Finanzen 04.01.2012
Vermögend, aber illiquide
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Diese Woche erhielt ich eine E-Mail von Dr. B.: „Sehr geehrter Herr Spang, mit großer Begeisterung verfolge ich nun seit Langem Ihre Finanztipps in der ZWP. Ich bin mittlerweile ein Fan von Ihnen geworden – vor allem wegen Ihrer klaren Aussagen. Was ich allerdings vermisse, wäre eine klare Aussage zu den offenen Immo-Fonds. Ich bin selbst seit gestern ein Opfer des einst als Basisinvestment hochgelobten AXA Immoselect. Mein Geld scheint unwiderruflich verloren. Des Weiteren habe ich noch größere Summen in den Immo-Fonds […] investiert. Was einst als sicher galt, ist jetzt anscheinend das genaue Gegenteil und sogar noch weit unsicherer als ein reiner Aktienfonds, weil hier wohl in der Tat Totalverlust möglich ist. […] Über eine Antwort von Ihnen und eventuell Aufgreifen des Themas für Ihre Kolumne (wahrscheinlich bin ich nicht der einzige Kollege, der auf Sicherheit in Form von Immobilienfonds gesetzt hat) würde ich mich sehr freuen.“
Aus Platzgründen halte ich meine Antwort kurz und knapp:
1. Offene Immobilienfonds (OIF) galten als und waren jahrzehntelang eine sichere Anlage mit einem sparbuchähnlichen Kursverlauf. Deshalb war es sinnvoll und „lege artis“, sie als „defensive“ Bausteine in ein Depot beizumischen.
2. Die allermeisten, wenn nicht alle, der jetzt geschlossenen oder in Liquidation befindlichen, waren und sind nicht per se schlechte Investments, sondern sie wurden durch den übermäßigen Geldabzug von (Groß-)Investoren zu schlechten Investments. Dies gilt m.E. auch für den AXA Immoselect. Die gesündeste und größte Bank kommt in allergrößte Schwierigkeiten, wenn die meisten ihrer Anleger in kurzer Zeit das Geld abziehen. Deshalb war es z.B. richtig, dass die Regierung auf dem Höhepunkt der Finanzkrise eine Staatsgarantie für Spar- und Festgelder etc. abgab, um einen Bank-Run zu verhindern.
3. Jeder, der schon mehr als einmal ein Haus oder eine Wohnung verkauft hat, weiß, dass neben der Objektqualität vor allem zwei Faktoren die Höhe des Verkaufspreises beeinflussen: a) das Marktumfeld und b) der Zeitrahmen, der für den Kauf zur Verfügung steht. Wer im Krisenumfeld unter Zeitdruck verkauft, bekommt für das tollste Haus in bester Lage weniger als der, der in Boomzeiten mit viel Zeit verkauft. Deshalb können auch die besten OIF-Manager zurzeit keine optimalen Verkaufspreise erzielen. Das wirtschaftliche Umfeld ist schlecht, der Zeitdruck ist da und weil viele OIF’s Geld brauchen ist auch das Angebot groß; all das dürfte auf die Preise drücken.
4. Der einfache Hausbesitzer glaubt gerne, dass Immobilien einen objektiven Wert hätten und der nur steigen könne. Das ist im wirklichen Leben aber anders. Immobilien sind wie Teppiche, Antiquitäten oder Oldtimer immer nur so viel wert, wie ein anderer zum Zeitpunkt des Verkaufs dafür bezahlen will – egal was ein Sachverständiger vorher als Preis geschätzt hat. Dumm ist es nur, wenn der Verkäufer bei zu niedrigen Angeboten nicht mehr „Nein“ sagen kann, weil er das Geld braucht. Der Anteilseigner von OIF, der mit dem Investment unzufrieden ist, sollte seine sonstigen Investments in Wohnungen und Häuser einmal kritisch beleuchten und mit den gleichen Augen betrachten wie seine OIF’s. Ein Freund von mir hat gerade scheidungsbedingt sein Haus nach zehn Jahren mit saftigem Verlust verkauft. Beim Kauf ging er nicht unbedingt von einer Wertsteigerung aus, aber davon, dass er mindestens den Kaufpreis jederzeit erzielen könne. Irrtum.
5. Der AXA Immoselect wird an der Börse gerade mit einem Abschlag von rd. 40 Prozent gehandelt. Ich rate meinen Anlegern von einem Verkauf über die Börse ab, weil ich erwarte, dass der Liquidationserlös höher liegen wird als der aktuelle Börsenkurs. Diese Erwartung hat übrigens auch der Käufer der Anteile, der sie über die Börse erwerben will. Der will nämlich einen Gewinn machen und den erzielt er nur dann, wenn der Liquidationserlös über seinem gebotenen Preis von 60 Prozent liegt. Ob die Annahme richtig ist, wissen wir alle erst, wenn alle Objekte verkauft und der Fonds komplett liquidiert ist. Eines weiß ich – während der Liquidation fließen dem Fonds (und damit auch den Anteilseignern) auf jeden Fall noch Mieterträge zu, die vielleicht den einen oder anderen Preisnachlass abfedern können.
6. Am meisten Sorgen bereiten mir die Fremdfinanzierungen der OIF’s, die während der ersten Schließungsphase heraufgefahren wurden. Beim aktuellen Zinsniveau hätten die sich bei Weiterführung des Fonds renditesteigernd ausgewirkt, bei „Zwangsverkäufen“ aber unter Umständen stark ertragsmindernd. Stichwort „Hebel“.
7. Die meisten der OIF’s mit einer starken „Hausbank“ im Rücken dürf-en einigermaßen gut durch die Branchenkrise kommen, weil sie stetigen Mittelzufluss erhalten oder zumindest von größerem Mittelabfluss verschont bleiben. Sie können zurzeit vielleicht sogar das eine oder andere Schnäppchen von in Auflösung befindlichen Fonds abstauben, was sich in ein paar Jahren positiv auf die Wertentwick-lung auswirken könnte.
„Sehr geehrter Herr Dr. B., gerne beantworte ich alle Ihre jetzt noch offenen Fragen ausführlich und mit konkreten Empfehlungen in einem persönlichen Beratungsgespräch. Meine Kontaktdaten finden Sie unten.“
Themenwechsel: In der ZWP 12/2010 schrieb ich: „Zu der Kategorie der noch unbekannten Fonds, mit denen Sie mit etwas Glück auch in schwierigen Zeiten Geld verdienen können, dürfte der […] AMANDEA MK Hybrid gehören.“ Wenn Sie damals der Empfehlung folgten, werden Sie sich dieses Jahr gefreut haben, denn der Fonds liegt ordentlich im Plus, während die Szenestars von Carmignac und ETHNA noch leicht im Minus liegen.