Praxismanagement 05.01.2016
Der Fluch der guten Tat, oder …
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Im letzten Teil der dreiteiligen Serie informiert der Autor Francesco Tafuro, Hamburg, wie Praxisorganisation und Selbstmanagement aktiv gestaltet werden können.
Das Hamsterrad beginnt sich für viele schon am frühen Morgen zu drehen: Bereits mit Eintritt in die Praxis erwarten den Zahnarzt meist ängstliche und kritische Patienten, erwartungsvolle Mitarbeiterinnen mit einer Menge Fragen und ein Berg an zu bearbeitenden Kostenplänen, Rechnungen und weitere Post. Die E-Mails werden noch mal eben schnell abgerufen und es folgt ein Blick auf die Telefonliste, wo auch schon wieder drei Leute etwas wollen. Scheinbar unvorhergesehene Behandlungen sprengen die Tagesplanung. Muss der geplante Sport am Abend schon jetzt abgesagt werden?
Das moderne Praxisleben ist hektisch. Zahlreiche Aufgaben bedürfen der direkten Kommunikation und sofortigen Aufgabenverteilung. Und auch hier gibt es einen gewissen „Fluch der guten Tat“: Je erfolgreicher ein Zahnarzt ist, desto mehr neue Patienten – aber auch Aufgaben – kann er verzeichnen. Und die steigenden Patientenzahlen drehen noch einmal mehr am ebenso oft zitierten Hamsterrad. Dem Zahnarzt bleibt das Gefühl, nicht mehr von der Stelle zu kommen. Er kann oft nur noch reagieren.
Spirale aufhalten
Wie in einer Spirale hat ein mangelhaftes Zeitmanagement auch Auswirkungen auf das gesamte Team, die Patienten und somit auch auf die Praxis insgesamt. Der Arbeitstakt des Zahnarztes ist meist der Herzschlag der Praxis. Die Mitarbeiterinnen fühlen sich dann oft unsicher, überfordert oder frustriert. Denn dieser Stress bewirkt eine spürbare Abnahme der Arbeitseffizienz und Produktivität. Für die Patienten entstehen lange Wartezeiten, die selten von den Mitarbeiterinnen oder dem Zahnarzt erklärt werden. Die Unruhe im Team und in den Arbeitsabläufen überträgt sich auf die Patienten und verstärkt das Unwohlsein von Angstpatienten unnötig.
Klare Ziele und ein geschicktes Zeitmanagement für sich und seine Praxis helfen dem Zahnarzt, den Fokus neu auszurichten und mehr Zeit für die wesentlichen Dinge im Privat- und Berufsleben zu gewinnen. Der Zahnarzt fungiert mit einem verbesserten persönlichen Zeit- und Selbstmanagement als Initiator für die effektive Umstrukturierung der Arbeitsabläufe im Team. Um das „Hamsterrad“ nachhaltig verlassen zu können, muss der Zahnarzt am Anfang klare Ziele definieren, eine feste Wochenplanung nach Prioritäten vornehmen und sich selbst besser organisieren. Wer das Ziel nicht kennt, verliert sich auf dem Weg ins Nirgendwo.
Klare Ziele definieren
Langfristig erfolgreich kann nur der Zahnarzt sein, der für die Praxis (aber auch für sein Privatleben) klare Ziele definiert hat. Was möchte ich am Tagesende erreicht haben? Aber auch: Was möchte ich nicht mehr erleben? Was müssen Zahnarzt und Team entsprechend reduzieren? Oft bemerken wir in Praxen eine gegenseitige Schuldzuweisung zwischen Rezeption und den Behandlern. Das Team bemängelt zu viele Gespräche mit dem Patienten oder außerhalb des Behandlungszimmers am Telefon. Der Zahnarzt dagegen stellt in seinem „Terminbuch“ fest, dass wieder ein Patient in zweiter oder sogar dritter Reihe dazwischen gequetscht wurde, der innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nicht zu behandeln ist. Wartezeiten sind vorprogrammiert, Aufklärungen und Beratungen werden auf den nächsten Termin verschoben, das Patientengespräch abgewürgt, weshalb nicht zuletzt viele Patienten außerhalb der Praxis von der erlebten Hektik bei ihrem Zahnarzt berichten.
Schritt 1:
Definieren Sie, wo Sie hinwollen und wohin nicht mehr.
Raus aus dem Chaos kommen der Zahnarzt und sein Team nur, wenn klar definiert ist, was konkret wie erreicht werden soll. Die Erfahrung jedoch zeigt, dass maximal fünf Prozent der Zahnärzte ihre Ziele kennen und sich damit beschäftigen. Und nicht selten wird der jährliche Sommerurlaub intensiver geplant als das jeweilige Geschäftsjahr der Praxis. Dabei ist die Umwandlung persönlicher Wünsche in konkrete Ziele nicht schwer. Im ersten Schritt beschreibt der Zahnarzt seine Ziele so detailgetreu wie möglich. Im Anschluss werden eventuelle negative Formulierungen in positive Bilder verwandelt. Statt „Ich will keine Schulden auf meinem Konto haben“ ist es besser, zu sagen „Mein Kontostand soll bis zum 31.12. des Jahres ausgeglichen sein“. Statt „Ich will mehr Prophylaxe machen“ ist es besser und realistischer, z. B. für eine Prophylaxemitarbeiterin in Vollzeit, „drei große und fünf Recall-Patienten pro Tag“ zu planen.
