

Kostenerstattung bei Zahnersatz: Gebührenrechtliche Hürden Zahn um Zahn

Kostenerstattung bei Zahnersatz:  Gebührenrechtliche Hürden Zahn um Zahn

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Durch die steigende Lebenserwartung und zunehmende Lebensqualität befürworten ältere Patienten oftmals bei fehlenden Zähnen eine dauerhafte Versorgung mit Zahnersatz. Zwar ist die Auswahl der Versorgungsmöglichkeiten groß, dennoch wird diese durch die individuellen anatomischen Gegebenheiten jedes einzelnen Patienten stark eingegrenzt. Implantatgetragene Versorgungen verbreiten sich als Alter­native zur Vollprothese oder auch bei Restzahngebissen allerdings stetig, obwohl diese für den Patienten mit höheren Kosten einhergehen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, da private Krankenversicherungen und Beihilfestellen in diesem Rahmen eher zu einer restrik­tiven Kostenübernahme neigen.

Das Gespräch suchen

Zu Beginn einer Zahnersatzbehandlung darf die Aufklärungsarbeit bei älteren Patienten nicht unterschätzt werden. So dürfen generelle Verständnisprobleme ebenso wenig verkannt werden, wie auch die Angst sich an einen Fremdkörper im Munde gewöhnen zu müssen. Sowohl der Zahnarzt als auch die zahnmedizinischen Fachassistentinnen sollten daher möglichst viel Zeit für die Beschreibung und Erklärung der prothetischen Maßnahmen, der unterschiedlichen Variationen der Versorgungen sowie deren Anwendung investieren. Hinsichtlich der Abrechnung von Beratungs-/Gesprächsleistungen ist jedoch zu beachten, dass diese regelmäßig zu Diskussionen mit privaten Krankenversicherungen wie auch Beihilfestellen führt. Oftmals erfolgt eine Erstattung hierbei nämlich nur in einem nach Ansicht des Kostenerstatters angemessenem Rahmen oder nach den für ihn geltenden Vorgaben. Dabei entsteht vereinzelt sogar der Eindruck, dass sämtliche Begründungen für einen erhöhten Steigerungsfaktor schlichtweg ignoriert werden. Gleiches gilt für Angaben, welche eine mehrfache Berechnung innerhalb eines Behandlungsfalls rechtfertigen.

Selbst ein zuvor beantragter Heil- und Kostenplan und eine diesbezüglich getroffene „voraussichtliche Kostenübernahme“ schützt im Ergebnis nicht vor Leistungseinschränkungen. Knackpunkte sind vor allem Begleitleistungen wie Anästhesien sowie die konser­vierenden und chirurgischen Behandlungsmaßnahmen. Um Diskussionen zu vermeiden, sollte dem Patient daher
erklärt werden, dass ein Heil- und Kostenplan zwar der Kostentransparenz dient, im Ergebnis aber nur dokumentiert, wie die Behandlung aussehen soll und welche Kosten voraussichtlich entstehen. Mithin kann die endgültige Rechnung zu einem gewissen Prozentsatz vom ursprünglichen Heil- und Kostenplan abweichen, vor allem da die Material- und Laborkosten nur geschätzt werden können und damit als bloße Richtwerte einzuordnen sind. So hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit sogar Abweichungen von bis zu 25% als unwesentliche Änderung angesehen (vgl. z.B. LG Bielefeld, Urteil v. 07.01.1981, Az: 2 S 258/80).

Zielleistungsprinzip

Bei den typischerweise im Rahmen einer Implantatversorgung notwendig werdenden chirurgischen Leistungen werden nicht selten Positionen seitens der Kostenerstatter mit dem Hinweis auf das Zielleistungsprinzip gestrichen. Hintergrund für dieses Prinzip ist §4 Abs. 2 GOZ, welcher jedoch gerade nicht vom „Ziel“ einer Behandlung, sondern vom Bestandteil der Behandlung spricht. Dies ist auch nur konsequent, denn je weiter und höher das Ziel einer Behandlung gesteckt wird, desto weniger Gebührentatbestände können als selbstständige Leistungen betrachtet werden. Demnach wäre aber nur der letzte Behandlungsschritt abrechenbar, was letztlich aber deutlich über die eigentliche gesetzgeberische Intention dieses Konstrukts hinausgehen würde, sprich eine Doppelhonorierung von zahnärztlichen Leistungen zu vermeiden. Insoweit äußerte sich u.a. das AG Iserlohn bereits mit Urteil vom 01.03.1993 (Az. 40 C 758/92) dahingehend, dass soweit das Gebührenverzeichnis keine ausdrückliche Regelung enthalte, regelmäßig davon auszugehen sei, dass jede im Gebühren­verzeichnis enthaltende Gebühr neben jeder anderen berechnet werden kann.

