Praxiseinrichtung 13.09.2016
Gestaltungsfaktor „Farbe“ im Dentallabor und der Zahnarztpraxis
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Grün als die Farbe der Hoffnung, Rot als Farbe der Liebe, Schwarz als Symbol für Tod und Trauer und Weiß als Zeichen der Reinheit. Mit bestimmten Farben assoziiert der Betrachter ein bestimmtes Motiv. Für die Gestaltung der Arbeitsräume ist neben der effizienten Planung des Labors oder der Zahnarztpraxis somit auch die Farbwahl von großer Bedeutung. Ein kleiner Einblick in die physiologische und psychologische Wirkung von Farbe.
Betrachtet man Weiß unter rein physiologischen Aspekten, so ist es in der additiven Farbmischung die Summe allen Lichtes. Rot, Grün und Blau mischen sich zu Weiß. Dieses Phänomen lässt sich am besten an einem alten Röhrenfernseher beobachten: Aus der Ferne betrachtet, sieht man am Fernsehschirm eine weiße Fläche. Betrachtet man den Fernsehschirm hingegen aus der Nähe, sieht man, dass sich Weiß aus den drei Grundfarben Rot, Grün und Blau mischt und nur durch die Überlagerung dieser ein weißer Farbeindruck entsteht.
So ähnlich verhält es sich im menschlichen Auge. Dort gibt es sogenannte Fotorezeptoren. Das sind spezialisierte Sinneszellen der Netzhaut, die dafür zuständig sind, bestimmte Spektralfarben nach dem oben genannten Schema wahrzunehmen und im Gehirn zu einem Sinneseindruck zu verarbeiten. Das menschliche Auge ist in der Lage, im Spektralbereich zwischen etwa 380 und 750 Nanometer zu sehen. Dieser Teil der elektromagnetischen Strahlung ist das für den Menschen sichtbare Spektrum (bzw. Licht). Man kann dieses weiße Licht durch ein Prisma in seine Spektralfarben zerlegen und sieht wiederum die Farben des Regenbogens. Das heißt: Die Welt, wie wir sie farbig sehen, ist die Folge aus der Verarbeitung des Sinneseindrucks und dessen Interpretation unseres Gehirns. Insekten und viele Vögel besitzen zusätzliche Fotorezeptoren, mit denen sie einen weiteren Teil des Farbspektrums, z. B. im UV-Bereich, wahrnehmen können. Dadurch können diese Tiere mehr Farben differenzieren als der Mensch. – Folglich sehen sie die Welt, wie wir sie kennen, anders.
Modern Chic im Wartezimmer: Die Grenzen zwischen Homing – also der Gestaltung der eigenen vier Wände – und der Gestaltung von öffentlichen Bereichen verschwimmen immer mehr.
Weiß weckt in unserem Kulturkreis die Assoziation zu Reinheit und Vollkommenheit. Es ist Symbol für die Tugend und Verlässlichkeit. In östlichen Kulturen wie China oder Japan steht Weiß als ein Symbol für das Alter und den Herbst. Gebrochenes Weiß – ein Farbton, der dem Weiß ein cremiges Aussehen verleiht, symbolisiert in Fernost Trauer und die Auseinandersetzung mit dem Tod. In unserem westeuropäischen Kulturkreis ist die Farbe Schwarz ein Ausdruck der Trauer, Weiß hingegen markiert für uns den Anfang. Das Unbenutzte ist weiß. Es wirkt strahlend, munter und erhaben, aber auch isolierend und steril.
Weiß in der Arbeitsumgebung
In Arbeitsumgebungen ist Weiß sachlich und klar. Es grenzt ab, schafft Ordnung und Übersicht. Weiß als Oberflächenfarbe von Arbeitsplatten wirkt aufgeräumt und übersichtlich. Gegenstände, die auf weißen Arbeitsplatten stehen, wirken kontrastreicher als auf dunklen Oberflächen. Weiß assoziieren wir mit Sauberkeit und Reinheit. Besonders in Dentallaboren und Zahnarztpraxen ist Weiß ein Qualitätsmerkmal und Hygienesymbol. Allerdings – und das ist wesentlich – sollte Weiß wirklich nur auf solche Bereiche begrenzt werden, in denen ein guter Kontrast unumgänglich und die Hygieneanforderungen sehr hoch sind.
