Praxishygiene 30.06.2022

Praxishygiene – Dilemma Wischdesinfektion

Praxishygiene – Dilemma Wischdesinfektion

Foto: Kzenon – stock.adobe.com

Gemäß § 8 der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) muss die Aufbereitung von bestimmten Werkzeugen keimarm oder steril – unter Berücksichtigung der Herstellerangaben – mittels validierbarer Prozesse umgesetzt werden. Bei der Umsetzung der Wischdesinfektion ist für die ausreichende Menge des Desinfektionswirkstoffes auf allen zu desinfizierenden Oberflächen und eine manuelle mechanische Krafteinwirkung notwendig. Diese kann nach Meinung des RKI nicht in gleicher Art und Weise von allen Praxismitarbeitern durchgeführt werden. Allerdings sind Zahnarztpraxen für eine sachgerechte Durchführung des gesamten Aufbereitungsverfahrens verantwortlich und dazu verpflichtet, diese mit geeigneten Verfahren vor Ort zu validieren. Aufbereitete Medizinprodukte dürfen gemäß § 11 Satz 1 MPDG nicht betrieben oder angewendet werden, wenn aufgrund von Mängeln Patienten, Beschäftigte oder Dritte gefährdet werden könnten. Ein Verstoß ist nach § 92 Absatz 1 Nummer 1 MPDG strafbewehrt und auch der Versuch ist strafbar.1

Gemeinschaftsprojekt Hygiene

Ein umfassendes Hygienemanagement ist essenziell für jede Zahnarztpraxis und umfasst alle Prozesse der Qualitätssicherung, sodass beispielsweise bauliche Faktoren an das Hygienekonzept angepasst werden müssen. Es ist deshalb wichtig, klare Verantwortlichkeiten zu definieren, und sicherzustellen, dass alle – egal, ob neue oder langjährige Praxismitarbeitende – die Hygienestandards entsprechend umsetzen müssen. Sollten Defizite auffallen oder neue Geräte, neue Werkzeuge, neue Desinfektionsmittel oder auch die in der Pandemie regelmäßig auftretenden Änderungen des Infektionsschutzgesetzes oder des technischen Regelwerks biologischer Arbeitsstoffe auftreten, müssen diese immer deutlich kommuniziert werden. Hygiene ist ein Gemeinschaftsprojekt: Setzt ein Teil des Teams die Maßnahmen nicht entsprechend um, hat das Einfluss auf das gesamte Hygienemanagement der Praxis.

Wo liegt der Fehler?

Hängt ein nicht valides Hygienekonzept somit immer mit einer fehlerhaften Umsetzung durch einzelne Praxismitarbeiter zusammen? Ganz klar: Nein. In vielen Bereichen – beispielsweise in der Wischdesinfektion – fehlt es an gut umsetzbaren validierbaren Prozessen. So fällt es Praxen oft schwer, ein gutes Hygienekonzept umzusetzen. Das Robert Koch-Institut gab Ende 2021 bekannt, dass die viel genutzte Wischdesinfektion schlichtweg nicht validierbar ist. Dies stellt die Zahnmedizin vor große Probleme, denn es gibt viele Geräte, wie intraorale Kameras oder Polymerisationslampen oder auch ältere Multifunktionsspritzen, bei denen vom Hersteller eine Wischdesinfektion vorgegeben ist. Das RKI gibt an, dass die Wischdesinfektion keine Umsetzung eines ausreichend validierbaren Hygienekonzeptes ermöglicht. Gleichzeitig sagt das RKI, dass sich an den Aufbereitungshinweisen der Hersteller orientiert werden soll. Aber was ist, wenn der Hersteller gerade diese Desinfektionsmethode vorgibt?

Alternativen schaffen und Lösungen finden

Hersteller müssen demnach Alternativen entwickeln, mit denen diese Geräte in Zukunft anders aufbereitet werden können. Dies hilft perspektivisch, stellt den Zahnarzt im Hier und Jetzt aber vor große Probleme. Denn in dem Moment, wo man weiß, dass etwas nicht validierbar aufbereitet werden kann, darf es nicht mehr benutzt werden. Und trotzdem sind Zahnärzte auf das Wischverfahren angewiesen, da sie ihre Patienten weiter behandeln müssen. Nutzt der Zahnarzt seine Instrumente, für die die Wischdesinfektion vorgegeben ist, weiter, besteht das Risiko, bei der nächsten Begehung haftbar gemacht zu werden. Tut er es mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht, kann er seine Patienten nicht weiter behandeln. Ein klares Dilemma! Damit wird deutlich, dass ein Hygienemanagement zwar eine Vielzahl an Stellschrauben hat, aber nicht alle Maßnahmen im Sinne eines guten und validierbaren Hygienemanagements umsetzbar sind. Hier besteht eindeutig Bedarf an Alternativen. Diese Alternativensuchen sollten aber nicht nur in der Entwicklung vollkommen neuer Geräte münden, sondern Zahnärzte müssen auch mit dem weiterarbeiten können, was sie zur Verfügung haben.

Klare Empfehlung: Maschinelle Aufbereitung

Eine gute Alternative in diesem Kontext ist vor allem die maschinelle Aufbereitung. Diese ist nach der Meinung renommierter Hygieniker das, was validierbar und reproduzierbar ist und wo sich die Aufbereitung von Medizinprodukten zwingend hinentwickeln muss. Unabhängig von der Pandemie und anderen Faktoren ist gerade die maschinelle Aufbereitung ein Trend, der sich – wenn auch langsam – kontinuierlich in vielen Zahnarztpraxen entwickelt hat und deutlich zur Verbesserung der Qualitätssicherung beiträgt. Die maschinelle Aufbereitung wird damit in vielen Bereichen der Praxishygiene die Zukunft sein.

1 Die für Medizinprodukte zuständigen Obersten Landesbehörden (AGMP), das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Robert Koch-Institut (RKI): Validierung der abschließenden Desinfektion von semikritischen Medizinprodukten mittels Wischdesinfektion, Epid Bull 2021;44:13– 15 | DOI 10.25646/9185

Autorin: Dr. Anette Simonis

Dieser Beitrag in in der ZWP spezial erschienen.

Mehr News aus Praxishygiene

ePaper