Die „Klassiker“

Im Folgenden möchten wir kurz einige der „klassischerweise“ beanstandeten konservierenden, chirurgischen und prothetischen Abrechnungsmöglichkeiten im Rahmen der Privatliquidation und die mit ihnen regelmäßig verbundene Erstattungsproblematik aufzeigen:

GOZ 203: Grundsätzlich 1x je Kieferhälfte oder Frontzahngebiet je Maßnahme berechnungsfähig. Auch bei verschiedenen besonderen Maßnahmen wird häufig jedoch nur die ein­malige Berechnung gewährt.

Unser TIPP: Vermerken Sie in der Rechnung, dass es sich bei den in einer Sitzung im selben Gebiet erbrachten Leistungen um verschiedene, selbstständige Maßnahmen handelt, d.h. weisen Sie die besondere Maßnahme jeweils konkret aus (z.B. mittels eines Hinweises auf Blutstillung, Freistellen der Präparationsgrenze o.Ä.). Zudem können Sie Kostenerstattern folgenden Passus der Entscheidung des LG München I vom 02.03.2006 (Az.: 27 O 8436/04) entgegenhalten: „Der Verordnungsgeber habe zwar die Leistungsbeschreibung des BEMA übernommen, er habe jedoch den Zusatz ‚je Sitzung‘ wegfallen lassen. Daraus sei zu schließen, dass besondere Maßnahmen nach GOZ-Position 203 auch mehrmals pro Sitzung im gleichen Gebiet anfallen könnten.“

GOÄ 2381 neben GOZ 901: Es existiert kein Ausschluss in der GOZ/GOÄ. Mit dem Verweis auf das bereits oben beschriebene Zielleistungsprinzip wird die GOÄ 2381 dennoch nur selten erstattet.

Unser TIPP: Fügen Sie gleich den Zusatz „Hautlappenplastik und die da­zugehörige Schnittführung als selbstständige Leistung“ hinzu. Zudem können Sie Kostenerstatter auf den Hinweis des Beschlusskatalogs GOZ
– Arbeitsgruppe der BZÄK Stand 03.12.2004 wie auch GOZ AG Süd verweisen, in dem es heißt: „GOÄ 2381 ff. sind für den Zahnarzt unstrittig eröffnet und finden Anwendung bei chirurgischen Techniken, die über den primären Wundverschluss hinausgehen. Der primäre Wundverschluss umfasst nur das spannungsfreie Aneinanderbringen readaptierbarer Wund­ränder ohne weitere Maßnahmen.“

GOZ 504 neben 508: Diese Ziffern sind nebeneinander berechnungsfähig, da es sich um unterschiedliche Funktionen handelt. Die Berechnung wird aber in der Regel nicht von Kostenerstattern anerkannt.

Unser TIPP: Weisen Sie den Patienten von vornherein offensiv auf diese „Kostenerstattungsproblematik“ hin. Fertigen Sie z.B. ein Informationsblatt an, mit welchem Sie darauf hinweisen, dass die Nebeneinanderberechnung generell zulässig ist. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber einen Ausschluss auch textlich in die GOZ einbringen müssen. Dieser Standpunkt findet sich in diversen Gerichtsentscheidungen wie-der (z.B. AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, Az. 3 C 2/97, Urteil v. 02.08.2000/AG Marburg, Az. 10 C 1636/99, Urteil v. 09.07.2001/OLG Düsseldorf, Az I-4 U 79/03, Urteil v. 09.12.2003), wobei es z.B. im Urteil des OLG Hamburg vom 20.02.2004 (Az 1 U 139/02 und Az 1 U 94/03) heißt: „Die Gebührennummer 508 ist bei Teleskopkronen nach der
Gebührennummer 504 zusätzlich berechenbar, denn die auf die Erstellung der Teleskopkronen als Verbindungselement gerichtete Arbeit des Zahn­arztes stellt sich als selbstständige Leistung im Sinne von §4 (2) S. 1 dar, die nicht im Sinne von § 4 (2) S. 2 bereits Bestandteil der unter der Gebührennummer 504 abgerechneten Leistung ist.“

Fazit

Dem Patienten sollte vor Behandlungsbeginn nicht nur detailliert erläutert werden, inwiefern seine Kaufunktion mit dem von ihm gewählten Zahnersatz wiederhergestellt werden kann, sondern auch, dass mit jeder Versorgungsform andere Kosten einhergehen, deren Erstattung durch eine Ver­sicherung oder Beihilfestelle nicht immer unproblematisch ist. Ist der Patient ausreichend über die Problematik informiert, sind sicherlich viele Differenzen zwischen Patient und Praxis vermeidbar.

Autoren: Martina Erwart & Sarah Sliwa


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