Reines Weiß als Farbe einer Arbeitsoberfläche sollte jedoch mit Vorsicht eingesetzt werden: Reines Weiß erscheint durch auftreffendes Licht (gleich ob Tageslicht oder Kunstlicht) leicht überstrahlend und ermüdet auf lange Sicht die Augen. Besser verträglich sind daher leicht angegraute Weißnuancen. Diese ermöglichen einen guten Kontrast und sind für die Augen besser verträglich.
Umliegende Wandflächen in Dentallaboren sollten natürlich in die Gesamtfarbgestaltung der Räume einbezogen werden. Da hauptsächlich feinhandwerklich hoch konzentriert gearbeitet wird, gilt es, Ermüdungserscheinungen vorzubeugen und dem Auge Ruhepole zu schaffen. Für die umliegenden Wandflächen empfehlen sich daher pastellige Weißtöne – sogenannte Offwhites. Dabei kann es sich um angefärbte Nebeltöne, fruchtige Sorbetfarben oder kühle Frischefarben handeln. Farben der Umgebung lassen sich auch in der Innenraumgestaltung (natürlich in abgeschwächter Form) aufnehmen. Dadurch entstehen Sichtachsen von den Innenräumen nach draußen. Das beruhigt das Auge ebenfalls und schafft einen harmonischen
Gesamteindruck.
Ohne Licht keine Farbe
Auf Oberflächen auftreffendes Licht wird, je nachdem, welche Farbe die Oberfläche besitzt, unterschiedlich reflektiert bzw. absorbiert. Licht und Farbe sind somit aneinander gekoppelt. Die Farbtemperatur des Lichtes beeinflusst natürlich auch die Wahrnehmung der Umgebungsfarbtöne und sollte in einer Farbgestaltung unbedingt eingeplant werden. Während warmes, also gelb-rötliches Licht, Konturen verschwimmen lässt, werden Oberflächen und Gegenstände auf bläulich-kühlem Licht scharf gezeichnet.
Lichtfarbe, Wand- und Möbelfarbigkeit beeinflussen sich natürlich gegenseitig. Es ist daher äußerst wichtig, zur exakten Farbbestimmung von Zähnen in Dentallaboren oder Zahnarztpraxen auf eine möglichst einheitliche Beleuchtung zu achten, die zielgerichtet ganze Flächen ausleuchtet. Besonders bewährt haben sich Flächenleuchten, die sich in Farbtemperatur und Helligkeit anpassen lassen. So lassen sich ungewünschte Farbeffekte, wie etwa der Simultankontrast*, verhindern und die Zahnfarbe in unterschiedlichen Lichtverhältnissen beurteilen. Flächenleuchten mit einer tageslichtähnlichen Lichtfarbe garantieren ein gleichbleibendes und unverfälschtes Lichtbild.
Farbe als Gestaltungsfaktor
Farbe isoliert betrachten zu wollen, ist nicht möglich. Eine Farbgestaltung misst sich immer an der Summe ihrer Farben. Zwei wesentliche Aspekte sind bei einer Raumgestaltung zu berücksichtigen: nutzungsspezifische und humanfunktionelle Merkmale der Farbe.
Nutzungsspezifische Merkmale von Farbe und deren Möglichkeiten:
- Trennen den Raum in unterschiedliche Arbeits-/Nutzungszonen.
- Stellen eine hierarchische Ordnung her (z. B. in einem Ablagesystem: Grün = fertig/abgearbeitet, Rot = nicht fertig).
- Weisen Räumen allein durch die Farbigkeit eine bestimmte Funktion zu und unterstreichen die Funktion eines Raumes (z. B. Wartebereich = erdige, warme Farben = gemütlich, Arbeitsbereich = pastellige, angegraute Nuancen = sachlich, organisiert).
