Praxiseinrichtung 21.02.2011

Beeinflusst Praxisdesign die Patientenzufriedenheit?



Beeinflusst Praxisdesign die Patientenzufriedenheit?

Das Gesundheitswesen ist in den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus der Gesellschaft gerückt. Zum einen richtet sich das Augenmerk auf die Kosten, zum anderen wird die Qualität der erbrachten Leistungen kritisch hinterfragt, indem auf andere Länder verwiesen wird, welche erfolgreichere Gesundheits­statistiken bei geringeren Kosten vorweisen können. Der daraus resultierende Kostendruck zwingt auch niedergelassene Ärzte, mit vorhandenen finanziellen Mitteln eine optimale Patientenversorgung zu gewährleisten und andererseits den steigenden Qualitätsansprüchen der Patienten an eine effiziente medizinische Versorgung gerecht zu werden.

Ärztliche Leistungen sind zumeist immateriell, physisch nicht greifbar und für den Patienten als medizinischem Laien nicht möglich, die Qualität der ärztlichen Behandlung direkt zu bestimmen. Die von einem Arzt vollzogene Leistung ist für den Patienten lediglich ein „theo­retisches Konstrukt“, welches er über Ersatz­indikatoren für sich messbar macht. So greifen Patienten z.B. sehr oft auf die Zeit, welche sich der Arzt für den Patienten nimmt, zurück, und schließen von dieser – oft auch unbewusst – auf die Vertrauenswürdigkeit des Arztes. Je länger sich ein Arzt Zeit für einen Patienten nimmt, umso eher vertraut der Patient dem Arzt.


Studienergebnisse

Es bedarf daher der Evaluation, durch welche Indikatoren eine Behandlung durch einen Arzt vom Patienten als qualitativ hochwertig empfunden wird. Eine diesem Beitrag zugrunde liegende explorative Befragung von 196 Patienten von nahezu ebenso vielen niedergelassenen Hausärzten geht daher der Frage nach tauglichen Indikatoren nach, die die Qualitätswahrnehmung des Patienten operationalisieren können. Obwohl die Ergebnisse im strengen methodischen Sinn nur für diese Ärztegruppe gültig sind, liegt die Vermutung jedoch nahe, dass die Kernergebnisse auf Zahnärzte übertragbar sind, da der hier relevante grundsätzliche Charakter der Arzt-Patienten-Beziehung für beide Ärztegruppen weitestgehend identisch ist.

Gegenstand dieser umfassenden Gesamt­analyse sind auch durch den Praxiseinrichter aktiv gestaltbare Kriterien des Praxisdesigns, wie etwa Raumklima, Ambiente oder Orientierung in der Praxis. Dabei wird analysiert, wie sich diese auf unterschiedliche Kriterien der Patientenzufriedenheit bzw. der Beurteilung der (Dienstleistungs-)Qualität eines Arztes auswirken.Aus der Gesamtanalyse hervorzuheben sind dabei die positiven Korrelationen zwischen der Patientenbeurteilung des Raumklimas, des Ambientes sowie der Orientierung in der Praxis einerseits sowie der empfundenen Gründlichkeit der Untersuchung und der Beurteilung der medizinischen Kompetenz durch den Patienten andererseits. Mit in die Betrachtung einbezogen werden auch die Auswirkungen der genannten Designkomponenten auf Zufriedenheit mit dem Arzt ins­gesamt und die Qualität der Behandlung sowie ergänzend das Vertrauen, die empfundene Menschlichkeit des Arztes sowie das Gefühl, sich gut aufgehoben zu fühlen.

Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Korrelationskoeffizienten nach Pearson zwischen den betrachteten Variablen. Dieser Koeffizient kann Werte zwischen „0“ und „1“ annehmen. Null besagt, dass es überhaupt keinen Zusammenhang gibt, 1 beschreibt einen perfekten Zusammenhang, d.h. immer, wenn ein Patient das Ambiente als „sehr gut“ bezeichnet, beurteilt, er auch die me­dizinische Kompetenz als „sehr gut“. Da es außer den hier betrachteten natürlich noch viele weitere Faktoren gibt, welche z.B. die Gesamtzufriedenheit mit einem Arzt beein­flussen, ist plausibel, dass alle Korrelationen deutlich unter 1 liegen. Alle in Abbildung 1 ausgewiesenen Korrelationen sind hoch signifikant.


Auffallend sind die relativ zu den anderen Werten höheren Korrelationen zwischen der Zufriedenheit mit dem Raumklima und dem Ambiente sowie der Zufriedenheit mit dem Arzt und der Qualität der Behandlung ins­gesamt. Diese werden im Folgenden näher betrachtet. Abbildung 2 gibt einen detaillierten Überblick über die einzelnen Beurteilungen des Raumklimas und der Zufriedenheit mit dem Arzt insgesamt. 64,5% der Patienten, welche mit dem Raumklima sehr zufrieden sind, sind auch mit dem Arzt sehr zufrieden, andererseits sind alle, also 100% derjenigen Patienten, welche mit dem Raumklima völlig unzufrieden sind, auch mit dem Arzt unzufrieden. Abbildung 3 zeigt eine ähnliche Tendenz zwischen der Zufriedenheit mit dem Raumklima und der Meinung des Patienten zur Qualität der Behandlung seines Arztes.