Schritt 2:
Im Teammeeting die „To-dos“ und „Not-To-dos“ festlegen.
Hier geht es dann darum – am besten gemeinsam mit dem Team – zu erarbeiten, was Zahnarzt und Team jeweils dafür tun müssen bzw. welche Verhaltensweisen beim Zahnarzt und beim Team geändert werden müssen. Dieser zweite Prozess wird sinnvollerweise von einem Praxiscoach begleitet, der aus den eigenen Eindrücken aus der Praxisanalyse und ihren Zielen schon schnell erkennen wird, „wo der Schuh drückt“. Wichtig ist es hier, Erfolgserlebnisse zu erfahren und deshalb den Aktivitätenplan dementsprechend zu gestalten. Sie und Ihr Team müssen „im Fluss“ bleiben. Das eine oder andere Folgecoaching zur Kontrolle der Umsetzung ist hier ebenso sinnvoll wie der kurze Draht für Team-Nachfragen – per Telefon, Mail oder auch SMS.
Der Zahnarzt im Einzelcoaching: Selbstmanagement
Sinnvoll ist es, wenn der Zahnarzt auch ein Einzelcoaching absolviert. Häufig führt sein Selbstmanagement mittelbar in kleinere oder größere Krisen. Maßnahmen des Selbstmanagements wären beispielsweise:
Zeitfresser-Analyse: Wo bleibt meine Zeit? Erfassen der (ungeplanten) Tagesaufgaben außerhalb des Bestellbuches auf einem gesonderten Blatt: Welche Aufgaben fallen am Praxistag „mal eben“ noch an? Gesammelt werden in diesem ersten Schritt eine Woche lang alle zusätzlichen Tätigkeiten und deren Zeitbedarf. Erstaunliche Ergebnisse werden zutage treten.
Morgendliches Briefing mit dem Team: Was steht heute an? Worauf müssen wir achten? Wen können wir auf was ansprechen bzw. beraten? Worauf müssen wir aufpassen? Wann? Wer?
Besser delegieren: Wer macht was bis wann in welcher Qualität? Und wer ist grundsätzlich für bestimmte Aufgaben zuständig? Wer ist wessen Stellvertreter? Wer muss ausgebildet oder gecoacht werden, um den Zahnarzt besser zu entlasten?
Entperfektionieren: Pareto hat bereits im 19. Jahrhundert entdeckt, dass man in 20 Prozent der Zeit 80 Prozent der Ergebnisse erzielt. Dies war eine Provokation für den gewissenhaften Zahnarzt, der auch gerne als „Perfektionist“ bezeichnet wurde. Im Übrigen war dies aber auch der Schlüssel zur „Burn-out-Prophylaxe“: Wo kostet mich mein Perfektionismus letztlich meine Energie, Zeit und Geld?
„Nein“ sagen lernen und weniger Dinge aufschieben: Kombiniert wurden diese Bereiche des Selbstmanagements mit der Spezialisierung des Terminbuchs. Hier wurden grundsätzliche Strategien definiert.
Prinzipien der Terminierung für spezialisierte Zahnärzte
Planung um die großen Behandlungen herum: Definiert werden feste Zeitblöcke je Tag für die größeren Behandlungen wie Zahnersatz, Implantologie oder Endodontie. Um diese Blöcke herum werden die anderen Blöcke gelegt oder die kleinen Behandlungen platziert. Wiederbehandlungszonen: Die „01-Neu“ zieht neben Zahnersatz eben auch Wiederbehandlungszeiten nach sich, die kurzfristig frei bleiben müssen. Diese Zeitzonen sind verbindlich bis zu fünf Praxistage vorher frei zu bleiben. Falschbestellungen müssen ansonsten umbestellt werden. Patienten können durchaus vier bis sechs Wochen auf normale Termine warten, in ländlichen Regionen teilweise sogar länger.
Stand-by-Liste: Die Rezeptionsmitarbeiterinnen erhalten zudem die Aufgabe, allen Patienten, die einen Behandlungstermin erst in vier Wochen oder später bekommen, eine Aufnahme auf die Warte-/Stand-by-Liste anzubieten. Dies nimmt Patienten oft den Wind aus den Segeln und sorgt für mehr Verständnis.
Kommunikationsschulung: Mitarbeiterinnen werden geschult, um den Engpass Behandlungszeit besser und professioneller transportieren zu können. Positive Formulierungen werden eingeführt und bei der Terminvergabe zudem eine Alternativfrage eingesetzt, damit der Patient zumindest wählen kann, welcher Termin besser passt. Auch das Kompetenzgefälle kann durch Schulungen und Formulierungshilfen innerhalb des Teams abgebaut werden. Diese Maßnahmen haben letztlich auch zur Folge, dass Patienten Verständnis für die Arbeit des Rezeptions- resp. Praxisteams aufbringen.