- Heben wichtige Raumelemente oder Punkte im Raum farblich hervor (z. B. Meetingpoint oder Besprechungsraum in einer kräftigen Akzentfarbe oder aber akzentuierte Arbeitsplatzabtrennung bei mehreren Arbeitsplätzen an großen Tischen).
Humanfunktionelle Merkmale von Farbe und deren Möglichkeiten:
- Anpassung an die Bedürfnisse des Menschen, wie etwa bei der Wahl der Farbigkeit von Arbeitsflächen (z. B. augenschonende Farbwahl: seichter Grauton oder Offwhite statt strahlendem Weiß).
- Schaffung von Ruhepolen für das Auge durch den gezielten Einsatz von Farbe.
- Herstellung einer Farbbalance im Raum, die sich zwischen Harmonie und Kontrast bewegt.
Letzterer Punkt ist wesentlich für eine Raumgestaltung: Alle (Raum-)Farben, die sich in einem Viertel des Farbkreises bewegen und in unterschiedlicher Nuancierung, Intensität und Sättigung miteinander kombinieren lassen, wirken besonders beruhigend. Durch solche Farbzusammenstellungen werden sogenannte Ton-in-Ton-Farbharmonien erzeugt, die besonders beruhigend und ausgeglichen wirken. Das ist ideal für Räume, in denen durch Möblierung und Anzahl der Arbeitsplätze ohnehin „viel los“ ist.
Dennoch ist es auch wichtig, nicht nur harmonische Bereiche zu schaffen, sondern auch zu schauen, dass sich Farben durch gezielte Kontrastierungen gegenseitig beeinflussen und somit Spannung in eine Raumgestaltung bringen. Eine solche Spannung kann bereits durch den Einsatz von Sitzmobiliar in gesättigten Farben erzeugt werden. Sollte man das in Erwägung ziehen, ist es aber ratsam, in der umliegenden Raumgestaltung die Farbe etwas schonender einzusetzen. Kontrastierungen erreicht man am besten durch Farben eines Komplementärkontrasts, also solchen Farben, die sich im Farbkreis gegenüberstehen.
Weniger ist mehr
Dieser Leitsatz gilt auch noch heute. Im Zweifel ist es ratsam, mit Farbe sparsam umzugehen. Wir sind der Flut der Sinneseindrücke und chaotisch gestalteten Räumen überdrüssig und sehnen uns nach Ruhepolen und feinnuancierten Raumgestaltungen. Es ist daher wichtig, die Kernbotschaft eines Raumes (entspannend, anregend, beruhigend, aktiv etc.) auf ein Minimum „herunterzubrechen“.
Nicht die Fülle der Farben ist ausschlaggebend für eine gute Raumgestaltung, sondern eine gesunde Dosis aus harmonischem und spannungsreichem Umfeld. Nicht nur bei der Wahl der Farben ist weniger mehr, auch bei der Wahl des Mobiliars: Eine reduzierte Umgebung unterstreicht nämlich den Charakter der Farben.
Ein Blick in die Zukunft
Im Gesundheitssektor halten zunehmend Farben natürlichen Ursprungs Einzug, die in ihrer Sättigung und Leuchtkraft wenig aufdringlich sind. Es ist außerdem ein Trend erkennbar, der die Grenzen zwischen Homing, also der Gestaltung der eigenen vier Wände, und der Gestaltung von öffentlichen Bereichen verschwimmen lässt. Primär geht es in Zukunft darum, humanfunktionelle Aspekte auch in der Gestaltung von Räumen im Objektbereich zuzulassen oder gezielt solche Bereiche zu kreieren, die darauf abzielen, den Menschen größtmöglichen Komfort und auch Geborgenheit zu geben. Farben sind daher auch ein Instrument, Strukturen zu schaffen und Menschen zu begeistern. Dass dabei nicht nur Weiß zum Einsatz kommt, ist selbstredend – auch wenn Weiß assoziativ der Anfang ist und Schwarz das Ende.