Für die Zufriedenheit mit dem Ambiente und der Gesamtzufriedenheit mit dem Arzt bzw. der Patientenbeurteilung der Behandlungsqualität zeigen sich nahezu identische Er­gebnisse. Zur Verdeutlichung dieser Zusammenhänge zwischen der Beurteilung des Raumklimas und Ambientes einerseits und der Qualität der Behandlung der Gesamtzufriedenheit mit einem Arzt andererseits werden abschließend die Mittelwerte zwischen mit Ambiente bzw. Raumklima zufriedenen und neutralen bzw. unzufriedenen Patienten verglichen. Abbildung 4 zeigt deutlich, dass Patienten, welche mit dem Raumklima bzw. dem Ambiente zufrieden sind, auch die Qualität der Behandlung besser einschätzen bzw. mit der Arztpraxis insgesamt zufriedener sind. Alle dargestellten Unterschiede sind hoch signifikant.

Zusammenhang zwischen Ambiente und Behandlungsqualität

Zusammenfassend lässt sich somit ein positiver Zusammenhang zwischen Ambiente bzw. Raumklima und der Beurteilung von Behandlungsqualität bzw. Arztpraxis insgesamt feststellen. Wie können diese Zusammenhänge nun im Detail erklärt werden? Theoretisch kann ein Zusammenhang in zwei Richtungen wirken. Einerseits kann es sein, dass Ärzte, die besonders gründlich untersuchen und eine hohe Fachkompetenz haben, generell sehr interessiert und kompetent sind und daher auch mehr Wert auf die Gestaltung des Ambientes und Raumklimas legen. Andererseits ist es möglich, dass ein gutes Am-biente und Raumklima bzw. eine positive Wahrnehmung und Beurteilung von Ambiente und Raumklima durch den Patienten auch seine Wahrnehmung bzw. Beurteilung ärztlicher Leistungen beeinflussen. Im Folgenden wird der zweite Ansatz weiter verfolgt.

Aus der wirtschaftspsychologischen Theorie ist die sogenannte informationsöko­nomische Eigenschaftstheorie bekannt. Die Leistungsmerkmale eines Angebotes de­terminieren in hohem Maße die Beurteilungsmöglichkeiten und das Beurteilungsverhalten der Nachfrager. Nach der von Nelson entwickelten und später von Darby und Karni erweiterten Eigenschaftstypo­logie differenziert man diese in Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften (Abb. 5).

Sucheigenschaften liegen dann vor, wenn die Eigenschaften einer Leistung bereits vor Vertragsabschluss bewertet werden können. Beim Kauf eines Bio-Brotes ist dies z.B. das Gewicht. Streng genommen ist dies bei Dienstleistungen unmöglich, da die Leistung erst nach Vertragsabschluss entsteht. Erfahrungseigenschaften sind Eigenschaften, die ein Nachfrager erst nach Gebrauch oder Inanspruchnahme eines Produkts oder einer Dienstleistung auf Grundlage seiner Erfahrungen evaluieren kann. Im Bio-Brot-Beispiel ist dies der Geschmack. Vertrauenseigenschaften können hinge­gen gar nicht oder nicht direkt durch einen einzelnen Nachfrager beurteilt werden. Der Nachfrager muss hierbei darauf vertrauen, dass die zugesicherten Eigenschaften tatsächlich vorhanden sind. So ist im Bio-Brot-Beispiel vom Konsumenten unter normalen Bedingungen nur schwer zu prüfen, ob das Brot tatsächlich nur biologische Inhaltsstoffe enthält. Grundsätzlich steigt der Anteil der Vertrauenseigenschaften für die Qualitätsbeurteilung in dem Maße, je höher der Integrationsgrad des externen Dienstleisters und der Grad der immateriellen Bestandteile an einer Dienstleistung sind. Dies bedeutet, dass das erforderliche Vertrauen bei der Wurzelbehandlung eines Zahnarztes wesentlich höher ist als etwa bei einer Wohnungsrenovierung durch einen Handwerker und innerhalb der Dienstleistungen eines Zahnarztes bei der Wurzelbehandlung höher als bei der Zahnreinigung. Mittels des informationsökonomischen Dreiecks können Leistungen je nach Dominanz einer Eigenschaft einem Such-, Erfahrungs- oder Vertrauenskauf zuge­ordnet werden: Dienstleistungen im Allge­meinen und somit auch Dienstleistungen eines Arztes sind stark durch Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften geprägt. Durch den benannten hohen Anteil an Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften sowie dem geringen medizinischen Fachwissen sind Patienten einem hohen funktionalen (beispielsweise schwerwiegende Behandlungsfehler mit oft irreversiblen Folgen) und psychischen (Gefühl des Ausgeliefertseins, Anonymität, therapieinduzierte Schmerzen) Risiko ausgesetzt. Dieses hohe Maß an Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften bewirkt beim Patienten ein risikoaverses Verhalten. Das bedeutet, dass Patienten sich in hohem Maße treu verhalten und bei Zufriedenheit ihren Arzt nicht wechseln. Während bei zahlreichen Dienstleistungsbeziehungen zunächst Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften überwiegen, verändert sich mit zunehmender Erfahrung die Klassifikation zu einem höheren Anteil an Sucheigenschaften. Dies ist bei der Patienten-Arzt-Beziehung aufgrund der nicht merklich steigenden medizinischen Kompetenz des Patienten nur eingeschränkt der Fall.

Die medizinischen Leistungen der hier betrachteten Ärzte – beispielsweise Diagnosen und Behandlungen – beruhen nahezu ausschließlich auf Vertrauenseigenschaften. Hingegen sind die Einrichtungsbegebenheiten wie Ambiente und Raumklima der Praxis klassische Sucheigenschaften, welche der Patient beurteilen kann. Konsequenz ist, dass Patienten diese von ihnen beurteilbaren Kriterien als Indikatoren für die von ihnen nicht einzuschätzenden medizinischen Fähigkeiten heranziehen und dass es offenbar auch starke Ausstrahlungseffekte auf die Zufriedenheit mit der Arztpraxis insgesamt gibt.

Autoren: Thomas Dobbelstein, Thomas Brylla


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